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Eine Stadt im Tanzfieber

von ruprecht
26. Februar 2014
in Feuilleton, Startseite
Lesedauer: 3 Minuten
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Eine Stadt im Tanzfieber

Duda Paiva tanzt in ,,Bastard!" mit lebensgroßen Schaumstoffpuppen. Foto: Jaka Ivanc

Es war einmal ein verschlafenes Provinznest namens Heidelberg. Die malerische Altstadt, das überwältigende Schloss und die Lage am Neckar bieten traumhafte Kulissen. Hübsch, aber langweilig und geistlos. Doch für zehn Tage wird das verstaubte Städtchen aus seinem Dornröschenschlaf gerüttelt. Vom 21. Februar bis 2. März findet die erste „Tanzbiennale Hei­delberg“ statt. Ein gemeinsames Projekt des Stadttheaters und des freien Unterwegstheater.

Mit der Tanzbiennale entsteht ein neues Festival, das künftig alle zwei Jahre veranstaltet werden soll. Im Mittelpunkt steht die Vielfalt des Tanzes. Wer das Tanzen bloß mit rosa Tütüs verbindet, liegt falsch. So kommen innerhalb einer so kurzen Zeitspanne allerlei Tanzformen an einem Ort zusammen. Die gesamte Palette reicht von Hip-Hop bis zum Puppentanz. Besonders reizvoll ist die dreifache Grenzenlosigkeit: Es nehmen regionale und internationale Kompanien, große Namen und Laien sowie junge und ältere Tänzer teil. Das Tanzfestival bietet eine Tanzgala, das Großprojekt „HD Moves“, einen Kindertanz­tag, Gast­spiele, Workshops, Tanzfilme und Ausstellungen.

Mathilde Monnier and La Ribot in ,,Gustavia". Foto: Marc Coudrais
In „Gustavia“ wirken zwei Berühmtheiten mit: Mathilde Monnier and La Ribot. Foto: Marc Coudrais

Das begehbare Stadtporträt „HD Moves“ ist ein Großprojekt von Choreographen und laienhaften Bürgern Heidelbergs. In einem rund 100-minütigen Parcours durch das gesamte Theater entdeckt der Besucher zehn Stadtteile mit ihren typischen Merkmalen. Es geht darum, die Stadt mit ihrem Facettenreichtum und ihrer Wandelbarkeit zu fin­den. „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“, lautet ein Bibelzi­tat. Die Zuschauer können manchmal Platz nehmen, müssen aber auch gelegentlich stehen. Auf dem Weg zur Station Altstadt sind schmale Gänge zu passieren, sodass das Gefühl aufkommt, man würde tatsächlich durch die engen Gassen flanieren. Im Emmertsgrund führen Graf­fi­ti­spray­er Breakdance-Moves vor, während in Ziegelhausen und Schlierbach Senioren das Lied „Ich hab‘ mein Herz in Heidelberg verloren“ singen und ihre Sehnsucht nach der Vergangenheit ausdrücken.

Das Festival sprengt lokale Grenzen: Es präsentieren sich renommierte Kompanien aus Italien, Bel­gien, Tschechien, den Niederlanden, Spanien und Frankreich. Einen Höhepunkt stellt das europa­weit vielfach ausgezeichnete Stück „Bastard!“ der Dudapaiva Company aus den Niederlanden dar. Eine Aufführung voller Magie, Poesie und Überraschung. Der gebürtige Brasilianer Djuda Paiva tanzt zwischen lebens­großen skurrilen Schaumstoffpuppen. Durch die Inter­aktion mit den Puppen vergisst man in kürzester Zeit, dass es sich um leblose Gestalten handelt. Emotionen wie Aggres­sion und Wut machen die Figuren authentisch. „Diese Ob­jekte werden durch die Fantasie des Publikums zum Leben erweckt. Das schafft genau diese Intimi­tät mit dem Publikum, die ich als Tänzer suchte“, erklärt Djuda Pai­va. Ein Puppenzauber jenseits der lieben Glitzerwelt à la Barbie.

Suzan Tunca, Helena Volkov and Kelly Hirina in ,,Double Points: VERDI". Foto: Alwin Poiana
Suzan Tunca, Helena Volkov and Kelly Hirina in ,,Double Points: VERDI“. Foto: Alwin Poiana

Beim Gala-Abend stellen zwölf namhafte Tanzkompanien aus Baden-Württemberg ihr Talent unter Beweis. Darunter sind unter anderem „Poppin Hood“, das Ballett Pforzheim und Nina Kurzeja. Der Gala-Abend gleicht einem Buffet mit den schönsten Häppchen, von denen niemand genug bekommen kann. Es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Die erste Hälfte des Abends findet in der Hebelhalle des Unterwegstheaters statt. Da­nach werden die Besucher per Bus ins Stadt­theater gebracht, wo weiter getanzt wird. Die Kombinati­on der beiden verschiedenen Orte hebt die Kooperation des Unterwegstheaters und des Stadtthea­ters hervor und soll als Sinnbild dafür dienen, dass Tanz nicht Stillstand bedeutet, sondern Bewegung.

Nicht immer war der Tanz in Heidelberg so beliebt. Das Feuer wurde erst wieder neu entfacht, als Heidel­berg eine eigene Tanzgruppe hatte. Nanine Linning, die zweimal hintereinander für den renommierten Theaterpreis „Faust“ nominiert wurde, erreichte in ihrer ersten Spielzeit 2012/2013 eine Platzauslastung von 98 Prozent. „Endlich wird in Heidel­berg wieder getanzt“, schwärmten die Zuschauer voller Begeisterung. Als Nanine Linning später fest im Theater angestellt war, waren die Leute stolz eine eigene Tanzsparte zu haben. Endlich konnten sie sich mit den Tänzern identifizieren. „Ihre“ Nanine fühlte sich vom ersten Moment an durch die Herzlichkeit der Bürger wie auf Händen getragen. Die Besucher sind so neugierig, dass sie sich sogar die Nasen an den Scheiben der Proberäume plattdrücken.

Aber was genau ist am Tanzen so faszinierend? Schon kleine Mädchen träumen davon, elegant und beweglich wie eine Ballerina zu sein. Es ist die Mischung von Körpersprache und Mu­sik, die das Unterbewusstsein anspricht. Eine poetische Sprache zum Un­tertauchen. Perfekte Bewe­gungen allein genügen nicht um zu überzeugen, denn der Tänzer muss eine bestimmte Emotion oder einen bestimmten Gedanken vermitteln. Über alle Sprachgren­zen hinweg, gilt der Tanz als univer­selle Sprache. Wie sagte Rudolf von Laban so schön? – „Am An­fang war der Tanz und nicht das Wort.“

Und wenn Heidelberg nicht wieder in den Jahrhundert-Schlaf gefallen ist, dann tanzt es auch noch heute.

von Katharina Werner

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