Die beiden Städte gehen eine neue Partnerschaft ein. Wie gestaltet sich die deutsch-ukrainische Freundschaft angesichts des russischen Angriffskrieges?
Seit dem 19. Mai ist es offiziell: Heidelberg und Odessa sind Partnerstädte. „Der Vertrag, den wir heute schließen, steht auch für unsere großen Hoffnungen, dass wir uns bald in Friedenszeiten wiedersehen“, verkündete Oberbürgermeister Würzner bei der feierlichen Unterzeichnung. Sein ukrainischer Amtskollege Gennadiy Trukhanov pflichtet ihm bei: „Die Partnerschaft zwischen Odessa und Heidelberg ist ein Beispiel für wahre internationale Solidarität auf kommunaler Ebene“.
Städtepartnerschaften haben eine lange Tradition, die Idee geht vor allem auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Entlang der Partnerschaften sollten Brücken der Zusammenarbeit zwischen den ehemals verfeindeten europäischen Nationen entstehen, so die Hoffnung. Inzwischen haben die meisten deutschen Städte weltweit Partnerschaften geschlossen. Heidelberg unterhält insgesamt neun solche Städtepartnerschaften, unter anderem mit Montpellier in Frankreich und Kumamoto in Japan. Im Regelfall konzentriert sich die Zusammenarbeit auf die kulturelle und wirtschaftliche Ebene. Angesichts dessen, dass die neue ukrainische Partnerstadt Odessa nur etwa 200 Kilometer hinter der Kriegsfront zwischen der Ukraine und Russland liegt, wird sich diese Kooperation voraussichtlich etwas anders gestalten. „Im Vordergrund steht die humanitäre Unterstützung“, betont Christian Beister, Pressereferent der Stadt Heidelberg. „Heidelberg hat Odessa seit Kriegsbeginn unter anderem mit der Spende eines Drehleiter-Fahrzeugs und Feuerwehr-Equipment unterstützt.“ Im Rahmen der Vertragsunterzeichnung übergab Heidelberg außerdem ein weiteres Löschfahrzeug, zwei Müllfahrzeuge und rund 500 Erste-Hilfe-Verbandskästen.
Darüber hinaus sei auch geplant, den interkulturellen und zwischenmenschlichen Austausch zu fördern, zum Beispiel mit Projekten im Sport und der klassischen Musik, so Beister. Auch im Bereich der Forschung sollen die Beziehungen ausgebaut werden. “Heidelberg und Odessa haben viele Gemeinsamkeiten: Beide Städte sind Wissenschaftszentren und passen damit hervorragend zusammen.“ Die Uni Heidelberg teilt auf Anfrage mit, dass derzeit noch keine Kooperation mit der Hochschule Odessa bestehe. Man sehe Entwicklungspotenzial, verbunden mit der Hoffnung, dass sich diese Zusammenarbeit in Zeiten des Friedens entwickeln kann.
Eingeladen zum Festakt im Rathaus waren auch Mitglieder des gemeinnützigen Vereins Leleka. Der 2022 gegründete Verein setzt sich für die Bedürfnisse von Ukrainer:innen in Heidelberg ein. Yevgenii Gryshaiev engagiert sich bei Leleka, er stammt selbst aus Odessa. Er hofft, dass die Partnerschaft für mehr Sichtbarkeit sorgt, äußert aber auch Kritik: „Die Stadt sollte mehr auf die Erfahrungen der aktiven ukrainischen Zivilgesellschaft in Heidelberg zurückgreifen – wir sind bereit.“
Für einige der Vereinsmitglieder sei die Partnerschaft auch mit Wehmut verbunden. Denn offiziell hat Heidelberg mit der ukrainischen Stadt Simferopol auf der Krim noch eine andere. Seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel 2014 besteht kein offizieller Kontakt mehr zu den Menschen in Simferopol. „Diese Realität tut weh und sie zeigt uns, wie wichtig echte Zeichen und konkrete Taten der Solidarität sind“, betont Gryshaiev nachdrücklich. Wie der ruprecht 2022 berichtete, betitelt Heidelberg auf ihrer Website Simferopol vorsichtig als „Stadt auf der Krim“. Christian Beister betont jedoch: „Der Stadt Heidelberg ist es wichtig, den Kontakt zu den Menschen in Simferopol möglichst nicht ganz abreißen zu lassen und mit Hilfsprogrammen insbesondere auch Geflüchtete aus Simferopol zu unterstützen“. Auch in der Partnerschaft mit Odessa sehe man eine Chance, Kontakt zu Simferopol zu halten.
Bei Leleka hofft man auf mehr konkrete Hilfe für die Bürger:innen Odessas und eine nachhaltige, nicht nur symbolische Kooperation. Gryshaiev ist sich sicher: „Heidelberg hätte hier die Chance, ein starkes Beispiel für echte Partnerschaft und Bürgernähe zu setzen.“
Von Marei Karlitschek, Till Siegert und Laetitia Klein
...studiert Politikwissenschaft und Geschichte. Sie ist seit April 2024 beim ruprecht und schreibt für alle Ressorts, die sie in die Finger kriegt.
...studiert Politikwissenschaften und Philosophie. Er interessiert sich für Politische Theorie und schreibt am liebsten für das Feuilleton.
...illustriert und schreibt für den ruprecht und bildet die anderen 50% der Bildredaktions-Doppelspitze.










