Moritz Riedacher ist Aktivist bei der Letzten Generation und war bei der Farbaktion an der Neuen Uni einer der beiden Täter. Gemeinsam mit Jakob Kruse, der bei der Letzten Generation im Hintergrund aktiv ist, sprach er mit unserem Redakteur über die Planung und die Gründe ihres Protests. Beide fordern von der Bundesregierung, dass Deutschland bis 2030 sozial gerecht aus den fossilen Energien Kohle, Öl und Gas aussteigt.
Wer bist du, Moritz?
Moritz: Ich bin Moritz Riedacher, 27 Jahre alt und geboren in Stuttgart, wo ich auch wohne. Ich engagiere mich in Vollzeit bei der Letzten Generation. Dort organisiere ich Proteste, führe Protesttrainings als Trainer durch und mache auch Pressearbeit. Alles für die Stuttgarter Gruppe.
Warum bist du Aktivist bei der Letzten Generation geworden?
Moritz: Tatsächlich bin ich seit dem Frühjahr 2022 bei der Letzten Generation engagiert. Die Stuttgarter Gruppe habe ich mit anderen Menschen zusammen gegründet und aufgebaut. Das ging sehr schnell, da eine Person aus Stuttgart, die davor bei ‚Extinction Rebellion‘ engagiert war, Teil des Hungerstreiks war, der in Berlin stattgefunden hat. Davor war ich bei Fridays for Future in Stuttgart engagiert, habe aber gemerkt, dass die Demos und auch das Interesse der Leute nachließen. Das lag einmal an den Einschränkungen der Coronapandemie und auch daran, dass die Sorgen wo ganz anders lagen.
Dennoch war uns bewusst, dass die Klimakrise unmittelbar vor der Tür steht. Das hat uns insbesondere die Ahrtal-Katastrophe gezeigt. Dort durfte ich einen Tag als Fluthelfer verbringen. Die ganze Zerstörung, die aufgerissenen Straßen und der ganze Schlamm. Das war furchtbar. Mit diesen Eindrücken bin ich dann wieder zurückgekommen und habe gehofft, dass irgendwie nochmal ein Ruck durch die Gesellschaft geht. Ich dachte, wir müssen jetzt renitenter für unsere Anliegen eintreten, denn das kann ja so nicht weitergehen. Und dann kamen die ersten Proteste, das war damals das Containern, also das Nehmen von Lebensmitteln aus Supermarkt-Mülltonnen, um sie dann öffentlich zu verteilen und sich dafür im Anschluss selber anzuzeigen.
Dadurch konnten wir einen Diskurs erzeugen und dachten, dass das mit den Straßenblockaden natürlich auch nochmal besser klappt, einfach, weil sie nicht zu ignorieren sind. Sie treffen einen gesellschaftlichen Nerv. Das hat mich so überzeugt, dass ich auch selbst an Straßenblockaden teilgenommen habe und das bis heute noch mache.
Wie lief die Planung für die Farbaktion an der Neuen Uni ab?
Jakob: Das war eine deutschlandweit geplante Reihe von Aktionen an Unis. Die Inspiration dafür war, dass die Schwesterbewegung ‚Just Stop Oil‘ in Großbritannien mit recht durchschlagendem Erfolg eine solche Aktion durchgeführt hat. Ziel war es, mit diesen Paukenschlägen an traditionsreichen Unis die Studierendenschaft aufzuwühlen. Quasi eine Gelegenheit zu schaffen, wo sich viele die Frage stellen: Ist das angemessen? Wird das dem Klimanotstand gerecht? Und sehe ich mich da vielleicht auch? Das wollten wir hier in Deutschland auch schaffen.
