Zwischen Kita und Klausurenphase.
Das Studium kann so schon stressig genug sein – wie ist es erst, wenn man parallel noch ein Kind versorgen muss? Deutschlandweit haben etwa acht Prozent der Studierenden ein oder mehrere Kinder.
Julia ist eine von ihnen. Sie studiert Versorgungsforschung und Implementierungswissenschaften im Gesundheitswesen im Master. Vor vier Jahren wurde sie, trotz Hormonspirale, schwanger. Seither steht sie als Alleinerziehende vor großen Herausforderungen. Betreuung und Finanzierung ihrer Tochter Eva sind schwierig, besonders in den Wintermonaten, wenn die Kita oft schließt. Obwohl sie früher eine sehr gute Studentin gewesen sei, beiße sie sich mittlerweile nur noch durch. Ihr Alltag funktioniert nur mit viel Disziplin. „Ich bin mental gar nicht beim Studium.“ Da ihre Familie weit entfernt wohnt, ist sie auf sich selbst angewiesen.
Damit Studierende wie Julia den Spagat zwischen Studium und Kind nicht alleine bewältigen müssen, braucht es Unterstützung, auch von der Uni selbst. Eine Anlaufstelle an der Universität Heidelberg ist unter anderem Unify, die „Einheit für Familie, Vielfalt und Gleichstellung.“
Evelyn Kuttikattu ist dort Ansprechpartnerin für studierende Eltern. Sie berät bei der Studien- organisation, finanziellen Fragen und leitet die Studierenden an verantwortliche Stellen weiter. „Manche kommen beim ersten positiven Schwangerschaftstest, andere erst, wenn es Probleme gibt.“ Zum Beispiel, wenn eine Lehrperson sich weigert, eine Frist zu verlängern, obwohl gesetzlich ein Anspruch darauf besteht. Dann informiert Kuttikattu und versucht zu vermitteln, denn viele Lehrende sind sich dessen nicht bewusst. „Deshalb ist es gut, wenn man uns auch mit ins Boot holt.“ Auch über mögliche Nachteilsausgleiche, etwa bei der Kurseinschreibung oder der Prüfungsform, klärt sie auf.
Für Julia ist das entscheidend. Sie kann ihr Studium so organisieren, dass es mit der Kinderbetreuung vereinbar ist, und darf Eva sogar in Vorlesungen mitbringen – ein großer Vorteil. „Die Uni ist mein größter Unterstützungsfaktor“, sagt Julia. Als sie schwanger war, sprach ihre Modulkoordinatorin ihr Mut zu und setzte sich für einen Nachteilsausgleich ein. „Ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen“.
Kuttikattu betont, wie wichtig dabei die richtige Perspektive ist: „Ein Ausgleich von Nachteilen für studierende Eltern bedeutet nicht, dass sie bessergestellt werden. Es wird nur ihre besondere Lage berücksichtigt.“
Wie gut das funktioniert, sei stark vom Studiengang abhängig. In einigen Fachbereichen sei das Bewusstsein für solch eine Situation ausgeprägter als in anderen.
Für eine echte Entlastung braucht es laut Kuttikattu jedoch strukturelle Veränderungen, wie etwa weniger Präsenzpflicht, mehr Online-Angebote und individuelle Lösungen. „Ein Studium muss aber kein schlechter Zeitpunkt sein, um ein Kind zu bekommen. Es bringt auch viele Freiheiten mit sich.“
Von dieser Flexibilität im Studium profitiert auch Anouk. Die 28-jährige studiert Germanistik und Philosophie im Master, ihr Sohn Juno ist sieben Jahre alt. „Mein Alltag ist echt super entspannt“, sagt sie. Sie jobbt neben dem Studium, engagiert sich ehrenamtlich und erhält Bafög und Wohngeld. Dadurch ist sie finanziell gut aufgestellt.
Anders als Julia teilt sie sich das Sorgerecht mit Junos Vater. Eine Woche kümmert sie sich um Juno, die folgende Woche er. Das schafft ihr Freiräume, die alleinerziehende Studierende nicht haben. Der sich dadurch abwechselnde Alltagsrhythmus beeinflusst, wie effektiv sie lernt: „Wenn Juno bei mir ist, bin ich deutlich leistungsschwächer,“ erzählt sie. Wer sich wann um Juno kümmert, planen seine Eltern schon Monate im Voraus. Dass Anouk in einer 5er-WG wohnt, erleichtert vieles, weil so auch mal eine:r ihrer Mitbewohner:innen kurz nach Juno sehen kann. Probleme gibt es selten und „ein Kind in der WG hat einen besonderen Charme“, Afindet sie.
Ein gutes Zusammenwirken von eigenem sozialem Umfeld, institutioneller Unterstützung und gesetzlichen Regelungen ist entscheidend, damit das Studium für Eltern bewältigbar ist und ihre Kinder erfüllt aufwachsen können. Und das sollte doch für alle möglich sein, oder nicht?
Von Solveig Harder und Pauline Zürbes
...studiert Mathematik im Bachelor und schreibt seit Mai 2023 für den ruprecht. Sie widmet sich besonders gerne gesellschaftlichen Themen, die für Studierende relevant sind.