Der Stadt geht das Geld aus, der Gemeinderat berät über Kürzungen. Diese könnten auch das Theater, den Frauennotruf und Studierende betreffen
Der Haushaltsausschuss tagt an diesem Dienstag bereits seit einer halben Stunde, während sich mehr und mehr Leute auf dem Kornmarkt neben dem Rathaus einfinden. Verdi, Frauennotruf und andere Organisationen haben aufgerufen, gegen mögliche Sparmaßnahmen der Stadt Heidelberg im sozialen Bereich zu demonstrieren. Das Problem wird gleich zu Anfang konkret angesprochen: „OB Würzner will 70 Millionen im Sozialbereich kürzen – nicht mit uns!“
Die Stadt Heidelberg ist nun eine der vielen Kommunen in Deutschland, die vor einem Finanzierungsproblem stehen. Die neue Haushaltsprognose weist eine Lücke von insgesamt 184 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre auf. Selbst unter Verbrauch vorhandener Rücklagen bleibt ein Bedarf von 41 Millionen im Jahr 2025 und 31 Millionen Euro 2026. Im bundesweiten Vergleich schneidet Heidelberg mit voraussichtlich 2700 Euro Verschuldung pro Kopf gegenüber dem Bundesdurchschnitt von 4100 Euro noch relativ gut ab.
Achim Truger, Mitglied des Sachverständigenrats für Wirtschaft, erklärt gegenüber dem ruprecht, dass dies einerseits mit der allgemein schwachen Wirtschaftslage und dadurch gesunkenen Steuereinnahmen zusammenhänge. Zugleich seien aber auch inflationsbedingt die Ausgaben der Kommunen gestiegen. Der „Wirtschaftsweise“ kritisiert, dass sich der Bund nicht ausreichend an Sozialausgaben und Steuersenkungen beteilige.
Auch die NGO Fiscalfuture betont, dass das Konnexitätsprinzip nicht immer ernst genommen werde. Nach diesem Prinzip müssen Bund und Länder eigentlich finanzielle Unterstützung leisten, wenn sie zusätzliche Aufgaben an die Kommunen abgeben, wie zum Beispiel das Recht auf Ganztagsbetreuung.
Auf dem Kornmarkt kritisiert Moritz Limprecht vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, dass durch gestiegene Personalkosten bereits in den letzten Jahren Investitionen aufgeschoben worden seien. Bevor die Demonstration sich zu einer Menschenkette um das Rathaus zusammenschließt, wird in Limprechts Rede eine Möglichkeit aufgeführt, weitere Investitionen ohne notwendige Kürzungen zu realisieren: Eine höhere Besteuerung von Erbe und Vermögen.
Was es bedeuten kann, auf einen Haushalt in der Krise mit Kürzungen zu reagieren, machen Vertreterinnen des Frauennotrufs in ihrer Rede deutlich. Blieben geforderte Förderungen weiterhin aus, würden pro Jahr 156 Beratungsstunden des Vereins fehlen. Geld, das bei der Hilfe für Opfer von Sexualstraftaten fehle. In den Heidelberger Frauenhäusern fehlen aktuell bereits 20 Plätze.
Des Weiteren sind Studierende nicht selten auf günstige Angebote und öffentlich bereitgestellte Dienste angewiesen; sei es ein Theaterbesuch, ein Freibadnachmittag oder einfach nur eng getaktete Buslinien. In Würzners Haushaltsentwurf sind auch Einsparungen beim RNV vorgesehen. Die Einstellung der Buslinie 32, eine direkte Verbindung der drei zentralen Uni-Standorte Neuenheimer Feld, Bergheim und Altstadt, wurde bereits im letzten Jahr angekündigt. Dass man zusätzlich bei städtischen Bädern und dem Theater sparen werde, wurde bei der Haushaltsvorstelllung im Februar beschlossen. Ebenso könnte sich das Kultur-Angebot für junge Menschen reduzieren. Sowohl das „Skatefest“ als auch „Fusioniert, Heidelberg!“ werden nach Recherchen des ruprecht dieses Jahr nicht im geplanten Umfang stattfinden können. Beide Veranstaltungen sind auf eine junge Zielgruppe und kleine Geldbeutel ausgerichtet. Modelle, die ohne Finanzierung der Stadt nicht realisiert werden können.
Wo genau eingespart wird und welche Angebote der Stadt in Zukunft wegfallen könnten, bleibt ungewiss. Ein verabschiedeter Haushalt muss jedoch auch vom Regierungspräsidium Baden-Württemberg geprüft werden. Wird dieser nicht genehmigt, könnten weitere Sparmaßnahmen auf die Kommune zukommen.
Von Justus Brauer
…hielt schon immer gerne eine Zeitung in der Hand. Seit Frühling 2023 kann er seine Begeisterung für den Journalismus beim ruprecht ausleben.
...studiert Biowissenschaften und schreibt … nichts. Er layoutet und illustriert seit 2023 für den ruprecht.