Musiktheater ist ein selten dämlicher Begriff. Bei Musiktheater geht es nämlich weder um gute Musik noch um gutes Theater. Musicals (oh Gott wie ich Musicals hasse) zum Beispiel: Es ist kein Zufall, dass fast alle Disneyfilme von Musikeinlagen durchsetzt sind. Sie werden fließbandproduziert, damit Kinder davorgesetzt werden und endlich mal für 90 Minuten still sind. Vorhang auf, Hirn aus.
Nicht nur durchsetzt sind diese dramaturgischen Leichname von musikalischen Maden, sie werden von ihnen auch von innen heraus aufgefressen. Apropos Maden, besonders madig sind meistens die schauspielerischen Einlagen und so werden ebenjene dramaturgischen Überreste für Theaterliebhaber:innen besonders leichnamig madig. Wie soll man auch neben dem ganzen Singen und Tanzen auch noch Zeit fürs Schauspiel haben. Es heißt ja auch Musiktheater und nicht Theatermusik, da kann man begriffsanalytisch die Rangfolge schon erahnen.
Hass beiseite, Musiktheater hat die schönsten Gesangseinlagen, die besten Tanzchoreografien und und und. Die meisten Stimmen zum Musiktheaterbesuch lauten: „Oh und die tollen Kostüme!“, „Wow diese Bühnenbilder!“, „Und die Beleuchtung erst!“. Das liegt vielleicht daran, dass für durchschnittliche Musicalbesucher die Leuchten sonst eher nicht so doll angehen. So blendet einem die Bühnentechnik das Kunstverständnis so lang aus dem Schädel, bis „Ohhs“ und „Ahhs“ und Beifall fallen. Die Leute, die während Musicals klatschen, klatschen wahrscheinlich auch, wenn das Flugzeug landet, eine riesige Desillusion, weil es beim Musiktheater meistens noch steiler bergab geht und am Ende doch crasht.
Oper! Ja Oper zählt nicht so richtig, denn bei einem Opernbesuch kann ich wenigstens so tun als würde mich das ganze Theater emotional berühren, da kann ich mir sinnfreie Lesarten einbilden und in schicker Abendgarderobe mein Sektglas schwenken und mich als gebildeten Kulturellen geben. In Musicals fällt diese ganze Fassade schneller als man „Ich hasse Musicals“ sagen kann, da kann man einfach traurig sein, wenn die traurige Musik läuft und fröhlich, wenn die fröhliche Musik läuft. Auch passend, denn mir ist während Musicals vor allem durchgehend übel.
Von Justus Brauer
… hielt schon immer gerne eine Zeitung in der Hand. Seit Frühling 2023 kann er seine Begeisterung für den Journalismus beim ruprecht ausleben.
Bastian Mucha studiert irgendwas mit Naturwissenschaften (Molekulare Biotechnologie) und schreibt seit Sommersemester 2023 für den ruprecht. Neben der Leitung der Bildredaktion ist er vor allem für Illustrationen, Wissenschaft und Satire immer zu haben.