„Wissen macht Ah!“, Die Sendung mit der Maus und Quarks: Seit knapp 25 Jahren beantwortet Ralph Caspers die Fragen kleiner und großer Kinder – auch die unserer Redakteurin
Ralph Caspers ist meine Kindheit!“ – Dieser Satz ist möglicherweise der kleinste gemeinsame Nenner, der viele junge Erwachsene in Deutschland miteinander verbindet. Mit der Moderation von „Wissen macht Ah!“ und seinen Sachgeschichten in der „Sendung mit der Maus“ prägt Ralph Caspers Generationen an Wissbegierigen und motiviert dazu, niemals mit dem Fragenstellen und Ausprobieren aufzuhören. Am 2. Juli las der Moderator und Autor beim Internationalen Literaturfestival auf dem Uniplatz in Heidelberg.
Wie fühlt es sich an, zu wissen, dass du eine Großzahl an Kindern, die heute junge Erwachsene sind, mit deinen Medieninhalten begleitet und geprägt hast?
Ralph Caspers: Herzerwärmend. Als ich bei der Maus angefangen habe, sind Armin, Christoph und ich zum 30. Geburtstag der Maus durch ganz Deutschland gereist und haben Moderationen für die Sendung aufgenommen. Da kamen immer viele Leute zu Armin und Christoph und meinten: „Hey, ihr seid meine Kindheit!“ Ich stand da als Neuer immer etwas daneben – mich kannte ja noch keiner – habe etwas in mich hineingelacht und dachte „Wow, 30 Jahre bei derselben Sendung ist schon eine lange Zeit“. Und jetzt geht es mir selbst so! In den Kommentaren unter meinem YouTube-Format „Dimension Ralph“ lese ich oft „Hey, ich hab‘ dich früher immer bei „Wissen macht Ah!“ gesehen und jetzt kannst du mir hier weiter die Welt erklären!“ Das ist schon schön.
Stichwort YouTube: Heute sind Streamingdienste und Online-Medien Alltag, früher lief „Die Sendung mit der Maus“ nur im Fernsehen. Wie hast du die Veränderung des Medienkonsums von Kindern in den letzten 25 Jahren wahrgenommen?
Man hat heutzutage viel mehr Auswahl. Ich glaube, das Rauschen ist dadurch etwas lauter geworden, weil es einfach so viel gibt. Es ist nicht so leicht, genau die Sachen zu finden, die man interessant findet oder mag. Das ist einfach, wenn man nur drei Fernsehprogramme hat – aber auf der anderen Seite ist es auch echt langweilig, wenn man nur drei Fernsehprogramme hat. Es gab früher nichts, was man gern gucken wollte, weil alles irgendwie für Erwachsene war. Und das ist jetzt viel, viel besser.
War es schon immer dein Traum, Medien für Kinder zu gestalten?
Da bin ich so reingerutscht. Ich mache auch kein Kinderprogramm, sondern eher Sachen, die ich gerne gucken würde. Es ist eigentlich Ralph-Programm. Das zieht sich durch, und dass es im Kinderprogramm läuft, ist Zufall.
Werden Medienangebote und Journalismus für Kinder deiner Ansicht nach unterschätzt?
Ja, bestimmt. Über Kinder denkt man: „Die Kleinen, die müssen erstmal groß werden.“ Und beim Kinderprogramm schwingt das immer so mit: „Das ist Fernsehen, das noch groß werden muss.“ Die können sich noch etwas austoben. Kinder müssen das, die müssen spielen. Das ist ganz oft so – ich finde das aber gar nicht schlecht. So bleibt man ein bisschen unterm Radar.
Was ist das Gute daran, unterm Radar zu bleiben?
Man kann viel mehr Scheiß machen. Man kann viel mehr ausprobieren, weil man nicht die ganze Zeit beobachtet wird, ob alles den Anforderungen entspricht: stimmen die Zuschauerzahlen, stimmen die Quoten? Klar wird das beim Kinderfernsehen auch gemacht. Mein Eindruck ist aber, dass es nicht so streng ist wie beim Erwachsenenfernsehen.
Zum Thema viel ausprobieren: Du hattest schon deine eigene Late Night Show für Kinder, die allerdings am Morgen lief, und eine Talk Show für Kinder – warum haben sich diese Formate nicht durchgesetzt?
Zeit, hauptsächlich. Der Tag hat nur 24 Stunden und wenn ein Sonderprogramm zum Regelprogramm werden soll, muss ein anderes Regelprogramm aufhören – sonst wird da kein Platz frei. Deshalb kann man nicht alles unendlich lange weitermachen.
Wie werden die Fragen für „Frag doch mal die Maus“ ausgewählt?
Zuerst wird geschaut, ob wir die Frage schon einmal in einer Sendung behandelt haben. Wenn nicht, kommt sie einen Stapel weiter. Dann wird geschaut, ob sie sich gut umsetzen lässt: Ist da „Wow-Potential“ dabei? Kann man das im Studio machen? Kann man da ein Experiment dazu machen? Ist die Frage überraschend oder noch nie gestellt worden? Das sind Kriterien, nach denen wir auswählen.
Erinnerst du dich an alle Sachgeschichten und Fragen, die du in den Sendungen behandelt hast?
