Reiselust und Wanderschaft: Ein Rückblick auf den 106. Kunsthistorischen Studierendenkongress in Heidelberg
Vom 20. bis zum 23. Februar pilgerten Studierende der Kunstgeschichte aus ganz Deutschland nach Heidelberg. Anlass war der 106. Kunsthistorische Studierendenkongress, kurz KSK. Dieses Jahr wurde sich unter dem Titel „Reiselust und Wanderschaft“ mit den vielfältigen Bedeutungen von Bewegung in Kunst und Kultur – von künstlerischen Reisen über Tourismus bis hin zu kolonialen Kontexten – auseinandergesetzt. Ein breites Angebot erwartete die Teilnehmenden.
Donnerstag: Nach der gemeinsamen Pilgerreise ankommen, kennenlernen, eintauchen
Eröffnet wurde der Kongress mit einer Begrüßung im Hörsaal 14 der Neuen Universität. Eine exklusive Führung durch die sich derzeit im Umbau befindende Antikensammlung bot erste Einblicke. Stadtführungen führten durch die romantische Heidelberger Altstadt, ein Besuch im Völkerkundemuseum regte zur Reflexion über die Provinienz von Kunst und Kunstwerken an. Ein Workshop widmete sich dem Wandern als kulturelles Phänomen des 18. und 19. Jahrhunderts – mit Fokus auf deutsche Romantik und politische Umbrüche. Der Tag klang mit einem gemeinsamen veganen Abendessen und einem Spieleabend im Institut für Europäische Kunstgeschichte (IEK) in entspannter Atmosphäre aus.
Freitag: Vorträge und Workshops zwischen Fernweh und Forschungsdrang
Der Freitag konnte das Programm noch weiter vertiefen. Vormittags beleuchteten Vorträge unter anderem die performative Praxis des „Walking & Mapping“, die Naturerfahrung in der mittelalterlichen Buchmalerei, Gabriele Münters Amerika-Reise sowie Adolph Menzels Arbeitsweise auf Grundlage von Reiseskizzen. Anschließend folgten Auseinandersetzungen mit kolonialen Motiven: Schwarze Figuren in niederländischen Stillleben, Shonibares Raumfahrerskulpturen als postkoloniale Allegorien oder orientalistische Männlichkeitsbilder wurden diskutiert.
Am Nachmittag boten zahlreiche Workshops Raum zur weiteren Auseinandersetzung: zum Beispiel Tarkowskijs Film „Stalker“ als postromantische Naturkritik oder die studentische Fälschungssammlung „HeFäStuS“, die zum aktiven Kunst-Debunking einlud. Führungen führten ins Wilhelm-Hack-Museum und in die historische Kartensammlung Heidelbergs.
Abends stellte ein studentisches Team den Tagungsband zum 100. KSK vor. Der Podcast „Von Lanzen und Luftschiffen“ lud zum Live-Gespräch über Romantik in der Kunst ein. Carlos Sonsalla, der am Podcast teilnahm, sprach auf Nachfrage über die persönliche Bedeutung des KSK: „[Der KSK] ist ein Kongress für Leute, die noch keinen Doktor haben oder irgendwo forschen, sondern die erste Möglichkeit, ein bisschen Luft zu schnuppern, und Lust zu bekommen auf internationale Kongresse.“ Das Wichtigste sei, „Spaß zu haben und sich zu inspirieren, denn so funktioniere die Kunst- (Geschichte) schon seit Jahrhunderten.“
Samstag: Gipfelgespräche mit Schlossblick
Der Samstag begann mit dem hochschulpolitischen Plenum im Neuen Hörsaal Physik: Hier wurde diskutiert und der übernächste Austragungsort des KSK bestimmt. Nachmittags führte eine gemeinsame Wanderung auf den Philosophenweg – mit klassischem Blick auf Schloss und Altstadt. Den Tagesausklang bildete ein Filmabend mit Einführung: Ernst Marischkas „Alt-Heidelberg“ (1959) wurde als Heimatfilm über das Kommen und Gehen in Heidelberg gelesen und kritisch in den Kontext von Reiselust und Heimat verortet.
Sonntag: Rückreise mit globalen Perspektiven und neuen Eindrücken im Gepäck
Am Abschlusstag öffneten Vorträge globale Perspektiven: von digitalen Bildwanderungen in der Meme-Kultur, über kulturellen Extraktivismus in historischen Karten, bis hin zu west-östlichen Wechselwirkungen im japanischen Holzschnitt um 1870. Auch das immersive Pilgererlebnis am Sacro Monte di Varallo wurde thematisiert.
Mit der offiziellen Verabschiedung und der Übergabe an das kommende Team in Bochum endete ein vielschichtiger Kongress, der kunsthistorisches Wissen vertiefte, gesellschaftliche Fragen der Mobilität reflektierte und Raum für Austausch bot.
Von Laetitia Klein
Laetitia Klein
...studiert molekulare Biotechnologie und ist seit dem Sommersemester 2023 beim ruprecht. Meistens schreibt sie wissenschaftliche Artikel oder über das studentische Leben. Seit November 2023 kümmert sie sich außerdem um die Website und den Instagram-Kanal des ruprecht.