Wir wurden mit den Sprühgeräten von zentralen Strukturen versorgt und haben uns vor Ort in Heidelberg einen genauen Zeitpunkt und ein symbolreiches Gebäude überlegt. Die Wahl fiel auf die Neue Uni. Die Uni ist in Heidelberg in der Fläche auf die Stadt verteilt. Außerdem hat sie nicht so viele ikonische Hörsaalgebäude, die über die Stadt hinaus wiedererkannt werden würden. Das Verwaltungsgebäude ist eher unscheinbar. Die Göttin Athene und das Motto der Uni, welches darunter steht, kennen jedoch viele. Aufgrund der vielen wichtigen Veranstaltungen, die ebenfalls dort stattfinden – wie in diesem Fall die Rektoratsbegrüßung für das neue Semester – ist das schon irgendwie der Öffentlichkeitsort der Uni, wo sie sich gerne auch selbst repräsentiert.
Wie kam es dazu, dass Moritz das Sprühgerät in der Hand hielt?
Moritz: Ich habe das gemacht, weil ich selbst studiert habe. Ich dachte, das passt gut, wenn Leute, die studieren oder in einer ähnlichen Altersklasse sind, diesen Protest machen. Zum anderen war es mir ein persönliches Anliegen, in Erinnerung zu rufen, dass Universitäten historisch immer schon Orte waren, an denen politische Konflikte ausgetragen worden sind. Außerdem sehen wir Universitäten als intellektuelle Einrichtungen in einer gewissen Verantwortung. In der Verantwortung, die sich nicht nur auf die Bildung und Vermittlung der Lehre beschränkt, sondern sich eben auch in der Anwendung der Lehre und gewissen Handlungen ausdrückt.
Gegen dich läuft jetzt ein gerichtliches Verfahren. Womit musst du rechnen?
Moritz: Ich vermute mit einer hohen Geldstrafe, aber sicher bin ich mir nicht. Das liegt vor allem daran, dass ich schon viele Vorstrafen habe. In solchen Fällen sind die Gerichte meistens weniger nachsichtig. Sie gehen von einer Schuldeinsicht im juristischen Sinne aus. Diese ist bei mehrmaligem In-Erscheinung-Treten nicht mehr gegeben. Sie setzen auf eine abschreckende Wirkung und auf das Mittel der Bestrafung, unabhängig vom politischen Anliegen oder den genauen Tatumständen.
Wer trägt die Kosten im Falle einer Geldstrafe?
Moritz: Da gibt es keine Universallösung, sondern das regelt jeder für sich selbst. Es gibt Menschen, die diese Geldstrafen als Anlass nehmen und dann sagen, ich gehe ins Gefängnis, öffentlichkeitswirksam natürlich. Die Geldstrafe wird dann im Gefängnis abgesessen. Dann gibt es Menschen, die ein Crowdfunding ins Leben rufen – einen Spendenaufruf zur freiwilligen Unterstützung. Und dann öffentlichkeitswirksam einladen, diese Strafe mit Spendengeldern abzubezahlen. Und dann gibt es Menschen, die sich dazu entscheiden, verschuldet zu leben und ein Pfändungsschutzkonto einzurichten. Tatsächlich sind das durchaus empfindliche Strafen für uns alle, die uns aber an dem Punkt, wo wir gerade sind, nicht mehr davon abhalten können, diese Proteste weiterzumachen.
Was treibt dich an? Hoffnung oder Verzweiflung?
Moritz: Bei mir ist es tatsächlich eher die Hoffnung, dass wir als Menschen begreifen, wir können handeln. Es braucht nur dieses einmalige oder mehrmalige unbequeme Auftreten und die Kraft, sich zu widersetzen. Dann ist ein Wandel zugunsten von uns allen möglich. Daher ist es mein Vertrauen und auch mein Wissen aufgrund von vielen, vielen Studien – auch zu zivilem Widerstand – dass innerhalb von Demokratien ein Wandel, wie wir uns den vorstellen, tatsächlich funktionieren kann.
Wie weit würdest du für den Klimaschutz gehen? Gibt es Grenzen?
Moritz: Ich würde niemals Gewalt gegen Menschen richten. Egal, was ich mache, ich würde niemals einen Menschen so tangieren, dass er durch meine unmittelbare Handlung Schaden nimmt. Das schließe ich für mich aus, egal, was mit dem Klima oder auch politisch passiert. Ich würde niemals Gewalt anwenden.