Ja! Ich glaube, gerade bei „Wissen macht Ah!“ kannst du mich zu allem Fragen, was wir im Studio gemacht haben. Das ist aber nicht unbedingt beeindruckend. Wenn ich eine Sendung mache, dann bekomme ich erst einmal gesagt, welche Beiträge drin sind. Dann überlege ich mir: „Okay, was kann ich da Verbindendes in der Moderation machen?“ Das recherchiere ich und schreibe die Moderation. Im Anschluss gibt es eine Produktionsbesprechung und ich erzähle, was wir machen, welche Requisiten wir brauchen. Wenn wir im Studio sind, gehe ich die Texte nochmal durch, wir proben das und nehmen es auf. Das heißt: Ich habe alles sehr oft wiederholt. Und durch dieses ewige Wiederholen bleibt eben total viel hängen.
Du schreibst auch Kinderbücher, aus denen du unter anderem auch bei den Literaturtagen in Heidelberg dieses Jahr gelesen hast. Was können Kinderbücher vermitteln, was Fernsehsendungen nicht können?
Fernsehsendungen sind einfach sehr viel flacher. Da wird dir alles vorgesetzt: Du hast die Bildebene, du hast die Tonebene und musst dich im Grunde gar nicht mehr anstrengen. Wenn du ein Buch vorgelesen bekommst, dann kannst du die Augen zu machen und dir alles vorstellen. Das ist viel intensiver, als alles direkt zu sehen. Es ist, als wärst du selbst mit dabei – zumindest je nachdem, wie fantasievoll du bist. Ein Buch kann eine sehr viel dichtere Erfahrung sein.
Was macht im Entstehungsprozess mehr Spaß: Ein Kinderbuch zu schreiben oder eine Moderation aufzunehmen?
Ich arbeite sehr gerne im Liegen. Das bedeutet: Kinderbücher schreiben ist sehr zum Vorteil, weil ich morgens nicht aufstehen muss, sondern einfach im Bett liegen bleiben und da arbeiten kann.
Du engagierst dich unter anderem für die Kinder- und Jugendwahl U18. Wo können medienpädagogische Angebote die politische Bildungsarbeit noch mehr unterstützen – oder ist das Potential schon ausgeschöpft?
Zumindest bei der „Sendung mit der Maus“ ist es so, dass wir uns nie als Pädagogen gesehen haben. Mein Verständnis davon ist: Ich mache Fernsehen, und das ist in erster Linie Unterhaltung. Wenn dabei etwas hängen bleibt – Bonus! Hauptsächlich ist es wichtig, dass es nicht langweilig ist. Und um Menschen dazu zu bringen, sich politisch mehr zu engagieren, muss man einfach die Wege und Möglichkeiten aufzeigen, die es gibt. Das im Konkreten zu machen und nicht im Abstrakten zu bleiben hilft, glaube ich, sehr. Je konkreter, desto besser.
Was war dein erster Gedanke, als du mitbekommen hast, dass du den Bundesverdienstorden für deine Bildungsarbeit bekommst?
Die erste Reaktion war: „Wieso ich? Ich hab‘ das überhaupt nicht verdient.“ Ich hab‘ ja nur meinen Job gemacht. Vor allem im direkten Vergleich mit Leuten, die eine Auszeichnung bekommen, weil sie sich neben ihrer Arbeit ehrenamtlich engagieren, habe ich die Auszeichnung im Grunde für meine Arbeit bekommen. Ich mache zwar auch viele ehrenamtliche Sachen, aber trotzdem konnte ich es zuerst nicht so ganz nachvollziehen. Dann dachte ich aber: „Naja, die brauchen auch immer mal wieder Leute, die man kennt, damit man sieht: Okay, der engagiert sich ehrenamtlich – vielleicht mache ich das auch mal.“ Damit zeichnet man auf diese Weise auch die Vorbildfunktion aus. So fand ich das dann auch okay.
Was ist die prägendste Erkenntnis – das größte Ah! – nach 25 Jahren Medienarbeit mit und für Kinder?
Dass ich so Viele beeinflusse. Mir ist das zum ersten Mal klar geworden, als ich den Bundeswettbewerb für „Jugend forscht“ moderiert habe. Das muss man sich wie eine Messe vorstellen. Am Tag davor sind wir alles einmal abgelaufen, damit wir auch wussten, worüber wir sprechen. Und bestimmt 80% der Menschen dort haben gesagt: „Wir sind nur hier, weil es „Wissen macht Ah!“ gab oder „Die Sendung mit der Maus“ und weil wir das immer geguckt haben.“ Und da ist mir erst bewusst geworden, was diese Sendung für andere Menschen bedeutet, die ich ja eigentlich nur aus Spaß mache. Ich bin mir sicher, dass die meisten ihre Themen auch ohne die Sendungen gefunden hätten. Aber dass so viele ihre Interessen mit den Sendungen in Verbindung gebracht haben und sagen, dass das der Grund ist, warum sie als Forscher:innen arbeiten, ist schon echt bemerkenswert – und das hätte ich niemals gedacht.
Das Gespräch führte Mona Gnan
Mona Gnan studiert Germanistik im Kulturvergleich und Geschichte. Sie schreibt seit 2021 für den ruprecht. Mona berichtet gerne über Kultur, die Welt und alle möglichen Diskurse. Eigentlich über alles, was die Gesellschaft gerade bewegt - oder bewegen sollte.