In Zeiten von Facebook, Fakenews und Google gewinnt George Orwells Roman „1984“ eine erschreckende Aktualität. Im Nationaltheater Mannheim hat Regisseur Georg Schmiedleitner die Dystopie nun auf die Bühne gebracht.
Es ist dunkel. An die Wand gepresst und damit außerhalb des Sichtfeldes der Kamera, mit der sein Zimmer überwacht wird, schreibt Winston Smith seine Gedanken auf. Mit eindringlichen Monologen erweckt Benjamin Pauquet die Rolle zum leben. Er entfaltet anschaulich das Bild eines Menschen, der hofft, liebt und der Wünsche hat. Damit ist Winston in seiner Welt allein.
Im Jahr 1984 – bei der Veröffentlichung des Romans 1949 noch ferne Zukunft – ist die Individualität weitgehend abgeschafft. Dem Zuschauer präsentiert sich eine total überwachte Gesellschaft. „Die Partei“ unter der Führung des großen Bruders hat die Kontrolle übernommen und nur sie allein bestimmt, was wahr und was falsch ist. So kann zwei plus zwei auch mal fünf sein. Zeitungsartikel und Bücher werden umgeschrieben, es soll nichts mehr geben, was die Meinung der Partei widerlegen kann. Selbst die Sprache bleibt nicht unangetastet. Der Wortschatz wird gezielt eingeschränkt, damit kritisches Denken gar nicht erst möglich ist. Schockierend an dem Stück ist vielleicht, dass es viele gar nicht mehr schockiert. Das Internet hat in unserer Zeit die Überwachung perfektioniert, die Parlamente können die Aktivitäten ihrer Geheimdienste kaum überblicken und die Kommunikation über neue Medien beschränkt sich auf Floskeln und Satzfetzen.
Vieles, was in dem Roman detailliert ausgeführt wird, deutet die Bühnenfassung des Orwell-Klassikers nur an oder lässt manches komplett aus. So tauchen etwa die „Proles“ im Stück überhaupt nicht auf, was aber kein Verlust für die Inszenierung ist. Es gelingt Regisseur Georg Schmiedleitner bei aller Reduzierung die Welt, die George Orwell erdacht hat, eindrücklich darzustellen. Die Kulisse ist bewusst schlicht gehalten. Sie besteht aus einem Rondell mit vier Wänden, das sich immer wieder dreht und die Akteure zwingt dagegen anzulaufen, doch es sind immer wieder nur schwarze Räume, die sie durchwandern. Wo auch immer Winston hingeht, die Maschine läuft gegen ihn.
Doch er gibt die Hoffnung auf eine andere Welt nicht auf, erst recht nicht als er Julia kennen lernt. Die taffe Frau, hervorragend gespielt von Celina Rongen, erobert sein Herz im Handumdrehen. Heimlich treffen sich die beiden und entdecken ihre Liebe als Quelle des Widerstands. In einer Welt, in der das Fühlen verboten ist, wird die Liebe revolutionär. Großer Hoffnungen schmieden Winston und Julia Pläne – bis sie gefasst werden.
O’Brien, Mitglied der inneren Partei, hat Winston schon seit Jahren beobachtet. Nichts ist ihm entgangen. Und so kommt Winston in die Umerziehungsanstalt des „Ministeriums für Liebe“. In langen Psychoduellen fordert O’Brien ihn heraus. Auf exzessive Folterszenen hat der Regisseur verzichtet. Im Zentrum stehen die die Dialoge zwischen den Protagonisten. Am Ende verleugnet der psychisch gebrochene Winston alles an sich und die Partei zementiert wieder einmal ihren Machtanspruch. Hier ist die besondere Leistung von Michael Fuchs zu betonen, der O’Brien in bestechend fanatischer Manier spielt.
Am Ende bleibt für den Zuschauer die Frage, wie sich vor der medialen Durchdringung nahezu aller Lebensbereiche die individuelle Freiheit, das authentische Denken und Fühlen erhalten lassen.
Von Justin Reuling
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Spielzeiten:
Donnerstag, 14.12. um 19.30
Freitag, 15.12. um 19.30
Sonntag, 07.01. um 19:30
Donnerstag, 11.01. um 19.30
Samstag, 14.01. um 19:30
Weitere Infos auf der Seite des Nationaltheater Mannheim.
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