Wegen Neptun durch die Klausur gefallen? Warum die Deutung jahrtausendealter Sternkarten ausphysikalischer Sicht keinen Sinn ergibt
Sag mir dein Sternzeichen und ich zeig dir, wer du bist. Die Kunst der Sternendeutung scheint als eine Art Religionsersatz den Zeitgeist zu treffen und der Astro-Trend zeigt sich überall in der Popkultur. Bei Dating-Plattformen schließen viele von ihrem Tierkreiszeichen auf die Kompatibilität mit dem Gegenüber.
Laut einer Umfrage des britischen Meinungsforschungsinstituts Yougov im Jahr 2021 glauben 53 Prozent der Deutschen an einen Zusammenhang zwischen dem Sternzeichen und der Persönlichkeit. Unter den Befragten zwischen 18 und 24 Jahren bejahten sogar 61 Prozent, an Horoskope zu glauben. Manche nehmen astrologische Ereignisse so ernst wie den Wetterbericht und treffen Lebensentscheidungen, je nachdem, was ihnen der Himmel prophezeit. Aber wie stehen denn die Sterne für die Astrologie unter dem Himmel der Wissenschaft?
Die Astrologie wird häufig mit der Astronomie verwechselt. Die Astronomie erforscht mit physikalischen Methoden die Positionen, Bewegungen und Eigenschaften der Himmelskörper im Universum. Die Astrologie deutet Zusammenhänge zwischen astronomischen Konstellationen und unserem Leben.
Schon die Babylonier haben sich am Stand des Mondes und der Sonne orientiert, um die Zeit abzulesen. Obwohl die Erde um die Sonne kreist, sieht es von unserer Warte so aus, als würde die Sonne sich vor dem Sternenhintergrund bewegen. Die astronomischen Sternzeichen, die die Sonne auf dieser optischen Bahn durchwandert, wurden „Tierkreiszeichen“ getauft. Da der babylonische Kalender bereits in zwölf Monate aufgeteilt war, wurde der Tierkreis in zwölf gleich große Abschnitte geteilt und je ein Sternbild einem Monat zugewiesen. Dass die Sonne tatsächlich 13 anstatt der heute bekannten zwölf Sternzeichen durchwandert, wurde gekonnt ignoriert.
Der heutige Himmel sieht nicht aus wie früher
Das Zeichen des Schlangenträgers wurde zu Gunsten des Kalenders einfach weggelassen. Die moderne westliche Astrologie basiert immer noch auf diesen 3000 Jahre alten Tierkreiszeichen aus Babylon. Unser heutiger Nachthimmel sieht aber gar nicht mehr so aus wie damals. Die Sonne ist heute zum gleichen Zeitpunkt im Jahr nicht mehr in der gleichen Position in den Sternzeichen wie vor 3000 Jahren. Das liegt daran, dass die Erde wie ein langsamer Kreisel um die eigene Achse eiert. Im Übrigen unterscheiden sich die Sternzeichen in Größe und Form so stark, dass die Sonne ganz unterschiedlich lange braucht, um sie zu durchwandern. Im Sternzeichen Jungfrau verbringt die Sonne 45 Tage, während sie durch den Skorpion in sieben Tagen wandert.
Das astrologische Tierkreiszeichen, das uns durch den Geburtstag zugewiesen wird, ist also mittlerweile komplett losgelöst von dem astronomischen Sternzeichen, in dem die Sonne zu eben diesem Zeitpunkt steht.
Nicht selten wird mit der Gravitation als physikalischer Größe argumentiert, wenn es darum geht, die Wahrhaftigkeit der Astrologie zu beweisen. Es lässt sich nicht erschließen, wie die Gravitation überhaupt den Lauf der Dinge auf der Erde beeinflussen soll. Dennoch werden die Größen und Entfernungen der Planeten zur Erde mehr oder weniger ignoriert, die die Gravitation aber ausmachen. So ist beispielsweise der Neptun, der für Inspiration steht, mindestens vier Milliarden Kilometer von der Erde entfernt. Schade, da ist die eine oder andere Schreibblockade in der Bib kein Wunder.
Auch die Auswahl, welche Himmelskörper einen Einfluss haben sollen, scheint beliebig. In seinem Blog Astrodictium simplex schreibt der Astronom Florian Freistetter darüber. Er erklärt, dass es kein nachvollziehbares System gebe, welche Planeten und Monde eine Auswirkung haben sollen und welche nicht. „Wenn die Astrologie keine Lehre der absoluten Beliebigkeit ist, dann muss es möglich sein, zu begründen, welche Himmelskörper man bei der Untersuchung des menschlichen Schicksals berücksichtigen muss und warum.“
Die heutige Astrologie wird nach modernen Maßstäben als Pseudowissenschaft bezeichnet und hat viel weniger mit Physik und Astronomie zu tun, als viele für sie beanspruchen.
Von Josefine Wagner
Josefine Wagner studiert Chemie und schreibt seit 2022 für den ruprecht. Sie leitet das Ressort Weltweit.
Bastian Mucha studiert irgendwas mit Naturwissenschaften (Molekulare Biotechnologie) und schreibt seit Sommersemester 2023 für den ruprecht. Neben der Leitung der Bildredaktion ist er vor allem für Illustrationen, Wissenschaft und Satire immer zu haben.