Eure Protestaktionen polarisieren. Wie zielführend sind eure Aktionen, wenn am Ende mehr über eure Protestform gestritten wird als über die Forderungen, die ihr stellt?
Jakob: Ja, das ist eine Frage, die wir uns natürlich auch selbst immer wieder stellen. Also jedes Mal, wenn ich mich innerlich darauf einstelle, auf so eine konfrontative Weise wieder in den Protest zu gehen, stelle ich mir auch die Frage: Bringt das gerade was? Wir kriegen sehr häufig von Leuten die Ansicht mitgeteilt, dass wir unserem oder unser aller Anliegen eher Schaden würden. Politiker nutzen gerne die Formulierung, „den Bärendienst erweisen.“ Ich komme jedoch für mich zu dem Schluss, dass das, was wir tun, einen positiven Effekt hat. Wir sind definitiv unbeliebt als Bewegung, das kriegen wir jeden Tag zu spüren.
Das ist auch empirisch offensichtlich in den Befragungen. Was wir aber erzwingen – auch wenn die Menschen viel Zeit damit verbringen, die Protestformen zu kritisieren – ist, dass wir eine Öffnung in den Diskurs reißen, der Positionierung möglich macht. Das Thema Klimakatastrophe ist so unangenehm, dass sich Menschen in keiner normalen sozialen Gesprächssituation freiwillig darüber unterhalten. Außerdem ist eigentlich auf der Sachebene alles gesagt. Die meisten Leute wissen relativ genau Bescheid, wie schlimm das alles ist. Man möchte da nicht weiter drüber sprechen, da alle unsere Lösungen, die uns zur Verfügung stehen – und uns stehen Lösungen zur Verfügung – nicht attraktiv sind. Vor uns liegt eine komplette Umstrukturierung unserer Wirtschaft und Gesellschaftsform. Das wird anstrengend und teuer, und noch dazu werden wir uns in vielen Dingen einschränken müssen. Wirklich Lust darüber zu reden, hat niemand.
Gleichzeitig Kriege überall, Pandemie und alle anderen möglichen Themen. Das heißt, der Wunsch nach Verdrängung ist unheimlich stark und die Leute spüren das alltäglich. Es ist sehr schwer, sich an den Abendessenstisch mit seiner Familie zu setzen und ohne neuen Anlass zu sagen: „Mensch, was zur Hölle, wo soll das mit dem Klima eigentlich hingehen. Mama, Papa, was macht ihr eigentlich, wie können wir das denn überhaupt noch lösen?“ Das ist ein scheiß Gespräch, das versaut die Stimmung, niemand führt das, aber wir sind der Katalysator. Wir machen etwas so Disruptives, dass es nicht ignoriert werden kann und Leute nicht drum rumkommen, darüber zu sprechen. Das gibt den Menschen die Gelegenheit zu sagen: „Diese fürchterlichen Klima-Kleber-Chaoten. Keiner kann die leiden. Die treffen immer die Falschen, aber inhaltlich haben sie ja schon recht.“ Ich glaube, diese deutliche Positionierung der Menschen, während sie uns kritisieren, würde ansonsten zum Teil gar nicht explizit stattfinden. Auch konkret zu der Farbprotestaktion in Heidelberg habe ich gehört, dass sie zu sehr vielen Gesprächen geführt hat.
