Selten im Leben hat man so vielfältige Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung wie während des Studiums. Sieben Studierende erzählen, wie sie ihre Zeit nutzen, um Gutes zu tun und der Heidelberger Gemeinschaft etwas zurückzugeben.
7 Tage Ehrenamt
Ein Ehrenamt auszuüben kann viel mehr bedeuten, als nur den Lebenslauf auszuschmücken. Für viele Engagierte spendet der freiwillige Einsatz für einen guten Zweck Sinn und ermöglicht bedeutsame Erfahrungen, die das eigene Leben und das der anderen nachhaltig prägen können. Eine Woche lang begleiten wir Studierende bei unterschiedlichen Ehrenämtern.
Am ersten Tag sind wir bei Emma, die Kindern in einem Geflüchtetenheim beim Lernen hilft. Sie beantwortet ihre Fragen zu Hausaufgaben, erstellt Arbeitsblätter oder übt mit ihnen Deutsch. Die Schulen, die die Kinder besuchen, liegen häufig am anderen Ende der Stadt. Das macht es ihnen schwer, Kontakte außerhalb ihrer Familie aufzubauen. „Auch dafür bin ich da“, sagt Emma. „Klar, manchmal vergisst jemand abzusagen, oder ich muss etwas fünfmal erklären. Aber das ist menschlich. Wenn man sich von so etwas nicht leicht frustrieren lässt, macht das Ehrenamt unfassbar Spaß. Ich habe dort ein paar der nettesten Menschen kennengelernt, die ich je getroffen habe.“
Es ist Dienstag, und wir begleiten Paula zum Café Talk. Wer Deutsch lernt, kann in dem Sprachcafé mit einer kleinen Gruppe von Personen mit und ohne Migrationsgeschichte in lockerem Rahmen üben. „Man spürt, wie sehr sich die Menschen über das Angebot freuen“, berichtet Paula. Sie findet, dass das Projekt dem Versagen der Integrationspolitik ein wenig entgegenwirkt. Besonders für die Menschen aus dem Geflüchtetenheim im Patrick-Henry-Village sei der Café Talk ein wichtiger Ort, um mit der restlichen Gesellschaft in Kontakt zu kommen. „Am besten kommt man regelmäßig. Dann kann man die Leute besser kennenlernen und sich auf ihr Sprachniveau einstellen“, erzählt eine Freundin von Paula. Ein Mädchen schenkt ihr bei jedem Treffen ein selbstgemaltes Bild. Dieses Mal ist ein großes rotes Herz darauf.
Katharina kümmert sich in ihrer Freizeit um das Wohlbefinden der Älteren: Sie begleitet Spaziergänge, spielt kleine Klavierkonzerte und singt mit den Bewohnern in Altenheimen. „Manche Bewohner lächeln, wenn sie mich sehen, andere erreiche ich nur durch die Musik. Ich werde nie vergessen, wie der ältere demenzkranke Herr plötzlich zu meinen Klavierklängen zu singen begann. Oder wie die Dame, mit der ich immer Halma spielte, mir einen Origamivogel schenkte“, berichtet sie. Die Geschichten und Gesichter der Menschen erzählen von der Vergangenheit, vom Leben, von Trauer, von Zufriedenheit. „Und da frage ich mich, ob ich nicht eigentlich mehr zurückbekomme, als ich für dieses Ehrenamt gebe“, reflektiert Katharina.
Als nächstes schauen wir im Neuenheimer Feld vorbei, denn heute ist Donnerstag und Urrmel ist offen: Eine Fahrradwerkstatt, in der alle ihr handwerkliches Geschick erproben können. Manuel und Luca engagieren sich hier und leisten „Hilfe zur Selbsthilfe“ bei knirschenden Ketten oder quietschenden Bremsen. Sie sind beide schon über ein Jahr dabei und erzählen freudig, wie viel sie über Fahrräder dazugelernt haben. Einsteigen sei ganz einfach. „Wer weiß, wie man einen Fahrradreifen flickt oder auch einfach sehr wissbegierig ist, kann jederzeit vorbeikommen und sich einbringen“, betonen sie. Menschen durch den Alltag zu begleiten und ihnen bei Bedarf auszuhelfen, ist ein weit verbreitetes Thema in vielen Ehrenämtern.
