„Die Freiheit der Türkei wird an der Moldau erkämpft“ – genauso wenig wie das strucksche Originalzitat entspricht dieser Claim irgendeiner objektiven Wahrheit.
Vielmehr bildet er meinen gestrigen, selbstbetrügerischen Geisteszustand ab:
Gemeinsam mit zwanzig anderen politisch Bewegten verbrachte ich zwei Stunden vor der türkischen Botschaft in Prag, wo (für einen an deutsche Protestkultur gewohnten Studenten) überraschend hochfrequent wechselnde türkische Slogans gegen den diktatorischen Machthaber Erdogan und seine prügelwütigen Willkürtäter in Polizeiuniform vorgebracht wurden.
Die wiederkehrende Enttäuschung, den gerade frisch erlernten Satz nach der zweiten Wiederholung wechseln zu müssen, war nicht der einzige Faktor, der zu einer schwachen Selbstwirksamkeitserfahrung führte: Die einzigen Personen, die unserem bunten, durcheinander tanzenden Haufen Beachtung schenkten, war ein tschechisches Polizeigeschwader in uns ebenbürtiger numerischer Stärke, welches das Treiben einigermaßen gelangweilt taxierte.
Die emotionalste Reaktion auf den Protest war wohl das, offensichtlich auf meine unkoordinierte Fußarbeit gerichtete, Lachen eines älteren Beamten in cartoonhaft überdimensionierter schusssicherer Weste – die systemische Angst vor einer Handvoll Mittzwanziger mit selbstgebastelten Pappschildern mutete wohl mindestens so absurd an, wie meine kläglichen Versuche, dem türkischen Tanzschritt zu folgen.
Die Botschaft begegnete der kleinen Gruppe mit demonstrativ geschlossenen Vorhängen und der erwarteten Ignoranz.
Wenngleich die Versammlung keinen Einfluss auf die politischen Diskriminierungen durch das Erdogan-Regime und die perfide Gewalt gegen die bewundernswert mutige türkische Studierendenschaft hat, so ist es doch elementar wichtig, Solidarität mit ebenjener zu zeigen. Die jungen Menschen, die ihre Unversehrtheit auf den Plätzen Istanbuls und Ankaras für eine bessere Zukunft riskieren, verdienen unsere Hochachtung und Unterstützung.
Hak, Huk, Adalet!
Von Finn Fabry
...studiert irgendwas mit Naturwissenschaften (Molekulare Biotechnologie) und schreibt seit Sommersemester 2023 für den ruprecht. Neben der Leitung der Bildredaktion ist er vor allem für Illustrationen, Wissenschaft und Satire immer zu haben.