Über Potenzial und Probleme der Synthetischen Biologie und warum Entwicklungsprozesse so lange dauern
Hefe mit Vanillearoma, vegane Milch aus Mikroben, Fleisch aus der Petrischale, Bakterien, die Plastik abbauen: Biologie und Technik verschmelzen immer mehr. Hinter diesen Entwicklungen steht ein Forschungsfeld, das unser Verhältnis zu Leben neu definiert: Die Synthetische Biologie. Vor rund 20 Jahren begann sie, sich von klassischer Gentechnik und Molekularbiologie abzuzeichnen, wenn auch die Grenzen zwischen diesen Feldern bis heute fließend sind. Im Kern befasst sich der stark interdisziplinäre Forschungsbereich laut der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS) mit dem Design „biologische[r] Systeme mit maßgeschneiderten Funktionen“ durch Techniken wie gezielter Genmanipulation.
Bei dem Wort „synthetisch“ haben manche Leute schon so etwas wie Angst
Das Spektrum reicht vom Versuch, vollsynthetische Zellen herzustellen, bis zum Einbau einzelner Bausteine („Biobricks“) in Organismen, um Funktionen zu optimieren. Gene und Genome lassen sich designen, synthetisieren und in Zellen einbringen. Neue genetische Schaltkreise oder maßgeschneiderte Stoffwechselwege können implementiert werden und stark vereinfachte, sogenannte Minimalzellen, die ausschließlich überlebenswichtige Gene enthalten, dienen als Modellorganismen. Die Xenobiologie entwirft Organismen mit nicht-natürlichen Bausteinen wie künstlichen Eiweißen.
Besonders im Bereich der Medizin birgt die Synthetische Biologie enormes Potenzial. Mikroorganismen können so programmiert werden, dass sie komplexe therapeutische Stoffe produzieren, die chemisch schwer zugänglich sind. Ein Beispiel ist die Herstellung des Malaria-Mittels „Artemisinin“: Der Stoffwechsel von Hefezellen wird so umgebaut, dass sie die Vorstufe des Wirkstoffs bilden. So sinken Produktionskosten und der Zugang zum Medikament verbessert sich, insbesondere in Ländern mit hoher Krankheitslast. Auch im Umwelt- und Energiebereich eröffnen sich neue Möglichkeiten. Bakterien oder Algen können Ethanol oder Wasserstoff als alternative Energiequellen produzieren. Unter dem Begriff „Bioremediation“ wird erforscht, wie Mikroorganismen als Biosensoren oder biologische Abfallbeseitiger bei Umweltverschmutzungen eingesetzt werden können.
An der Universität Heidelberg arbeitet das Studierendenteam des internationalen iGEM-Wettbewerbsan solchen Projekten. 2023 entwickelten sie Bakterienzellen, die nicht recycelbaren Mischplastik abbauen und daraus neue Stoffe wie Medikamente bilden konnten. In diesem Jahr programmierte das Team synthetische Immunzellen, um Tumorzellen gezielt abzutöten. Neben iGEM ist in Heidelberg das Exzellenzcluster „SynthImmune“ aktiv. Dort steht das „Engineering von Immunfunktionen durch synthetische Biologie“ im Mittelpunkt, das bei Infektionskrankheiten und bestimmten Krebsarten angewendet werden kann.
„Im Leben gibt es nichts zu fürchten, man muss es nur verstehen“
Trotz des großen Potenzials stößt die Disziplin an Grenzen. In einem Interview berichteten die iGEM-Mitglieder, Lara Kellendonk und Preet Shah, dass Projekte stark von „trial-and-error“ geprägt seien. Selbst sorgfältig geplante Systeme funktionieren oft nicht wie erwartet. „Wir haben super häufig ‚shots in the dark‘ gemacht und mussten einfach hoffen, dass es klappt. Spoiler: Tut es anfangs fast nie …“ Zudem sei die Reproduzierbarkeit biologischer Ergebnisse eine Herausforderung. Andere Forschende müssen Resultate bestätigen können und das ist eine zeitintensive Aufgabe. Auch bürokratische Hürden verlangsamen die Entwicklung neuer Therapien erheblich. Besonders wichtig sei jedoch die Kommunikation, betonen beide. Der Begriff „synthetisch“ sei häufig negativ konnotiert und werde oft als bedrohlich wahrgenommen. Mehr Aufklärung könne Missverständnisse vermeiden und die Wahrnehmung der Disziplin verbessern. Denn, wie bereits Marie Curie Zeit ihres Lebens anmerkte, gibt es im Leben nichts zu fürchten, bloß zu verstehen.
Da die Synthetische Biologie ein junges Forschungsfeld ist, bleibt die Risikoabschätzung schwierig. Der Großteil der Forschung in Deutschland fällt unter das Gentechnikgesetz, was die ZKBS befürwortet. Doch je stärker sich das Leben im Labor formen lässt, desto drängender wird die Frage, wie viel Gestaltung wir wie schnell wagen dürfen und wie wir gewährleisten können, dass die Gesellschaft mitgeht.
Von Carmen Latus
...studiert Biowissenschaften und schreibt … nichts. Er layoutet und illustriert seit 2023 für den ruprecht.








