Die Stadt möchte künftig nachhaltiges Einkaufen erleichtern. Denn trotz zahlreicher Siegel sind Herkunft und Produktion von Lebensmitteln für den Verbraucher oft undurchschaubar
[dropcap]D[/dropcap]as Umweltamt und der Tiergarten Heidelberg wollen durch Kennzeichnung regionaler Erzeugnisse und Aufklärung über Produktionsstandards zukünftig mehr zu einer bewussteren Einkaufsentscheidung anregen. Damit sind sie nicht die ersten – durch die Vielzahl an bereits existierenden Siegeln weiß fast niemand mehr genau, wofür die einzelnen überhaupt stehen.
Zunächst darf sich Bio nennen, was mit dem EU-Siegel versehen ist. Dieses löste im Jahr 2010 das sechseckige deutsche Biosiegel ab. Zwar werden oft beide Siegel gemeinsam abgebildet, eine höhere Aussagekraft ergibt sich dadurch jedoch nicht.
Bioland, Naturland und Demeter sind die bekanntesten Verbände, deren Standards über die der EU-Richtlinie hinausgehen. Sie achten bei der Vergabe besonders auf Weidegang der Tiere und das Unterlassen einer präventiven Antibiotikavergabe. Auch müssen die Höfe vollständig und nicht lediglich zum Teil biologisch wirtschaften. Dies verhindert, dass Pestizide und gentechnisch veränderte Materialien von dem konventionellen Teil auf den biologischen übertragen werden. Bioland konzentriert sich dabei auf Regionalität der Produkte und unterstützt kleine Erzeuger. Naturland agiert international, schreibt dafür jedoch faire Arbeitsbedingungen vor. Demeter setzt eine eigene Lebensfähigkeit der Höfe voraus, sodass neben dem Anbau von Nutzpflanzen auch Tierhaltung Pflicht ist, damit Kompost bzw. Dünger für den Ackerbau produziert wird. Demeter gilt als das Siegel, für das die strengsten Vorschriften eingehalten werden müssen. Zum Beispiel verbietet nur Demeter eine Enthornung der Rinder. Insgesamt sind Produkte mit dem europäischen Biosiegel sehr viel umwelt- und tierfreundlicher als konventionelle Produkte. Um weitreichendere Standards zu erlangen, sollte jedoch darauf geachtet werden, dass zusätzlich ein weiteres der oben genannten Siegel vorhanden ist.
Allerdings ist eine biologische Produktion nur ein Kriterium, auf das beim Kauf von Lebensmitteln geachtet werden kann. So sucht das Umweltamt Heidelberg momentan nach einer Möglichkeit, Verbrauchern eine vereinfachte Identifizierung von regionalen Produkten zu ermöglichen. Innerhalb der Initiative bio.regional.fair sollen bis Ende 2018 regionale Produkte entweder durch ein Siegel an den Verpackungen oder durch Etiketten an Verkaufsregalen ausgezeichnet werden. Welche Kriterien genau vorliegen müssen, um als regional beurteilt zu werden, hat das Umweltamt noch nicht entschieden. Neben Lebensmitteln könnten zum Beispiel auch Blumen von dieser Kampagne berücksichtigt werden.
Laut Kristina Wetzel, der Abteilungsleiterin des Amts für Umweltschutz Heidelberg, „liegt der Begriff regional voll im Trend.“ Er werde aber auch willkürlich verwendet, was bei Verbraucherinnen und Verbrauchern viel Unklarheit verursache. Ziel sei es, durch Appell an die Einkaufenden den Absatz der regionalen Erzeuger zu erhöhen und damit langfristig ein größeres regionales Angebot zu schaffen. „Ideal wäre natürlich, wenn wir dadurch auch weitere Betriebe davon überzeugen können, nachhaltiger zu produzieren“, meint Kristina Wetzel. Auch plane das Umweltamt, neben der Regionalität das Bewusstsein für Saisonalität der Produkte zu erhöhen. Dazu arbeitet das Amt für Umweltschutz gemeinsam mit Heidelberger Produzenten, Gastronomen und Verkäufern an einem Konzept.
Auch der Heidelberger Zoo informiert nun über Tierhaltung und Nachhaltigkeit. „Mit der neuen Dauerausstellung mit dem Titel ‚Vom Alltagsbraten zum Sonntagsbraten‘ hat sich der Zoo zur Aufgabe gemacht, die Besucher zu animieren, ihren Fleischkonsum kritisch zu hinterfragen. Und wenn dabei nur jeder zweite Besucher pro Woche 200 Gramm weniger Fleisch isst, wäre das ein toller Erfolg“, meint Ute Nehring, die Assistentin der Geschäftsführung des Heidelberger Tiergartens und Mitgründerin der Projektgruppe. Die Besuchenden können sich ein vegetarisches Gericht sowie Informationen zu den Biosiegeln und Läden in Heidelberg, die solche Produkte verkaufen, mitnehmen.
Einen kleinen Beitrag für den Umwelt- und Naturschutz kann jeder leisten und das nur dadurch, dass beim nächsten Einkauf die Siegel auf der Verpackung etwas genauer begutachtet werden, bevor die Lebensmittel in den Einkaufskorb wandern.
Von Lina Rees