„Ich verstehe ja, dass Sie an einer Depression leiden, aber das ist doch kein Grund, nicht zum Seminar zu erscheinen“
„Erinnerung an die Anwesenheitspflicht“ lautet der Titel der Mail, die mich erreicht, nachdem ich im Seminar gefehlt habe. Auch zu anderen Vorlesungen habe ich es heute nicht geschafft, es ist mittlerweile 18 Uhr und ich habe mir immer noch nicht die Zähne geputzt. „Ich habe größten Respekt vor Ihren persönlichen Schwierigkeiten“, steht in der Mail. Damit ist wohl die Panikattacke gemeint, wegen der ich neulich aus dem Hörsaal rausgerannt bin, nur um mich später in der Sprechstunde heulend dafür zu entschuldigen und von meiner Depression zu erzählen. „Die letzten beiden Jahre waren für uns alle besonders herausfordernd. Dennoch muss ich Sie darauf hinweisen, dass die Anwesenheitspflicht in meinem Seminar für ALLE Studierenden gilt!“
Von Philipp Rajwa
Der Kompetenzbefreite
Die Folien sind seit Jahren unverändert oder von den Vorgängern übernommen. Kritische Fragen werden geächtet: Die Kombination aus Sozial- und Fachinkompetenz macht diesen Professor zum Endgegner der Studierenden. Sein Lebenslauf ist dünner als der Instant-Kaffee aus der WG und wenn er wie jede Stunde einfach nur aus dem Lehrbuch vorliest („Vorlesung“), googelst du: „Was kostet ein Doktortitel?“ In seinen Vorlesungen dünnt sich das Publikum von Woche zu Woche aus, aber du schleppst dich trotzdem in den halb leeren Saal, denn auf dem Heimweg folgt die wohlige Gewissheit: Wenn der das schafft, dann schaffe ich es auch!
Von Mara Renner
Der verängstigte Physiker
Er faselt minutenlang über den harmlosen Ausgang des Experiments, doch kaum krempelt der Assistent die Ärmel hoch, springt er zwei Meter zur Seite oder versteckt sich hinter dem Pult. Blöd nur, wenn man sich zum Beweis der Energieerhaltung vor ein schwingendes Gewicht stellen soll, das einem bei zu viel Schwung locker die Nase zertrümmert. Aber was macht man nicht alles für einen raunenden Saal voller Physik-Erstis?
Von Lena Hilf
Die Expertin, die sich klein macht und Studierende als vollwertige Wissenschaftler:innen betrachtet
Mit dem Angebot, sie zu duzen, heißt mich meine Professorin in ihrer Arbeitsgruppe herzlich willkommen. Dennoch fühle ich mich als kleiner Bachelorand in der Gegenwart dieser Leibniz-Preisträgerin weiterhin eingeschüchtert. Sie wischt meine Sorgen mit einem Lächeln beiseite: „Ach was, deine Idee gefällt mir super, die Ergebnisse sind auch richtig gut, das können wir sofort so publizieren.“
Dass es ihre Idee war, ich bei jedem Schritt auf ihre Anleitung angewiesen bin und sie in meinem Alter bereits promoviert hatte, kann ich ihr nicht mehr sagen, da plötzlich das Telefon klingelt. „Du, warte mal eben bitte kurz, das ist der Christian von der Charité, da muss ich rangehen, sorry!“
Von Philipp Rajwa
„Darüber hat bereits mein Vater publiziert“
Seine Urgroßmutter war die erste weibliche Studierende Heidelbergs und bereits sein Vater hat in Kindertagen Karl-Jaspers-Texte vorgelesen bekommen – von Karl Jaspers persönlich.
Nach Umwegen über Oxford und Yale (er hatte auf Harvard gehofft, unter dieser Kränkung leidet er noch heute!) lehrt der jüngste Sprössling dieser Intellektuellendynastie nun in seiner neckardurchflossenen Heimatstadt. Selber stets nur im Schatten seines genialen Großvaters geblieben, lässt dieser Professor keine Gelegenheit verstreichen, sich mit dessen Namen zu rühmen. Außer natürlich, man fragt ihn, was seine Familie denn zwischen 1933 und 1945 so gemacht hat.
Von Philipp Rajwa
Die einzige Professorin einer Männerfakultät
Student:innen der Fakultät schnappen verwirrt nach Luft, wenn im 5. Semester ihres Bachelors erstmals eine ProfessorIN vor ihnen steht. Mit der Zeit gewöhnen sie sich daran, und auch die Professorin gewöhnt sich an das Geschlechterverhältnis unter den Vorlesungsbesuchern (was irgendwo zwischen 1:5 und 1:47 liegt, oder auch eins zu unendlich).
Egal, ob sie versucht, den Studierenden Empathie entgegenzubringen oder ihr der Schnitt der Klausur vollkommen egal ist, sie kann es den Studierenden nicht recht machen. Trotzdem geht sie den Studentinnen der Fakultät mit gutem Beispiel voran und wird vielleicht irgendwann einflussreich genug, um eine weitere Professorin in die Fakultät zu holen.
Von Louise Kluge
Der Prof, der Bachelor-Studenten einfach nicht ernst nehmen kann
Im ersten Seminar schweift sein Blick verächtlich durch den Raum. Als könnten diese Dilettanten auch nur im Ansatz seine Arbeit verstehen. Seine Perlen der Weisheit an uns Unwürdige zu verschwenden ist eine Schmach für ihn. Er ist der letzte Verteidiger akademischer Standards und macht seinen Studierenden das Leben unnötig schwer. Sein Lieblingssatz: „Diese Thematik werden Sie, wenn überhaupt, erst gegen Ende ihres Masterstudiums im Ansatz überblicken.” In seiner Sprechstunde trennen euch nicht nur sein Schreibtisch, sondern Jahrzehnte Erfahrung und deine Fragen entlarven nur deine Unkenntnis.
