Ein regionaler Trend? Heidelberg bietet neuen Raum für Kreativschaffende.
Mit der Eröffnung des „FensterPlatz“ durch die „breidenbach studios“ Anfang November ist das Raumangebot für Kreativschaffende in Heidelberg erneut erweitert worden. Das umfunktionierte, ehemalige Pförtnerhäuschen der Heidelberger Druckmaschinen AG in der Kurfürstenanlage 58 soll nun als ein Ort des Austausches, der Ideenentwicklung und Präsentation dienen.
Die Möglichkeiten der Raumnutzung sind dabei bewusst offen gelassen: Unternehmen können den „FensterPlatz“ als Showroom für ihr Produktmarketing genauso anmieten wie der einzelne Kreativschaffende den Schreibtisch im Coworking-Space, um sich für einen Tages- oder Stundentarif in einem gemeinschaftlich kreativen Umfeld den eigenen Ideen zu widmen. „Es soll ein bisschen Spielplatz sein“, betont Shiva Hamid, die als Co-Geschäftsführerin der „breidenbach studios“ an der Umsetzung des Projektes beteiligt war, „Kriterien zur Raumnutzung gibt es keine.“ Ziel des Ganzen sei vor allem, den Kreativschaffenden die Vernetzung sowohl untereinander, als auch mit potentiellen Kunden, zu ermöglichen – denn im „FensterPlatz“ sind alle willkommen, die bei einer Tasse Tee und guter Unterhaltung ein wenig kreativen Geist schnuppern wollen. Die Eröffnung reiht sich nur als aktuellstes Ereignis in eine schon seit mehreren Jahren lokal ablaufenden Weiterentwicklung der Raumsituation für Kreativschaffende ein. Ein wichtiger Schritt war dabei die Gründung der „breidenbach studios“ in der Hebelstraße im Jahr 2011. „Ich war damals auf der Suche nach dem Künstlerischen hier in Heidelberg – und habe erst einmal nichts gefunden“, erzählt Shiva Hamid. Aus diesem Grund wurden sie und zwei ihrer Freunde hellhörig, als ein Gebäude in der Hebelstraße ausgeschrieben wurde und bewarben sich erfolgreich mit ihrem Konzept für den Aufbau eines neues Kreativzentrums bei der Stadt. Seitdem werden die Räume von Freiberuflern, Start-Ups und Kreativschaffenden aller Art gleichermaßen für die verschiedensten Projekte und natürlich zum Ideenaustausch genutzt. Auch Ausstellungen, Präsentationen, Partys und weiteren Events bietet das Studio eine außergewöhnliche Location.
Dass der „FensterPlatz“ inzwischen den fünften Standort der „breidenbach studios“ in der Metropolregion Mannheim-Heidelberg darstellt, zeigt, wie groß die Nachfrage nach kreativen Treffpunkten ist – ebenso groß, wie die Wachstumsmöglichkeiten dahinter. Dies ist unter anderem der Grund, warum sich die Stadtverwaltung seit einigen Jahren zunehmend mit der lokalen Kultur- und Kreativwirtschaft auseinandersetzt. Trotz des überhitzten Immobilienmarktes in Heidelberg wird deshalb die Erschließung neuer Räumlichkeiten für Kreativschaffende vorangetrieben.
Dies geschieht einerseits über die mit einem Jahresbudget von 20 000 Euro ausgestattete finanzielle Förderung von Eigeninitiativen wie aktuell dem „FensterPlatz“, als auch über städtische Projekte wie dem „Dezernat 16“ in der alten Feuerwache, welches seit 2013 im Auftrag des Gemeinderates von der „Heidelberger Dienste gGmbH“ betrieben wird. Mit etwa 3000 Quadratmetern Fläche finden sich dort neben Ateliers und Proberäumen auch Coworking-Bereiche, Besprechungszimmer und Eventlocations, sodass Akteure aus allen Bereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft dort einen geeigneten Platz finden. Erst kürzlich wurde die Zwischennutzung der Räumlichkeiten in der Feuerwache durch das „Dezernat 16“ bis zum Jahr 2023 vom Gemeinderat bewilligt. „Es ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass wir die Kultur- und Kreativschaffenden auch räumlich unbedingt in Heidelberg halten wollen“, meint Ellen Koban von der städtischen „Stabstelle Kultur- und Kreativwirtschaft“. Sie sieht in ihrem Bereich großes Wachstumspotential und beschreibt ihn als „den Motor für die Stadtentwicklung und Innovation“. Auch Shiva Hamid sieht in der Weiterentwicklung der Kreativszene die große Chance, junge Menschen in Heidelberg zu halten und sie in ihrem Bestreben, eigene Firmen zu gründen, zu bestärken: „Was die Kreativwirtschaft besonders macht, ist ihr junger Charakter. Darin liegt auch ihr Potential.“
Im europäischen Vergleich schneidet Heidelberg jedenfalls gut ab: In einer Studie der EU wurde die Stadt in die Top Fünf der kreativsten kleinen Großstädte gewählt und auch die UNESCO verlieh ihr den Titel „Creative City of Literature“. Es sei das Motto des „Kleinen aber Feinen“, das die Kreativstadt Heidelberg von anderen Standorten unterscheide, so Ellen Koban, und dazu gehörten jene Projekte wie der „FensterPlatz“. Doch auch Größeres ist in Planung: Bei der Erschließung der Campbell Barracks, den ehemaligen Flächen des US-Militärs, sollen den Kreativschaffenden weitere 4000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung gestellt werden. Neben dem „Dezernat 16“ will die Stadt dort im nächsten Jahr ein zweites großes Kulturzentrum aufbauen und die Weiterentwicklung der Kreativwirtschaft langfristig sichern.
Von Anna Becker