Bei der Verfassten Studierendenschaft der Universität Heidelberg drückt der Schuh. Der Haushalt weist ein Defizit auf. Eine Stura-Sitzung in mehreren Akten
Der neue Hörsaal der Physik füllt sich am Dienstagabend schnell. Das Gebäude unterhalb des Philosophenwegs – eher eine Art Bunker als ein Hörsaal – dient dem Studierendenrat als Tagungsort. Wie immer ist die Tagesordnung voll, der Zeitplan damit eng getaktet.
Neben den Finanzanträgen der Fachschaften für Projekte und Veranstaltungen sollen auch die Aufwandsentschädigungen für Amtsträger:innen in der Verfassten Studierendenschaft (VS) und der Nachtragshaushalt für 2024 verabschiedet werden. Auch vor dem Hintergrund des Haushaltsdefizits der VS und daher mittelfristig wohl steigender Semesterbeiträge, ist diese Stura-Sitzung durchaus brisant. Vor allem die Inflation, höhere Personalkosten und verschleppte Verwaltungsausgaben geben der Diskussion um die Verteilung der Gelder aktuell besonderes Gewicht.
Die Sitzung beginnt mit ein paar kurzen Änderungen an den Tagesordnungspunkten, dann berichten zunächst die Referate von ihrer Arbeit. Als die Finanzanträge der Fachschaften zur Förderung von Sommerfesten, Exkursionen und Ausstattung an der Reihe sind, ist es bereits 22 Uhr. Der Hörsaal wird spürbar leerer, die Aufmerksamkeit lässt nach. Der erste Antrag auf Unterstützung der Fachschaftsparty der Philosophischen Fakultät wird erst nach einiger Diskussion angenommen.
Auch die folgenden Anträge beanspruchen Zeit und werden ausführlich diskutiert, obwohl es insgesamt wenige Einwände gibt. Da die beantragten Gelder nach Kürzungen in den vorliegenden Anträgen die noch zur Verfügung stehende Fördersumme von 10.128 Euro nicht mehr überschreiten, muss auch keine Priorisierung mehr vorgenommen werden. Alle Anträge, die bereits in erster Lesung diskutiert und im Anschluss angepasst wurden, können theoretisch angenommen werden. Dennoch kritisiert vor allem die Fachschaftsinitiative (FSI) Jura die Antragsteller:innen teils scharf. Einzelne Ausgabenposten werden ausgreifend diskutiert und erklärt.
Die zweite Lesung des Antrags der Fachschaft Computerlinguistik zur Neuausstattung ihres Fachschaftsraumes wird dann zu einer etwa halbstündigen Diskussion um Sinn und Legalität eines Schlafsofas im Theoretikum. Ein Schlafsofa sei überflüssig, in der Uni dürfe ohnehin nicht übernachtet werden, argumentiert die FSI Jura, es müsse ein gewöhnliches Sofa sein. Die Debatte geht auch dann weiter, nachdem betont wird, dass der Preis sich nicht wesentlich unterscheide.
Schon im vorherigen Verlauf der Sitzung wurde immer wieder auf Details oder Verfahrensfragen beharrt. Kaum eine Möglichkeit zur Gegenrede wird ausgelassen. Die Stimmung wirkt teilweise obstruktiv. Auch darüber kommt es zwischenzeitlich immer wieder zu kurzen Wortgefechten – besonders zwischen der Sitzungsleitung und einzelnen Vertreter:innen.
Der nächste Punkt auf der Tagesordnung ist die Anpassung der Aufwandsentschädigungen für Amtsträger:innen in der VS. Es stehen verschiedene Änderungsanträge zur Debatte. Gestritten wird vor allem in Bezug auf das Sozialreferat darüber, ob sich der Arbeitsaufwand verringert, wenn das Referat voll besetzt ist und damit weniger Geld pro Person ausgezahlt wird.
Es ist zu diesem Zeitpunkt etwa 23:30 Uhr und das Präsidium muss die Debatte, die jetzt auch emotionaler wird, mehrfach zur Ordnung rufen.
Vorwürfe werden laut, man höre sich eigentlich nicht mehr zu. Zuletzt muss die Sitzungsleitung aufgrund zu geringer Anwesenheit die Beschlussunfähigkeit feststellen und setzt für die folgende Woche eine Sondersitzung an.
Ein Blick in die Protokolle vergangener Sitzungen zeigt: Das ist keine Ausnahme. Wie es scheint, verliert sich die Debatte im Stura regelmäßig in Details, bis es für viele Vertreter:innen zu spät wird und zieht so Beschlüsse und Diskussionen über Monate hin. Einzelnen Anwesenden scheint es dabei eher um das letzte Wort zu gehen, als um eine konstruktive, kritische Atmosphäre, die die Gelder verantwortungsvoll verteilt und den Anliegen der Studierenden gerecht wird.
Von Mathis Gesing
Mathis Gesing studiert Politikwissenschaft und Philosophie und schreibt seit dem Wintersemester 2023/24 für den ruprecht. Er interessiert sich vor allem für Politik, Kultur, die neuesten Entwicklungen in Heidelberg und was die Studis oder ihn gerade so bewegt.
Heinrike Gilles studiert molekulare Biotechnologie und ist seit dem Sommersemester 2023 beim ruprecht. Meistens schreibt sie wissenschaftliche Artikel oder über das studentische Leben. Seit November 2023 kümmert sie sich außerdem um die Website und den Instagram-Kanal des ruprecht.