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Ein Tatort zum Mitmachen

von ruprecht
9. Oktober 2016
in Feuilleton, Startseite
Lesedauer: 3 Minuten
0
Ein Tatort zum Mitmachen

Theater in der S-Bahn: Kommissar Prinz (Oliver Jaksch) beim „Tatort Neckartal”. Bild: Andreas Neumann

Der Sonntagabend gehört dem Tatort, ohne Zweifel. Und so fühlt es sich zunächst angenehm bekannt an, als beim „Tatort Neckartal“ am vergangenen Sonntag zu Beginn der Vorstellung im Karlstorbahnhof der berühmte Tatort-Vorspann – wenn auch in modifizierter Form – über die Leinwand flackert. Doch bereits nach wenigen Augenblicken wird klar, dass der „Tatort Neckartal“ des Kulturprojekts „Matchbox“ weit mehr ist als ein 90-minüter Fernsehfilm.

Just in dem Moment, als die Kommissare Engel (Florian Mania) und Prinz (Oliver Jaksch) im Film die Tür zum Klub K erreichen, spazieren sie auch schon durch dieselbe in der realen Welt. Im Klub warten bereits die rund 50 Zuschauer gespannt darauf, was sich hinter dem als „bewegten Krimi“ beschriebenen Format von David Ortmann und Andreas Hillger verbirgt. Denn so genau weiß das zu Beginn niemand.
Nach dem filmischen Intro geht es schnell raus in das besagte Neckartal. Engel und Prinz nehmen das Publikum mit auf eine Krimizeitreise, die direkt am Bahnhof vor dem Kulturhaus beginnt. Schnell ein paar liebevoll erstellte Fragebögen verteilt, schon kommt die S-Bahn Richtung Osterburken und die Ermittler führen das Publikum in bester Schulklassen-Manier ins Abteil. Herrlich sind die Blicke der übrigen Fahrgäste, was es mit dieser Gruppe, dessen Durchschnittsalter für eine Klassenfahrt doch etwas zu hoch ist, bloß auf sich hat.

Das Ermittlerduo Prinz und Engel könnte derweil problemlos der Feder eines etwas zu stark in Stereotypen denkenden Tatortautors entspringen. Engel, der junge, dynamische und technikaffine Überflieger. Prinz, die etwas verbittert wirkende Polizeilegende. Das passt zur Inszenierung, vor allem weil Mania und Jaksch eine schauspielerisch überzeugende Darstellung bieten und sehr umsichtig auf die Umstände der mobilen Vorstellung eingehen: laut sprechen, die Gruppe zusammenhalten, für Sicherheit sorgen. Zudem wartet der Abend mit viel Witz und überraschender Situationskomik auf, die stets zum Schmunzeln verleitet.

In der Bahn werden zunächst ein paar alte Kriminalfälle aus dem Archiv gekramt und den Zuschauern nähergebracht. Allerdings ist in der ersten Hälfte des Abends noch nicht ganz klar, wo der Weg hinführt – und das kann durchaus im wörtlichen Sinne verstanden werden. Plötzlich steigt Prinz aus und lässt das Publikum mit Engel allein, wenig später verlassen auch die Zuschauer den Zug. An überraschenden Wendungen mangelt es dem Abend nicht.

Was zunächst ein wenig sprunghaft wirken mag, ist ein minutiös durchgeplantes Schauspiel, bei dem die natürliche Umgebung zur Theaterbühne avanciert. Schnell fragt man sich, ob dieses vorbeifahrende Polizeiauto oder jener Krankenwagen am Bahnhof zur Inszenierung gehört oder nicht. In der zweiten Hälfte des Abends nimmt das Stück deutlich an Fahrt und vor allem an Struktur auf, was der Inszenierung guttut.

Im Zentrum steht nun voll und ganz der Kriminalfall um Familie Menzer aus Neckargemünd, der gemeinsam mit dem Publikum an verschiedenen Schauplätzen rekonstruiert und nacherzählt wird. Bald werden die Zuschauer verdächtigt, es kommt zum Showdown. Schließlich geht ein kurzweiliger Krimiabend zu Ende, der eine interessante historische Begebenheit mit einer Nachtwanderung kombiniert; obendrein werden neue Orte erkundet. Die gut durchdachte Umsetzung macht auch vor, wie in spielerischer Art Heimatkunde lebendig erzählt werden kann. Das Publikum dankt zu Recht mit langanhaltendem Applaus. Wiederholung erbeten.

Interessierte können den „Tatort Neckartal“ noch  am 9. Oktober selbst erleben.

Weitere Infos unter: http://www.matchbox-rhein-neckar.de/die-matches/detail/veranstaltung/tatort-neckartal-ein-bewegter-krimi/

Von Jesper Klein

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