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Halle geht auf die Straße

von ruprecht
18. Juli 2014
in Startseite
Lesedauer: 3 Minuten
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Halle geht auf die Straße

Im April versammeln sich 6300 Menschen auf dem Universitätsplatz in Halle und fordern den Erhalt der Bildungs- und Kulturangebote in Sachsen-Anhalt. Foto: hastuzeit/ Christian Schoen

Was uns in Heidelberg drohen kann, ist anderswo schon Realität. Doch Proteste haben in Sachsen-Anhalt viel bewegt, schreibt Konrad Dieterich, Redakteur der hallischen Studierendenschaftszeitschrift hastuzeit. Ein Gastbeitrag

Galten Unis in den neuen Ländern mit ihrer modernen Ausstattung und ihrem gutem Betreuungsverhältnis einst als Geheimtipp, so mussten sie seit der Jahrtausendwende immer wieder Kürzungsmaßnahmen verkraften. Bis heute verdaut die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zehn Jahre alte Strukturveränderungen. Sachsen-Anhalt beruft sich seit Langem auf Prognosen sinkender Studierendenzahlen, doch tatsächlich sind heute mehr als doppelt so viele Studierende im Land eingeschrieben als noch vor 20 Jahren.

In Magdeburg regiert eine Große Koalition aus CDU und SPD. Finanzminister Jens Bullerjahn, als vormaliger SPD-Spitzenkandidat noch ein großer Freund der Bildung, sorgte im Frühjahr 2013 für Entsetzen, als er neuerliche Streichungen ankündigte: Jährlich sollte der Hochschuletat um 5 Millionen Euro sinken, was sich bis 2025 auf 275 Millionen Euro summieren würde. Sachsen-Anhalt bereitet sich auf die Schuldenbremse und sinkende Einnahmen vor. Ähnlich die Situation in den ostdeutschen Nachbarländern. Dennoch ist es kein reines Ost-West-Problem: Mecklenburg-Vorpommern nimmt die Hochschulen von Sparzwängen weitgehend aus, während das Saarland und Bremen dort kräftig kürzen wollen.

Mit 7000 Teilnehmern erlebte Halle im April 2013 die größte Demo seit der Wende, einen Monat später versammelten sich in Magdeburg sogar 9000 Menschen. Unterbrochen vom Hochwasser fanden landesweit weitere große Proteste statt. Beteiligt war keineswegs nur das linke Spektrum. Viele Hallenser sorgten sich um den Fortbestand der Uniklinik, Händler und regionale Wirtschaft legten auf Kaufkraft und fachlich gebildeten Nachwuchs wert, der Stadtrat verabschiedete mit allen Fraktionen eine Resolution. Auch die Rektoren redeten öffentlich Tacheles.

Das kleine Wunder stellten unter dem Motto „Halle bleibt!“ der Fachschaftsrat Medizin und das „Aktionsbündnis MLU – Perspektiven gestalten“ auf die Beine. An letzterem beteiligen sich neben Studierenden- und Personalvertretungen der Universität Halle auch Gewerkschaften und politische Hochschulgruppen. Um sich in der Kürzungsdebatte nicht gegeneinander ausspielen zu lassen, kooperiert das Aktionsbündnis mit Vertretern aus der Kultur, Jugend- und Schuleinrichtungen und pflegt Kontakte zur Stadt und zur regionalen Wirtschaft. Landesweit schob es die Gründung von weiteren Hochschulbündnissen an und initiierte schließlich auch noch den bundesweiten „Bildungsstreik 2014“. Die Hauptarbeit lastete dabei auf wenigen Schultern, so dass sich mit der Zeit Ermüdungserscheinungen zeigten. Doch wenn das Land mit einem baldigen Erlahmen der Proteste gerechnet hatte, so sah es sich getäuscht. Die Regierung ruderte zurück, in einer Vereinbarung mit den Rektoren schrumpfte das Sparziel von 275 Millionen bis 2025 auf 24 Millionen bis 2019.

Ein Jahr später zeigen Planungen aus dem Wissenschaftsministerium konkret, welchen Schaden selbst dieser Einschnitt an den Hochschulen des Landes anrichten würde. In Halle sollte es sechs Institute und nicht genauer bestimmte „kleine Fächer“ treffen, in Magdeburg stand die Fakultät für Humanwissenschaften zur Disposition; ähnlich massiv traf es kleinere Hochschulen im Land. Da sich die abstrakten Zahlen in konkrete Streichvorschläge verwandelten, trieb es auch in diesem Jahr wieder tausende Menschen auf die Straße. Zugleich nahm der Unmut auch in den Fraktionen der Regierungsparteien und im Kabinett zu.

Wissenschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) beeilte sich zu erklären, dass sein Papier nur eine Verhandlungsgrundlage sei, die Hochschulen dürften gerne selbst entscheiden, wo sie sich beschneiden. Einstweilen stehen die Rektoren zum ausgehandelten Kompromiss und beabsichtigen die strukturellen Kürzungen im genannten finanziellen Umfang durchzuführen. Die Regierung fordert nun Tempo ein, wohl auch, um das Thema aus dem Wahlkampf zu halten. Sollten die Hochschulen nicht spuren, will Minister Möllring die Kürzungen per Verordnung durchsetzen. Doch im Landtag ist die Begeisterung gering, selbst Verantwortung für konkrete Eingriffe zu übernehmen.

Dabei ist momentan noch genug Geld da, die dritte Förderphase des Hochschulpakts beginnt 2016, und vor der Tür steht die Aufhebung des Kooperationsverbotes, sodass mehr Bundesmittel fließen werden. Rettung in letzter Minute also? Nein, denn damit können die Hochschulen noch nicht fest planen; nur die Grundfinanzierung des Landes gilt als verlässliche Größe. So befürchtet das „Aktionsbündnis MLU“, dass die Universität letztlich ohne Not beschädigt wird.

von Konrad Dieterich

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