So auch bei Leah, die im Hauptbahnhof bei der Bahnhofsmission – die sie auch als „Fangnetz für alle“ bezeichnet – aktiv ist. Ihre Arbeit hier ist sehr vielfältig: Ob mit Orientierungshilfe, Notfallhilfe, Deeskalation oder einem heißen Früchtetee und der Zeitung – sie steht allen zur Seite, die darum bitten. „Auch ich fühle mich jedes Mal aufgehoben, wenn ich den Raum betrete.“ Leah ist es wichtig, dass es jede Person verdient, alles für sie zu geben. „Es ist egal, warum, wie lange oder wie schnell man fällt. Immer wird sich jede Mühe gegeben, um die Person aufzufangen.“
Eine völlig andere und kuriosere Tätigkeit übt Xenia aus, die wir am nächsten Tag besuchen. Sie tauscht Taubeneier. „Der Sinn dahinter ist, die Population nachhaltig zu kontrollieren und Tierleid zu verhindern“, erklärt sie. Stadttauben wurden ursprünglich als Nutztiere gezüchtet. Aufgrund ihres angezüchteten Brutzwangs vermehren sie sich rasant, doch in der Stadt fehlt es ihnen an Nahrung und Schutz. Viele Tauben sind unterernährt und verletzt. Um das zu verhindern, trifft sich Xenia wöchentlich mit weiteren Ehrenamtlichen vom Stadttaubenprojekt Rhein-Neckar e.V. und tauscht echte Eier gegen Plastikeier, sofern noch kein Embryo vorhanden ist. Den Tauben fällt diese Veränderung nicht auf, und so brüten sie ganz normal weiter, ohne dass Jungtiere schlüpfen.
Für Sonntag haben wir uns den ruprecht aufgehoben. Denn ja, auch die Studierendenzeitung ist ein Ehrenamt. Wir schreiben, sammeln Themen, verschicken E-Mails, layouten, korrigieren, schießen Bilder, zeichnen und verteilen Ausgaben. Den ruprecht gibt es nur, weil eine Menge motivierter Menschen sich regelmäßig versammelt und daran arbeitet, dreimal im Semester eine neue Ausgabe in den Händen zu halten. In unserer Redaktion herrscht ein Kommen und Gehen, niemand ist gezwungen zu bleiben, aber die meisten kommen tatsächlich freiwillig. Und das macht die Arbeit beim ruprecht auch so wunderbar, alle die wollen und Lust haben, können jederzeit dazukommen und Themen vorschlagen, Artikel schreiben oder einfach nur dabei sein.
Von Emma Helene Neumann, Darwin Korte, Xenia Dederer, Leah Bohle, Marei Karlitschek, Katharina Frank, Maria Bonk und Odette Lehman
...studiert Politikwissenschaft und Geschichte. Sie ist seit April 2024 beim ruprecht und schreibt für alle Ressorts, die sie in die Finger kriegt.
...studiert Physik im Bachelor und schreibt seit Ende 2023 für den ruprecht. Sie interessiert sich besonders für Wissenschaftskommunikation und Berichte aus Musik, Film und Fernsehen.
...studiert Germanistik im Kulturvergleich und Soziologie im Bachelor und leitet seit dem Wintersemester 2024/25 das Ressort "Studentisches Leben". Sie ist seit Ende 2023 beim ruprecht aktiv und interessiert sich besonders für Dinge, die eine gründliche Dosis Reflektion und neue Perspektiven gebrauchen können, deshalb schreibt sie gerne über aktuelle gesellschaftliche, kulturelle und politische Themen.
...studiert Biowissenschaften und schreibt … nichts. Er layoutet und illustriert seit 2023 für den ruprecht.