Leute aus meinem erweiterten Umfeld haben mich angesprochen und gesagt, dass sie mit ihren Chefs oder mit ihren Kommilitonen doch längere Gespräche geführt haben. Also wieder viel über Sinn und Unsinn der Aktionsform, aber eben auch über die Möglichkeiten und Notwendigkeiten, mit der Klimakatastrophe umzugehen. Meiner Meinung nach ist das eine Wirkung, die aktuell von Fridays for Future nicht mehr erzielt wird. Ich war zum Beispiel in Berlin am Tag des letzten globalen Klimastreiks im September. Da war ein Zehntel der Menschen, die 2019 in Berlin auf der Straße waren, und noch am gleichen Nachmittag ist das wieder aus den Hauptnachrichten rausgerutscht. Am nächsten Tag hat kein Mensch mehr darüber gesprochen. Während die Leute über das Brandenburger Tor – so dämlich wie das jetzt irgendwie auch ist, ein Kulturdenkmal zu beschädigen – nach wie vor diskutieren. Es gibt ihnen Anlass, sich zu der Grundthematik zu positionieren.
Auch ihr habt euch nach der starken Kritik anpassen müssen, und legt den Fokus jetzt eher auf einzelne symbolreiche Protestaktionen. Heißt das, ihr könnt den Unmut der Gesellschaft über eure Protestform in Teilen verstehen?
Jakob: Also verstehen sowieso. Das ist wirklich kein Mangel an Empathie, der uns dazu treibt, den Leuten so auf die Nerven zu gehen. Ich fühl das sehr und das entspricht auch eigentlich echt nicht meinem Charakter, Leuten so sehr krumm zu kommen. Mich nimmt das mit, wenn ich auf der Straße klebe, und angeschrien werde von Leuten, die gerade entweder nur emotional sehr aufgebracht sind oder manchmal auch tatsächlich irgendwelche Existenzängste haben, wenn sie jetzt zu irgendwas zu spät kommen, was ihnen in ihrem Beruf oder Sozialleben wichtig ist. Das macht mich selbst fertig. Das ist keine angenehme Art zu protestieren und das nagt an mir.
Ich habe großes Verständnis dafür, dass Leute das scheiße finden und ich glaube, es würde mich selber aufregen, wenn ich reingeraten würde. Wir werden das aber nicht sein lassen. Wir werden nicht irgendwie aufhören, dort zu stören, wo es tatsächlich sehr stört, denn das ist ein notwendiger Teil des Protests. Es ist aber auch so, egal was und wo wir etwas machen, die Menschen, die in dem Moment davon betroffen sind, sagen uns immer: „Das ist die falsche Protestform. Ihr solltet lieber irgendwen anders stören gehen, da wäre das viel angebrachter.“ Wir hören auch sehr oft Aufforderungen: „Klebt euch doch an die Ministerien, an die Politiker und an die Pipelines.“ Diese Denkweise ist vollkommen richtig. Das haben wir schon jahrelang gemacht. Das führt aber nicht zu der gleichen Sorte von Berichterstattung und sozialer Auseinandersetzung damit, weil sowohl die Politik als auch die großen Ölunternehmen dieses Spiel sehr gut spielen können. Die hängen das gar nicht so an die große Glocke, wenn man dort stören geht. Die sitzen das als Profis aus und es findet nicht diese konstruktive Spannung statt, die wir erzeugen durch das Stören.
Dass wir uns trotzdem bei dem Protest auch viele andere Orte vornehmen, hat meiner Meinung nach damit zu tun, dass wir auch alle Gesellschaftsschichten treffen müssen. Die Straßenblockaden, die treffen halt im Wesentlichen die arbeitende Bevölkerung – meist früh im Berufsverkehr – und es ist irgendwo unfair, wenn man immer nur die trifft. Selbstverständlich sind sie nicht die Hauptschuldigen an alldem. Genauso wenig wie jetzt die Unis oder die Kulturschaffenden oder irgendwer schuld an dem Problem ist. Jedoch sollte sich auch keine Bevölkerungsgruppe zufrieden auf die Schulter klopfen können und uns Beifall leisten, weil sie selber nie gestört wird.
Die gesamte Gesellschaft ist im Moment in der Bringschuld, sich zusammenzufinden, eine Lösung zu schaffen und das Thema nicht länger zu verdrängen. Deshalb müssen wir sowohl die reichen Leute in ihren Privatjets als auch die hochkultivierten Leute mit ihren Gemälden, als auch die altehrwürdigen Unis, als auch die Tourismus- und Selbstdarstellungsbranche am Brandenburger Tor stören. Alle müssen irgendwo vor den Kopf gestoßen werden. Alle müssen diesen schrillen, unangenehmen Feueralarm zu hören bekommen, damit wir endlich wirklich in den Katastrophenmodus schalten.
