Befristete Verträge und prekäre Arbeitsbedingungen: Studentische Hilfskräfte streiken am Hochschulaktionstag
Es wird gestreikt. Nicht nur an den Bahnhöfen, sondern nun auch an deutschen Hochschulen. Denn am 20.11.2023 rief ein Bündnis aus Gewerkschaften, Initiativen und Studierendenvertretungen zum bundesweiten „Hochschulaktionstag“ auf. Zu diesem fanden in über 80 Städten deutschlandweit Kundgebungen statt, um die Arbeitssituation von wissenschaftlichen Hilfskräften und Angestellten der Universität zu verbessern. Hiwis sind Studierende, die parallel zu ihrem Studium an der Uni beschäftigt sind, beispielsweise Tutor:innen.
Auch in Heidelberg wurden zwei Veranstaltungen organisiert, ein Vortrag zu den Arbeitsbedingungen von Doktorand:innen und Postdoktorand:innen und eine Kundgebung vor der Mensa im Neuenheimer Feld. Bei letzterer fanden sich am Montagmorgen mehr als 300 Leute zusammen. Unter dem Motto „Schluss mit prekärer Wissenschaft“ machten sie ihren Unmut deutlich. Anlass für den Streik war die ergebnislose zweite Verhandlungsrunde zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder – abgekürzt TV-L – am 2. und 3. November, bei der auch ein bundesweit gültiger Tarifvertrag für die Hiwis zu den Forderungen der Arbeitnehmer gehörte. Versuche zur Tarifierung der Arbeitsbedingungen der Hiwis gibt es bereits seit mehreren Jahren, bisher meist erfolglos. Denn außer in Berlin sind studentische Hilfskräfte kein Teil des TV-L, was für sie zu weniger Planungssicherheit und einem niedrigeren Stundenlohn führt. Ebenso gehört ein Inflationsausgleich in Form von 10,5 Prozent mehr Lohn für alle Beschäftigten der Länder zu den Forderungen des Bündnisses. Studentische Hilfskräfte bekommen seit dem Sommersemester 2023 Mindestlohn, mit Bachelor-abschluss 0,87 Euro mehr.
Die Forderung nach einer Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes wird zudem ebenfalls lauter. 84 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen an Unis sind befristet angestellt – mit einer Durchschnittsdauer von drei Jahren. Eine Promotion dauert aber durchschnittlich sechs Jahre. Auch Hiwi-Verträge sind meist auf ein Semester befristet, obwohl rund die Hälfte der Hilfskräfte nach Vertragsablauf erneut angestellt werden. Die Initiator:innen sehen darin eine Umgehung des Kündigungsschutzes und prangern die mangelnde Planungssicherheit für Angestellte und Hilfskräfte an.
Doch nicht alle Hiwis sind unzufrieden. So sprach der ruprecht mit einem langjährigen Hiwi. Er wollte betonen, dass er mit seiner Anstellung an der Uni seiner Leidenschaft nachgehen könne, für die er auch noch bezahlt werde. Auch die kurzen Verträge seien für ihn kein Übel, sondern würden hohe Flexibilität ermöglichen und man könne für die langfristige Planung einfach beim vorgesetzten Professor nachfragen.
Ob der Aktionstag für die Mitarbeiter:innen an der Universität Früchte tragen wird, zeigt sich am 7. und 8. Dezember. Denn dann findet die dritte Tarifrunde statt, zu der Verdi für den 4. Dezember einen weiteren Warnstreik angekündigt hat. Man verspricht sich viel, Verdi hofft an Weihnachten auf einen „tollen Tarifabschluss als Weihnachtsgeschenk“.
Von Maximilian Hofmann und Pauline Zürbes
Till Gonser studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.