Die asiatische Ballsportart Sepaktakraw verbindet Fußballtennis mit artistischen Einlagen. Ein Selbstversuch
Sepaktakraw! Was zunächst nach einem Zauberspruch aus den „Harry Potter“-Filmen klingt, hat mit Magie recht wenig zu tun. Hinter dem etwas sperrigen Namen verbirgt sich eine asiatische Ballsportart, die in Deutschland jedoch kaum bekannt ist. „Sepak“ ist malaiisch für schießen, „Takraw“ bezeichnet den auf besondere Art geflochtenen Ball. Er setzt sich aus 20 Sektoren, die ihm sein charakteristisches Aussehen verleihen. In Heidelberg trifft sich die Sepaktakraw-Gruppe jeden Montag beim Unisport. Wer ein wenig Ballgefühl mitbringt, kommt mit Sicherheit auf seine Kosten und wird schnell vom Zauber des Spiels in seinen Bann gezogen.
Grundsätzlich ist Sepaktakraw eine Art Fußballtennis: Auf einem etwa 13 x 6 Meter langen Spielfeld versuchen drei Spieler, den Ball über ein Badminton-Netz zu bugsieren. Ähnlich wie beim Volleyball sind drei Ballkontakte pro Mannschaft erlaubt, wobei jedoch auch ein Spieler alle Kontakte ausführen darf. Brust oder Kopf können ebenso zur Hilfe genommen werden.
Was in der Theorie nicht besonders schwierig klingen mag, erweist sich in der Praxis als anspruchsvolle Aufgabe. Dies wird bereits in den ersten Minuten des Trainings deutlich. Als erste Übung probieren wir Neulinge uns daran, den Ball kontrolliert in die Höhe zu spielen und selbst wieder aufzufangen. Das hat zwar ein wenig den Charme des Mit -sich-selbst-Tennis-Spielens, ist aber zwingend notwendig, um den Bewegungsablauf kennenzulernen.
Denn mit dem klassischen Hochhalten eines Fußballs hat diese Übung nur wenig zu tun, wird der Ball beim Sepaktakraw vor allem mit der Innenseite des Fußes gespielt – allerdings nicht wie beim Fußball in der Horizontalen, sondern in der Vertikalen. Für Fußballspieler fühlt sich diese Bewegung zunächst etwas ungewohnt an, nach ein paar Versuchen hat man sich an den Bewegungsablauf jedoch gewöhnt.
Trotzdem braucht es eine gewisse Frustrationstoleranz und Hartnäckigkeit, denn auch die folgenden Übungen – den Ball zum Mitspieler spielen oder einen hohen Ball kontrolliert annehmen – funktionieren nicht auf Anhieb und stellen eine Herausforderung dar, die man erst nach einigem Üben zumindest halbwegs beherrscht. Auch die Profis traininieren diese elementaren Bewegungsabläufe regelmäßig, da sie die Grundlage für eine gute Ballbeherrschung darstellen. Im Spiel selbst sind die Rollen der Spieler relativ fest definiert. Der Tekong ist der am weitesten hinten positionierte Spieler; er führt die Aufschläge aus und nimmt in der Regel den vom Gegner kommenden Ball an. Die beiden anderen Spieler – Feeder und Striker – sind üblicherweise für den zweiten und dritten Ballkontakt zuständig. Ihre Rollen können beliebig wechseln. Der Feeder bereitet dabei den Angriff vor, der Striker versucht einen möglichst gefährlichen Angriffsschlag zu produzieren.
Spätestens an diesem Punkt unterscheidet sich Sepaktakraw vom munteren Kick am Strand. Von wahren Meistern wird der Angriffsschlag spektakulär per Seitfall-, Fallrückzieher oder ähnlich akrobatischem Kunststück vollzogen, wie eindrucksvolle Youtube-Videos es mir schon im Vorfeld der Recherche zeigen. Für Amateure ist der Kopfball meist die bessere Wahl. Zudem gelingt es den Profis beim Aufschlag, den Ball mit dem Fuß über Kopfhöhe zu erwischen und so ähnlich einem klassischen Tennisaufschlag über das Netz zu feuern. Doch von diesem Kunststück sind nicht nur Anfänger, sondern auch gestandene Sepaktakraw-Spieler oftmals ein Stück weit entfernt.
In Heidelberg hat sich in den letzten Jahren ein kleines Grüppchen an Spielern und Spielerinnen formiert. Eine davon ist Katharina, die seit vier Jahren das Training besucht. „Lange war ich die einzige Frau, aber mittlerweile gibt es eine reine Frauenmannschaft“, erzählt sie. Wie die Mehrzahl der Neulinge hat sie den Weg zum Sepaktakraw über den Fußball gefunden: „Ich komme zwar vom Fußball, aber es ist doch ein ganz eigener Bewegungsablauf. Sich den Instinkt abzugewöhnen, immer direkt zum Ball zu gehen, ist eine der Schwierigkeiten.“ Zwar gesteht sie anfängliche Hürden ein, bilanziert aber: „Das Gefühl, wenn man den Ball perfekt trifft und den Punkt macht, ist einfach toll!“ In einen solchen Rauschzustand komme ich bei meinen doch eher durchschnittlichen Versuchen nicht wirklich, aber es stimmt zweifellos: Wenn etwas gelingt – und sei es auch nur das kontrollierte Zuspiel zu einem Mitspieler – ist die Freude umso größer.
Auch Thomas Kaiser, Leiter der Gruppe und deutscher Nationalspieler, kam über den Hochschulsport an der Sporthochschule Köln zum Sepaktakraw. „In Deutschland ist es eine recht kleine Familie, die Sepaktakraw spielt“, erzählt er, „wir haben etwa 50 bis 100 aktive Spieler“.
Neben der Mischung aus Akrobatik und Ballgefühl spielt für Thomas auch der kulturelle Kontext eine Rolle. Mit der Nationalmannschaft verbuchte Thomas schon einige Erfolge bei internationalen Turnieren, der Abstand zu den führenden Nationen der Sportart – Hochburgen sind Thailand und Malaysia – ist jedoch groß.
Nach eineinhalb Stunden Training schmerzt mein rechter Knöchel ein wenig, der den relativ harten Ball offensichtlich einige Mal zu oft abbekommen hat, und zu den wahren Ballzauberern zähle ich sicher noch nicht, doch es ist unbestreitbar, dass der Sport auch für Anfänger reizvoll ist.
[box type=”shadow” ]Trainingszeiten: Jeden Montag im Semester von 18 bis 20 Uhr beim Unisport in der Dreifachhalle 1a (INF, Gebäude 720) [/box]
Von Jesper Klein