Klingt fast wie Canapés, schmeckt nur besser. Cuñapes: glutenfreie Käsebällchen aus Bolivien
Auch wenn man es mir kaum ansieht, ich darf mich stolz einen halben Bolivianer nennen. Zwar hat mir die Eigenschaft des Quasi-Latinos bisher in meinem Datingleben zu keinem Wettbewerbsvorteil verholfen, bringt doch die Binationalität andere nette Nebenwirkungen mit sich. Neben der bolivianischen Kultur und der spanischen Sprache, wurde mir auch die dortige Kulinarik nähergebracht. Leider koche ich längst nicht so gute Suppen wie meine Mutter, doch ein Gericht hat sich wie kein Zweites in meiner studentischen Küche etabliert. Es nennt sich Cuñapes.
Cuñapes sind etwa golfballgroße Käsebällchen, die hauptsächlich aus Käse und Tapiokastärke bestehen. Tapioka wird aus den stärkehaltigen Wurzelknollen der Maniok-Pflanze gewonnen, welche aus den Tropen und Subtropen Südamerikas stammt und dort bereits von der indigenen Bevölkerung kultiviert wurde. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass es auch außerhalb Boliviens ähnliche teigige Kreationen mit anderem Namen auf Basis von Yuca – so wird die Pflanze im Lateinamerikanischen Raum genannt – gibt. In Kolumbien heißen sie beispielsweise Pan de Bono und die brasilianische Version heißt Pão de queijo. Heutzutage ist die Stärke weltweit verbreitet und ist in Deutschland besonders gut im Asia-Laden oder beim Afro-Shop zu bekommen. Netter Nebeneffekt: Tapiokastärke enthält kein Gluten.In Bolivien stammt das Gericht ursprünglich aus dem Tiefland, wird jedoch mittlerweile auch im Hochland, dem Altiplano, wo meine Mutter herkommt, zubereitet. Man benötigt für die Zubereitung eine große Schüssel, in der die Tapiokastärke mit den restlichen Zutaten und dem geriebenen Käse vermengt und anschließend verknetet wird. Traditionellerweise handelt es sich bei dem Käse um einen weißen, eher weichen Kuhmilchkäse. Besonders nah dran kommt da der junge Gouda vom Lebensmittelhändler eures Vertrauens. Nach dem Verkneten wird euch der Teig noch etwas krümelig vorkommen. Doch das ist kein Grund zur Sorge, denn im zweiten Schritt werden die Bällchen mit der Hand geformt. Die eigene Körperwärme lässt dabei den Käse weich und den bisher noch krümeligen Teig zu einer Masse werden. Bei den Bällchen darauf achten, dass sie nur etwa so groß wie der Ball beim Tischkicker werden. Das im Teig enthaltene Backpulver sorgt dafür, dass sie im Ofen zu richtigen Golfbällen heranwachsen.
Ist der Teig verarbeitet: Ein Backblech mit Backpapier auslegen und darauf eine erste Charge Käsebällchen mit etwas Abstand zueinander platzieren. Anschließend das Blech samt Käsebällchen in den vorgeheizten Ofen auf 180 Grad bei Ober-/Unterhitze schieben und circa 30 Minuten backen, bis die Cuñapes eine leichte Bräune angenommen haben. Das Backen geht auch mit Umluft, dann aber die Temperatur etwas runterdrehen. Während die Käsebällchen im Ofen sind, kann ich noch kurz ausholen und erzählen, wie das Rezept in den Besitz meiner Familie kam. Wie man jetzt vielleicht vermuten würde, war es nämlich nicht meine Mutter, die das Rezept in unseren Haushalt brachte, sondern mein in Hamburg geborener Vater. Dieser wohnte als Kind mit meinen Großeltern und seinen Geschwistern in Ecuador. Vermutlich wurde schon damals sein Interesse für Lateinamerika geweckt, ansonsten hätte er Jahre später nicht meine Mutter in La Paz kennengelernt und ich wäre niemals in den Genuss gekommen bikulturell aufzuwachsen, geschweige denn geboren zu werden. Auf jeden Fall war mein Großvater Pastor in der deutschen evangelischen Kirchengemeinde in Quito und nahm eine bolivianische Frau auf, der Ecuador politisches Asyl gewährt hatte. Sie war Teil der Widerstandsgruppe „Movimiento de la Izquierda Revolucionaria“ und musste das Land verlassen, als sich 1980 der letzte Militärdiktator Boliviens an die Macht putschte. Aus Santa Cruz im Tiefland stammend machte sie eines Tages Cuñapes und meine Großmutter schrieb das Rezept auf. Später passte mein Vater es an deutsche Einkaufsverhältnisse an und heute kann ich meine Freund:innen damit verwöhnen.
Sind die Cuñapes aus dem Ofen, genießt man sie am besten warm. Traditionell werden sie neben anderen Gebäcken zum Tee oder Kaffee am frühen Abend gereicht. In Bolivien gibt es nämlich kein klassisches Abendessen. Da man sich nach einigen Cuñapes nach etwas Frischem sehnt, empfehle ich sie als Snack zu lecker Bierchen oder Weißwein. Möchte man sich etwas mehr Mühe machen, bietet es sich an, sie mit einem Salat als Begleitung zu servieren. ¡Buen provecho!
Zutaten
– 2 Teelöffel Backpulver
– 450 g geriebener junger Gouda
– 400 g Tapiokastärke
– 2 Eier
– 1 Teelöffel Salz
– 150 ml Milch
von Emilio Nolte
...studiert Volkswirtschaft und schreibt seit dem Sommer '23 für den ruprecht. Er ist ein Freund der pointierten Kolumne und leitete einst die Seiten 1-3.







