„Menschen laufen Halbmarathon. Ich bin halb beeindruckt.“ Warum auf einmal alle laufen
Mit dem Besuch aus der Heimat einmal den Philosophenweg hochkraxeln ist schon anstrengend genug, aber dass da Leute freiwillig hoch joggen?! Genau das haben die tausenden Teilnehmer:innen des Heidelberger Halbmarathons vor ein paar Wochen getan.
Laufen als Sport liegt zurzeit absolut im Trend unter jungen Leuten. Fast jede:r ist gerade im Lauffieber. Auch ich wurde angesteckt. Doch wieso möchten auf einmal alle laufen? Ich würde Corona dafür verantwortlich machen. Als alle Sportvereine schließen mussten, war Joggen eine unkomplizierte Möglichkeit, weiterhin Sport zu machen. Außerdem ist Ausdauertraining auch für viele andere Sportarten sinnvoll.
Die Anzahl der Teilnehmenden des Heidelberger Halbmarathons gehen bei meiner These leider nicht ganz mit. Der erste Halbmarathon, der 2022 nach Corona stattfand, zeigte laut offiziellen Zahlen einen deutlichen Einbruch der Anmeldungen. Erst dieses Jahr haben wieder ähnlich viele Läufer:innen teilgenommen wie vor 2020. Besonders stark angestiegen ist in den letzten drei Jahren die Anzahl der Läufer:innen im Alter von 18 bis 23 Jahren. Unsere Generation hat den fitten Lifestyle für sich entdeckt. Fast niemand geht heute mehr zu Burger King, stattdessen verabredet man sich zum Laufen, Bouldern oder Rennrad fahren.
Wenn man einmal angefangen hat, kann die Lauf-Bubble zum reinsten Rabbit Hole werden: Running Clubs sprießen aus dem Boden, meine Instagram-Page wird geflutet von Leuten, die mir eintrichtern wollen, dass man dringendst in Zone zwei laufen muss, während ich erstmal herausfinden muss, wo meine Zone zwei denn überhaupt liegt (es geht um den Puls). Ich lerne über Carbonschuhe und Energy Gels, Hill Sprints und Shakeout Runs. Laufen ist eine halbe Wissenschaft. Mit der Zeit finde ich mich zurecht, melde mich bei der Sport Social-Media App Strava an und orientiere mich an einem Laufplan für mein Training.
Heute ist der Tag des Heidelberger Halbmarathons. Ich bin diesmal nur zum Anfeuern da, doch Solveig und Simon studieren an der Uni und berichten mir von ihren Erfahrungen. Beide starten mit Freund:innen, mit denen sie auch planen, die ganze Strecke zusammenzubleiben. Das Wetter ist gut, die Schlange vor den Dixi-Klos ist lang. Dann geht es los. Solveig ist überwältigt von der anfeuernden Menschenmasse kurz nach dem Start. „Ich hatte wirklich Gänsehaut. Es war total schön“, erzählt sie. Beide erkennen am Streckenrand ihre Freund:innen wieder, die ihnen zujubeln; das treibt voran.
Die ersten Kilometer sind geschafft und jetzt nähert sich der Philosophenweg. Die Kraft ist noch da, doch das Tempo wird langsamer. „Die Steigung vom ersten Stück ist einfach zu steil, um vernünftig joggen zu können“, erklärt Simon. Oben angekommen gibt es aber direkt die Belohnung für den Anstieg: den Blick aufs Schloss – und eine Wasserstation. Die nächsten Kilometer werden hart, es kommen noch zwei weitere Anstiege und Solveig vermisst auf der Strecke mehr Wasserstationen. Zurück in der Altstadt ist es fast geschafft. Tückischerweise gibt es einige hundert Meter vor dem Ziel ein Spendentor, welches nach knapp 21 Kilometern schnell mal fürs Ziel gehalten werden kann.
Doch der Jubel der Zuschauenden trägt Solveig die letzten Meter ins Ziel. „Zwei Meter vor mir, ungefähr einen Meter von der Ziellinie entfernt, ist ein Läufer zusammengebrochen. Sofort eilten die Sanitäter:innen herbei und halfen ihm“, beschreibt Simon das Ende seines Laufs. So ein Halbmarathon ist eben doch eine körperliche Herausforderung.
Kurz nach dem Lauf treffe ich Simon und frage direkt die wichtigste aller Fragen: „Und? Wann läufst du den nächsten Halbmarathon?“
Eine Glosse von Heinrike Gilles
Heinrike Gilles studiert molekulare Biotechnologie und ist seit dem Sommersemester 2023 beim ruprecht. Meistens schreibt sie wissenschaftliche Artikel oder über das studentische Leben. Seit November 2023 kümmert sie sich außerdem um die Website und den Instagram-Kanal des ruprecht.