Von Johannes Pupic
Der Altmodische
Der Beamer geht nicht und wir schauen seinen Anschalt-Versuchen zu.. Klappt natürlich nicht, bis sich eine Studentin erbarmt und den Einschaltknopf der Fernbedienung zeigt. Wen wundert es, dass er es nicht schafft, seine Powerpoint zu starten. Dann ist sein Computer leer, er muss ein Update machen oder was weiß ich. Von der Existenz seines E-Mail-Accounts weiß er zwar, jedoch liest er Mails nach eigener Aussage nie. Bei wichtigen Fragen solle man doch gleich bei ihm im Büro vorbeikommen.
Von Frederik Kolb
Die Leise
Ewige Stille im toten Seminarraum, nur die Professorin murmelt etwas vor sich hin; viel, viel zu leise. Nach drei netten, jedoch unbefolgten Aufforderungen – „Könnten sie bitte etwas lauter sprechen?” – haben wir alle aufgegeben, etwas zu verstehen, ja, etwas zu hören. Sie redet stets gleich laut, das heißt leise weiter, nichts bringt sie aus dem Konzept. Diese Ruhe bräuchte man. Als sie auf einmal aufhört zu reden, habe ich Grund zur Annahme, dass sie mir eine Frage gestellt hat, denn sie schaut mich an. Auch nach wiederholter, eher zaghafter Nachfrage meinerseits verstehe ich die mutmaßliche Frage nicht, ich versuche daher, sie totzuschweigen. Macht sie doch auch.
Von Frederik Kolb
Der Mensch
Er weiß, dass ich neu im Fach bin und doch behandelt er mich fair von Mensch zu Mensch.Und wer hätte es gedacht: Hier bin ich bereit, mich in die Arbeit reinzuhängen.
Von Nicolaus Niebylski
Der Jammerer
„Sie haben eine Klausur, ich habe 200!“. Nonchalant geht er über die Tatsache hinweg, dass die Korrektur von einem Heer von Hiwis vorgenommen wird. Der Ingenieur hat`schwör, doch am härtesten hat es ohne Zweifel dieser spezielle Professor. Er beneidet seine Studierenden um ihr sorgloses Lotterleben ohne Stress, während er leidet. Wenn er in der freien Wirtschaft so viel arbeiten würde, so seine Überzeugung, würde er ganz bestimmt viel mehr verdienen. Deshalb rufe ich alle Leser:innen auf: Verschwendet euer Mitleid nicht an Witwen und Waisen: Habt ein Herz für Professoren.
Von Johannes Pupic
Der alte weiße Mann
„Liebe Studenten, oh, darf man das heute überhaupt noch sagen, hahaha!“ Er hat zwar nichts gegen Frauen, er macht sich nur gerne übers Gendern lustig. Denn man darf über alles lachen. Bloß die jungen Leute sind heutzutage alle so ernst und empfindlich. Wenn man nur eine falsche Kleinigkeit sagt sind sie sofort beleidigt und brüllen einen nieder. Meinungsfreiheit schön und gut, aber man muss doch auch mal andere Meinungen aushalten dürfen. Er ist ohnehin zu alt, hat zu viel gesehen, um sich wegen politischer Korrektheit den Mund verbieten zu lassen. Shitstorm, Schmitstorm. Pfff! Wenn seine Deutungshoheit bedroht sein sollte, schlägt er zurück – mit einem offenen Brief in der ZEIT.
Von Philipp Rajwa
Das Phantom: steht zwar im LSF, aber lässt alle Seminare von Doktoranden erledigen.
Wir würden diesen Menschen gern genauer charakterisieren, wissen aber leider auch nichts über ihn.
...hat in Heidelberg Informatik studiert und war zwischen 2020 und 2023 Teil der ruprecht-Redaktion. Ab dem WiSe 2021 leitete er das Feuilleton und wechselte im WiSe 2022 in die Leitung des Social-Media-Ressorts. Im Oktober 2022 wurde er zudem erster Vorsitzender des ruprecht e.V. und hielt dieses Amt bis November 2023.
...studiert Kunstgeschichte und Politikwissenschaft, seit 2021 schreibt sie über Kurioses aus Politik, Kultur und dem studentischen Leben
...studiert Physik und schreibt seit Oktober 2019 für den ruprecht. Besonders gerne widmet sie sich Glossen, die oft das alltägliche Leben sowie wissenschaftlichen oder politischen Themen. Sie leitete erst das Ressort Hochschule und später das Ressort Wissenschaft.
Frederik Kolb studiert Physik und schreibt seit dem SoSe 22 für den ruprecht über diverse interessante Themen, wie Migration oder Missstände in der Uniarchitektur
Nicolaus Niebylski studiert Biowissenschaften. Beim ruprecht ist er seit dem Sommersemester 2017 tätig – meist als Fotograf. Er bevorzugt Reportagefotografie und schreibt über Entwicklungen in Gesellschaft, Kunst und Technik. Seit November 2022 leitet er das Ressort Heidelberg. Zuvor war er, beginnend 2019, für die Ressorts Studentisches Leben, PR & Social Media und die Letzte zuständig, die Satireseite des ruprecht.