Moritz: Das ist das, was viele Menschen selbst, wenn sie mal mit Fridays for Future demonstrieren waren, immer wieder ausgerufen haben: „System change, not climate change.“ Darum geht es doch, ein Systemwandel und zu diesem Systemwandel gehören eben, wie Jakob gesagt hat, alle möglichen gesellschaftlichen Bereiche dazu. Kirchen, Gerichte, Universitäten, Kunst- und Theaterstätten, Kultur, Politiker natürlich, und politische Einrichtungen genauso. Wenn wir was ändern wollen, dann geht das nur gemeinschaftlich und auch nur dadurch, dass wir eben überall diese Ausrufezeichen setzen.
Ich möchte aber zusätzlich ergänzen, dass wir auch selbst unser Protestbild evaluieren. Wir haben für den 25.11. ein weiteres Mal angekündigt, die Straße des 17. Juni direkt vor dem Brandenburger Tor in einer massenhaften Besetzung zu blockieren. Wir haben uns dabei von ‚Extinction Rebellion Netherlands‘ inspirieren lassen. Die haben das dort auf einer Autobahn gemacht und sich jeden Tag getroffen. Anlass war, dass die Regierung falsche Angaben darüber gemacht hat, in welcher Höhe sie die fossilen Energien subventioniert. Darauf folgte ein großer Aufschrei in der Bevölkerung und viele fühlten sich davon einfach belogen, getäuscht und von der Regierung hintergangen. Dieser Aufruhr schuf ein Momentum und viele Leute, die davor nicht demonstrieren waren, haben sich mit auf diese Autobahn gesetzt.
Es waren tatsächlich so viele, dass das auch andere Leute – die wahrscheinlich nicht direkt den Mut hatten, mit wenigen Menschen die Straße zu blockieren – dazu gebracht hat, einfach dazuzukommen und zu unterstützen. Viele Menschen kamen beispielsweise mit Musikinstrumenten dazu und dann war das kein Ding mehr von einzelnen Personen versus Autofahrende, sondern auf einmal ging es wirklich darum, dass die Zivilgesellschaft ein berechtigtes Anliegen und eine Erwartung an die Regierung hat und diese muss sich dazu verhalten. Das versuchen wir jetzt auch in Deutschland regelmäßig zu erzeugen, indem wir diese massenhaften Blockaden an einem einzigen Ort in Berlin öfter durchführen. Dadurch wollen wir einen niedrigschwelligen Einstieg ermöglichen, sodass jeder einfach dabei sein kann und wir wegkommen von: die Letzte Generation gegen die Autofahrenden.
Wird es den Moment geben, an dem ihr euch zufrieden zurücklehnt und den Protest für beendet erklärt?
Moritz: Für mich ist der Protest, beziehungsweise diese Art und Weise, dann vorbei, wenn die Regierung mir glaubhaft versichert, dass wir eine Klimakatastrophe haben. Auch das ist ja leider nicht der Fall. Wir erwarten für das Klima, ähnlich wie es in der Coronapandemie war, dass die Regierung den Klimanotstand ausruft und die notwendigen Maßnahmen offenlegt. Gleichzeitig soll die Regierung den Fortschritt, wie mit den Impfstoffen, öffentlich begleiten.
Beispielsweise: Wie viele Emissionen haben wir schon reduziert? Sollten wir diesen Weg gehen und darüber informieren, was bereits erreicht wurde, dann zieht die Bevölkerung im Großen und Ganzen mit. Das hat die Coronapandemie ebenfalls gezeigt. Die Bevölkerung ist dazu bereit, Einschnitte bis in den privatesten Bereich in Kauf zu nehmen, wenn sie richtig informiert und angesprochen wird. Genau das erwarte ich. Einen in sich geschlossenen, logischen und transparenten Plan, der den Ausstieg aus den fossilen Energien Kohle, Öl und Gas vorgibt, weil diese eben für den Anstieg der Emissionen hauptverantwortlich sind.
