Touris, Studis und Kulturerbe. Auf den ersten Blick sind Heidelberg und Granada nicht auseinanderzuhalten. Ein (unnötiger) Vergleich der beiden Städte
Granada ist wie Heidelberg auf Spanisch“, so beschrieb mir ein Freund die Stadt in Andalusien, als ich ihn fragte, ob er ein Erasmussemester dort empfehlen würde. Was im ersten Moment ein Schmunzeln auslöste, ließ mich nicht mehr los und als ich in den ersten Tagen meines Auslandssemesters Granada erkundete, fragte ich mich: Muss das wirklich sein? Dieser Vergleich einer „andalusischen Perle“ (Wortlaut meines Reiseführers) mit unserer Kleinstadt im Herzen der Kurpfalz? Ist Granada wirklich wie Heidelberg auf Spanisch? Und wenn ja: Was bringt so ein Vergleich? Mit Vergleichen sollte man sparsam umgehen. Meistens sind sie unnötig, sie verleiten dazu, Neues oder Fremdes in die Schubladen und Boxen zu drücken, die unser Gehirn schon kennt oder versteht. Und im vorliegenden Fall? Da macht der Kurz-Vergleich von Touri-Flut, Studi-Situation und Weltkulturerbe-Wettkampf der beiden Städte einfach Spaß.
Beginnen wir mit den Stats: Granada hat etwa 90.000 Einwohner:innen mehr als Heidelberg, die aber mit etwa 20 Quadratkilometern weniger Platz klarkommen müssen. Einen beträchtlichen Anteil beider Städte leisten die Studierenden: Etwa 31.400 zählte die Universität Heidelberg im vergangenen Wintersemester – ausgenommen Doktorand:innen. An der Universidad de Granada sind es etwa 60.000. Und welche Universität ist altehrwürdiger? Die Universität Heidelberg ist mit dem Gründungsdatum 1386 definitiv älter als die Granadas von 1531. Aber da Granada im 14. Jahrhundert unter der Herrschaft der muslimischen Nasriden-Dynastie stand, die 1349 die Madraza als Zentrum für höhere Bildung gründete, könnte argumentiert werden, dass Granadas akademische Karriere schon kurz vor der Heidelbergs begann.
Unübersehbar sind in beiden Städten die Tourist:innen. Hauptgründe für ihren Andrang thronen seit dem Mittelalter über den Stadtzentren, vor dem Hintergrund des Kaiserstuhls und der Sierra Nevada: Während das Heidelberger Schloss das am meisten besuchte in Baden-Württemberg ist, ist die Alhambra laut Tripadvisor eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in ganz Europa und eine der Top 3 Sehenswürdigkeiten in Spanien. Und das ist auch zu spüren: Alles dreht sich um die Alhambra, ist man nicht auf der Festung versucht man, auf sie zu blicken, weshalb die zahlreichen „Miradores“ (Aussichtspunkte) rund um die Alhambra nahezu ebenso gut besucht sind wie die Festung selbst – und deutlich vollgepackter als der Philosophenweg.
Neben Tourist:innen und Studierenden, scheinen Granada und Heidelberg zudem UNESCO-Titel zu sammeln: In diesem Wettlauf führt Granada, denn die Alhambra ist seit 1984 Weltkulturerbe, während der Antrag für die Auszeichnung des Heidelberger Schlosses seit 2007 ruht. 2014 wurden jedoch beide Städte zur Unesco-City of Literature ernannt. Und zu diesen Auszeichnungen soll sich in Granada nun eine weitere gesellen: Pünktlich zum 500. Jubiläum der Universität möchte Granada 2031 Europas Kulturhauptstadt werden. Heidelberg erfasst derzeit noch das Kulturangebot in der Stadt und möchte im Herbst 2026 bekanntgeben, ob sie sich für die 2030er als europäische Kulturhauptstadt bewerben möchte. Währenddessen laufen die Kulturangebote in Granada bereits auf Hochtouren: kostenlose Flamenco-Shows an Feier-tagen und während der Feria, Kinobesuche sind günstig, aber auch die ehemalige Madraza, die heute eine Kultureinrichtung ist, bietet ein breites Angebot von kreativen Workshops bis hin zu Talk-Runden.
Und? Ist Granada nun wie Heidelberg auf Spanisch? Im weitesten Sinne: schon ein bisschen. Neben den großen Gemeinsamkeiten Touris, Studis und Kultur unterscheidet sich Granada von Heidelberg aber besonders durch ihren temperaturbedingten Tagesrhythmus mit Siesta am Nachmittag, Tinto de Verano am Abend und Abendessen zu einer Uhrzeit, zu der viele Deutsche schon ins Bett gehen. Dennoch sind die Alhambra sowie das Schloss die romantischen Referenzpunkte, die das jeweilige Stadtbild prägen. Auch wenn dieser Granada-Heidelberg-Vergleich nicht unbedingt nötig ist, macht er vielleicht neugierig und lädt dazu ein, die jeweils andere Stadt zu besuchen um sich selbst ein Bild zu machen – und manchmal ist es nicht schlecht, mehr auf Gemeinsamkeiten statt auf Unterschiede zu blicken.
Von Mona Gnan
...studiert Germanistik im Kulturvergleich und Geschichte. Sie schreibt seit 2021 für den ruprecht. Mona berichtet gerne über Kultur, die Welt und alle möglichen Diskurse. Eigentlich über alles, was die Gesellschaft gerade bewegt - oder bewegen sollte.
...studiert Biowissenschaften und schreibt … nichts. Er layoutet und illustriert seit 2023 für den ruprecht.









