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Stadt der toten Buchläden

von ruprecht
11. Mai 2015
in Feuilleton, Heidelberg, Literatur, Startseite
Lesedauer: 2 Minuten
2
Stadt der toten Buchläden

Christine Dreesen und Conni Bahmann in der Buchhandlung Himmelheber. Bild: Johanna Lübke

Heidelberg verliert eine der letzten unabhängigen Buchhandlungen: Buchhandlung „Himmelheber“ in der Theaterstraße schließt am 30. Juni.

Nach 23 Jahren sind die Tage der Buchhandlung „Himmelheber“ gezählt. Die Veränderungen im Einzelhandel machen auch vor dem Laden in der Theaterstraße nicht halt. „Wir wussten, worauf wir uns einließen, aber dass so wenig übrig bleibt, hätten wir nicht gedacht“, sagt Christine Dreesen, die zusammen mit Conni Bahmann den Laden führt.

1991 wurde die ehemalige „Frauenbuchhandlung“ von Susanne Himmelheber übernommen. Dreesen und Bahmann, die zuvor 20 und 17 Jahre lang bei Himmelheber angestellt waren, sind seit 2012 die Geschäftsinhaberinnen. Seitdem sei die Situation konstant schlechter geworden, da immer weniger Kunden kamen. Schließlich entschlossen sie sich, die Buchhandlung zu schließen: Die Arbeit war zu zeitintensiv geworden und warf zu wenig Gewinn ab.

Das Geschäft lebte vor allem von langjährige Stammkunden, die mit der Buchhandlung „mitgealtert“ sind. Zum Publikum gehören zwar auch junge Leute, jedoch „verbinden Studenten den Bücherkauf nicht mehr unbedingt mit dem Betreten einer Buchhandlung“, gibt Conni Bahmann ihren Eindruck wieder.

Recherchiert man im Online-Katalog der Universitätsbibliothek „Heidi“, erscheint beim ausgewählten Buch direkt ein Link zum Internetversand Amazon. Doch die Bestellung im Internet ist bei Büchern für den Kunden nur ein „scheinbarer Vorteil“, sagt Dreesen. Die Buchpreisbindung dürfe auch Amazon nicht umgehen, die Kunden sparen somit kein Geld. Schneller ginge es auch nicht: Bestelle man ein Buch in der Buchhandlung, sei es meist am nächsten Tag da. Viele Kunden wüssten dies nicht und „sind dann ganz verwundert, wie schnell das geht“, sagt sie.

Die jüngste Heidelberg-Studie fand heraus, dass 52 Prozent der Befragten Stadtbewohner ihre Bücher meist in lokalen Buchhandlungen kaufen. Nur 19 Prozent kaufen im Internet, was ein erstaunlich niedriger Wert ist.

Aktuell gibt es in Heidelberg 29 Buchhandlungen, darunter 10 Filialen von Ketten und 7 Antiquariate. Pro 10.000 Einwohner sind das mehr Buchläden als in Berlin, der deutschen Stadt mit den meisten Buchhandlungen.

Erst im vergangenen Jahr wurde Heidelberg in das „Unesco Creative Cities Netzwerk“ aufgenommen und trägt seitdem den Titel „City of Literature“. Dennoch muss ein alteingesessener Laden wie die Buchhandlung Himmelheber schließen, wie auch andere Buchhandlungen in den vergangenen Jahren. „Leanders Leseladen“ schloss sich 2014 mit der Kette „Schmitt & Hahn“ zusammen, ebenso das „Libresso“ in der Brückenstraße. Die Buchhandlung „Ziehank“ am Uniplatz wurde schon 2005 von „Lehmanns“ übernommen – ebenfalls eine Kette. Schließen musste vor einigen Jahren auch die 1593 gegründete „Weiss’sche Buchhandlung“. Trotz des stolzen Titels „City of Literature“ haben es demnach autonome Buchhandlungen auch in Heidelberg zunehmend schwerer. Noch elf an der Zahl – Antiquariate ausgenommen – werden es nach dem 30. Juni sein.

In der Buchhandlung Himmelheber fanden zahlreiche Veranstaltungen statt. Hier trafen sich die „Bücherfrauen Rhein-Neckar“, der „Friedensratschlag“ der AG Friedensforschung, es fanden Lesungen und Kunstausstellungen statt. Bis zum 20. Juni ist in der Buchhandlung noch eine Ausstellung des Malers Heinz Niggl zu sehen.

Ob sie es bereuen, den Laden übernommen zu haben? „Nein“, sagt Conni Bahmann. „Wir hätten es mehr bereut, es nicht versucht zu haben.“ Christine Dreesen wird weiterhin in der Jury für den Kinder- und Jugendliteraturpreis sitzen und als Literaturpädagogin arbeiten. Beide werden zudem in Zukunft im „Reisebuchladen“ in der Kettengasse arbeiten.

Der Ausverkauf in der Buchhandlung Himmelheber beginnt am 2. Juni. Wie die Räume nach der Schließung genutzt werden, steht noch nicht fest.

von Johanna Lübke

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Comments 2

  1. Georg Fries says:
    2 Jahren ago

    Auch neun Jahre später noch ein guter Artikel. Eine mittelfränkische Buchhändlerin schrieb einmal, kurz bevor sie schließen mußte, an die Toilettentür: „Diese Toilette ist für die, die in der Buchhandlung Bücher kaufen. Käuferinnen, die bei amazon kaufen, gehen bitte bei amazon auf die Toilette“. Als die Buchhandlung dann aufgeben mußte, las man wochenlange „danke, Amazon“ an der Tür.
    Sehr interessant sind auch immer die Studien und Umfragen. Auch 2015 kauften nicht 19% ihre Bücher online, sondern viel mehr. Es ist etwa wie mit der nur-westlichen manischen Vielfliegerei. Vor einigen Jahren erzählte die ARD stolz, nur 36% der Deutschen „fliege überhaupt jedes Jahr mal“. Weil die Leute das eben so angekreuzt haben, in Wirklichkeit flogen schon lange, seit Einführung der steuerbefreiten Billigfliegerei, außer den wirklich sehr armen Menschen der USA oder Europas zu 75-90% jährlich, und nicht „auch mal“.
    So wars leider auch mit den Buchhandlungen. Ich kaufte meine Bücher immer bei Weiss, bei Ziehank vor 2005, Braun, beim armen Streiff in der Plöck, und in den wunderbaren Antiquariaten Heidelbergs, etwa bei Monique Lang, (die mir dann öfter erzählte, schon 1990, wie konservativ wir wären, und von den Jahren um 1972 in Heidelberg schwärmte. Das war aber nicht nur allein Nostalgie^^…und ich hörte immer gerne zu.)

    Der Artikel ist auch eine schöne Auflistung der Buchläden – da ich leider nicht mehr in Heidelberg wohne, dachte ich mir natürlich, auch der schöne Laden schräg gegenüber des Kinos in der Brückenstraße wäre nicht mehr. Aber dass er schon länger verschwunden ist, lernte ich, Jahre verspätet^^, von Ihnen.

    Antworten
  2. Maurizio says:
    11 Jahren ago

    Sehr schade, dass die Buchhandlung schließen muss 🙁 Der Artikel gefällt mir sehr gut! 🙂

    Antworten

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