Womit sollen sich Menschen mehr beschäftigen?
Moritz: Mein Appell ist, sich einfach in gesellschaftlichen Bereichen zu engagieren, und anzufangen, auf der Straße zu demonstrieren. Das empfinde ich gerade als wirkungsvollstes Instrument. Das muss nicht bei der Letzten Generation sein. Natürlich ist jeder Mensch hier willkommen, um mal vorbeizuschauen, um uns kennenzulernen und um mit uns ins Gespräch zu kommen, aber das geht natürlich auch weiterhin, indem Menschen zu angemeldeten Demonstrationen gehen, zum Beispiel von Fridays for Future. Das mache ich ja auch immer noch, das machen wir bei der Letzten Generation auch noch. Wir wollen zeigen: Wir als Zivilgesellschaft, wir stehen zusammen – bewegungsübergreifend.
Jakob: Ich glaube, dass der größte Teil der Bevölkerung nicht ganz im Detail, aber im Großen und Ganzen wissenschaftlich gut über die Entwicklung des Klimas und was daran Schuld ist, informiert ist. Jedoch denke ich, dass die Leute in der Breite nicht so richtig verstehen, wie sozialer und gesellschaftlicher Wandel auf der Skala, wie wir ihn heute brauchen, in der Vergangenheit stattgefunden hat. Das heißt, was ich sehr wertvoll fände – gerade im Kontext des Gesprächs, das wir jetzt hatten –, ist, dass Menschen sich damit auseinandersetzen, wie so krasse Entwicklungen wie die Unabhängigkeitskämpfe für Indien mit Mahatma Gandhi, die Bürgerrechtsbewegung in den USA oder das Erstreiten des Frauenwahlrechts und der 40-Tage-Woche und alle diese riesigen Fortschritte, auch das Ende der DDR, wie diese Dinge zustande gekommen sind.
Insbesondere welche Rolle organisierter, friedlicher und ziviler Widerstand in unserer gesellschaftlichen Entwicklung spielte. Das ist Wissen, das uns so in der Schule nicht direkt vermittelt wird. Das wird normalerweise ein bisschen verschleiert, weil das natürlich Dinge sind, die das aktuelle System ins Wanken bringen können, wozu man im Allgemeinen lieber nicht alle ermuntert. Aber im Moment ist es das, was wir brauchen. Außerdem glaube ich, wenn mehr Menschen verstehen würden, wie Wandel historisch funktioniert hat, dann gäbe es mehr Hoffnung, dass wir das noch auf die Reihe kriegen können. Das führt zu einer größeren Mündigkeit der Bürger, sich selbst auf diese Weise einzubringen, und sorgt für mehr Verständnis für die Strategie, die wir verfolgen. Nicht zuletzt suggeriert es auch, wie man sich drumherum noch konstruktiv verhalten kann.
Frage aus der Leser:innenschaft: Welche Farbe nutzt die Letzte Generation?
Jakob: Ich weiß es nicht. Die präparierten Feuerlöscher kamen aber aus einer einheitlichen Werkstatt, also nehme ich an, dass sie einen Großeinkauf gemacht haben mit der gleichen Farbe. Es ist auf jeden Fall Farbe aus dem Baumarkt.
Das Gespräch führte Emilio Nolte
Emilio studiert Volkswirtschaft und schreibt seit dem Sommer '23 für den ruprecht. Er ist ein Freund der pointierten Kolumne und leitet die Seiten 1-3.
Bastian Mucha studiert irgendwas mit Naturwissenschaften (Molekulare Biotechnologie) und schreibt seit Sommersemester 2023 für den ruprecht. Neben der Leitung der Bildredaktion ist er vor allem für Illustrationen, Wissenschaft und Satire immer zu haben.