Von Heinrich Heine bis Hannah Arendt – Heidelberger Studierende gedenken der Bücherverbrennung der Nationalsozialisten
Am Freitag, den 16. Mai 2025 lud die Heidelberger Lupe e. V. in Kooperation mit dem Germanistischen Seminar und dem Kulturamt der Stadt Heidelberg zur Lesung aus einst verbrannten Büchern am Karlsplatz ein, um dem 92. Jahrestag der Heidelberger Bücherverbrennung zu erinnern und betroffenen Autor:innen zu gedenken. Bei strahlendem Sonnenschein begrüßten die Veranstalter:innen Studierende, Interessierte und spontane Zuhörer:innen. Trotz des tragischen Anlasses der Veranstaltung war die Stimmung heiter und die Auszüge ausgewählter Autor:innen ließen unterschiedliche Menschen zusammenkommen und in Austausch treten.
Bereits seit 2023 wird das Event auf Initiative des emeritierten Professors Dietrich Hardt wieder regelmäßig organisiert. Anlass war die Umverlegung des alten Gedenksteins, der an das historische Ereignis erinnert, vom Uniplatz in den Innenhof des Palais Boisserée, in dem sich heute das Germanistische Seminar befindet. “Erinnerungskultur ist für die Stadt Heidelberg in vielfältiger Weise von Bedeutung“, erklären die Veranstalter:innen.
Erinnert wurde an den 17. Mai 1933, als zahlreiche Bücher auf dem Uniplatz, unter ihnen Werke von Hannah Arendt oder Erich Kästner, brannten. “Ihnen gilt es zuzuhören und Raum zu schaffen”, erklären die Veranstalter:innen. Immer wieder wurde betont, dass die Heidelberger Studierendenschaft maßgeblich für die Bücherverbrennung verantwortlich war.
Doch Heidelberg stellte hierbei keinen Einzelfall dar: In insgesamt 100 Initiativen brannten Bücher im gesamten deutschen Reich; immer unter bedeutender Mitwirkung und Organisation der deutschen Studierendenschaft. Betroffen waren Bücher von privaten und öffentlichen Bibliotheken. “Man wollte, dass diese Menschen und ihre Werke in Vergessenheit geraten”, erläutern die Veranstalter:innen. Studierende versammelten sich auf dem Heidelberg Universitätsplatz, errichteten einen Scheiterhaufen und zündeten die Bücher an. Als Abschluss wurden gemeinsam propagandistische Lieder gesungen.
Rund um den Sebastian-Münster-Brunnen verteilt konnten Zuhörer:innen den ausgewählten Extrakten einiger Autor:innen lauschen. Im Vordergrund stand dabei das Werk für sich, l’art pour l’art, weshalb es keine thematischen oder biografischen Einführungen gab. Auf diese Weise konnten Freiwillige die Worte der verbrannten Autor:innen sprechen lassen. Zuhörende konnten selbstständig von Station zu Station weitergehen, oder aber verweilen, wenn ein:e Autor:in besonders gefiel.
Betroffen waren auch Heidelberger Autor:innen selbst. So brannten Schriften des Mathematik-Professors Emil Julius Gumbel, der einige Zeit später von Studierenden aus der Universität vertrieben wurde. In seiner Schrift “Vier Jahre politischer Mord” greift Gumbel die deutsche Justiz direkt an, da sie über 300 Morde ungestraft lies. In seiner Schrift machte er auf den Missstand aufmerksam, dass vor allem von rechts initiierte Morde weniger bis gar nicht bestraft wurden.
Gleich an vier Stationen wurden aus den Werken Mascha Kalékos vorgetragen, die 1938 in die USA floh. Sie überzeugte die Zuhörerschaft mit ihrem volksnahen Ton sowie dem Gebrauch von Sprichwörtern und Redewendungen. Eine bedeutende Autorin, die Leser:innen auch heute noch begeistert!
An einer anderen Station konnte man zuhören, wie Kurt Tucholsky durch seinen “Garten der deutschen Republik” in seinem Gedicht “Feldfrüchte” spazierte und dabei auf die Missstände der Weimarer Republik aufmerksam machte. Hier können durchaus Parallelen zu aktuellen Gegebenheiten gesehen werden: Die sozialdemokratische Partei vergleicht er mit einem Radieschen: “außen rot und innen weiß”.
Die Initiative der Heidelberger Lupe e.V. in Kooperation mit dem Germanistischen Seminar, sowie dem dem Kulturamt Heidelberg, lädt zum Zuhören und Nachdenken ein. Die Veranstalter:innen nehmen hierbei auch Bezug zum aktuellen Rechtsruck, gegen den sich aktiv eingesetzt werden sollte. Hierfür wählte man ein Zitat Erich Kästners: “Man darf nicht warten, bis aus einem Schneeball eine Lawine wird. Man muss den rollenden Schneeball zertreten.”
Wer gerne nachträglich aus den verbrannten Büchern lesen möchte, kann sich die Werke folgender Autoren beschaffen:
Marie Baum, Heinrich Heine, Julius Gumbel, Kurt Tucholsky, Mascha Kaléko, Walter Hasenclever, Joachim Ringelnatz, Gina Kraus, Else Lasker-Schüler, Rosa Luxemburg, Irmgard Keun, Hannah Arendt und viele weitere!
Von Anja Thea Haffner