Dr. Roland Gromes von der Biologischen Fakultät der Uni Heidelberg spricht mit dem ruprecht über die Chancen der Grünen Gentechnik
Worin würden Sie die Hauptgründe darin sehen, dass seit 2012 praktisch überhaupt keine Freisetzung-Experimente mehr realisiert wurden?
Also einerseits gibt es definitiv eine Opposition gegen die Grüne Gentechnik. Was ich an dieser Stelle in Frage stellen würde, ist, ob diese wirklich in der Breite der Bevölkerung so verankert ist, in der Heftigkeit, in der sie gerne auch mal berichtet wird. Es gibt definitiv Interessenverbände, die strikt dagegen sind. Da ist Greenpeace ganz vorne dran. Da waren lange Zeit auch die Grünen als Partei relativ stark dahinter. Die jungen Grünen sind da inzwischen ein bisschen offener. Ansonsten ist es ganz klar so, dass Agrarpolitik in Europa und gerade auch in Deutschland das ist, was die meisten Leute eigentlich nicht interessiert. Es gibt schon den Trend, dass es möglichst natürlich sein soll, dass es nicht zu viel kosten soll, aber mehr möchte man eigentlich nicht drüber wissen.
Sehen Sie als Wissenschaftler, gerade was Biodiversität und Umwelt angeht, in GMOs, also genetisch modifizierte Organismen, für die Landwirtschaft Bedenken?
Ich sehe keine grundsätzlichen Bedenken durch GMOs. Die Datenlage gibt nicht her, dass GMOs schlimmer wären als der Rest der Landwirtschaft. Wo ich klare Bedenken sehe, ist in der Landwirtschaft selbst. Aufgrund von Flächenverbrauch, Pestizideinsatz und Düngereinsatz. Schlecht ist es, wenn Grüne Gentechnik auf eine Art und Weise eingesetzt wird, die eine biodiversitätsgefährdende Landwirtschaft weiter unterstützt. Zum Beispiel indem wir über Grüne Gentechnik bevorzugt mehr Futtermittel machen und den Fleischkonsum antreiben. Dann trägt es definitiv zum Rückgang der Biodiversität bei. Auf der anderen Seite, wenn ich Grüne Gentechnik einsetze, um Pflanzen trockenresistenter, hitzerresistenter, insektenresistenter zu machen, damit weniger Insektizide gebraucht werden, dann kann es umgekehrt auch einen positiven Effekt haben. Es hängt sehr davon ab, wie man es einsetzt.
Ein großer Faktor ist schlicht und einfach auch die Produktivität. Je mehr Land wir brauchen, desto weniger Biodiversität. Wenn der Biolandbau weniger Pestizide einsetzt, aber 50% mehr Fläche braucht, dann ist es ein Biodiversitätsverlust. Knallhart. Da gibt’s auch genug Daten zu, weil auch ein Bioacker, im Vergleich zu unbewirtschaftetem Land, biologisch gesehen extrem verarmt ist.
Welche Vorteile könnte es bei Auflockerungen von den Gesetzgebungen in der Agrarpolitik geben, im Kontext von Grüner Gentechnik?
Man muss bei den gemeinten Gesetzen unterscheiden. Wir haben Gesetze für Nahrungsmittel, die die Nahrungsmittelsicherheit sichern sollen und die gelten für alle. Diese aufzulockern halte ich für keine gute Idee, weil wir einfach sehr hohe Standards in Europa haben. Zusätzlich aber gibt es Regeln für die Gentechnik. In Europa lassen wir einiges zum Import zu. Aktuell sind es 88 Linien. Angebaut wird allein in Spanien und Portugal. Die europäischen Länder haben die Möglichkeit den Anbau in ihrem Land zu verbieten. Wenn wir hier Lockerungen umsetzen würden, könnten wir klare Vorteile daraus ziehen. Höhere Erträge, teilweise auch einen geringeren Einsatz von Pestiziden und Herbiziden. Einige der Pflanzen, die wir anbauen, haben einen sehr hohen Herbizid-, Pestizid- oder Fungizideinsatz. Ein Klassiker ist Wein. Dieser hat den höchsten Einsatz an Pflanzenschutzmitteln von allen Pflanzen, gerade im Biolandbau wird teilweise auch noch Kupfersulfat verwendet, was ein Schwermetall ist und die Böden dauerhaft belastet. Da gäbe es definitiv Möglichkeiten, Dinge besser zu machen. Eine höhere Produktivität wäre auch ganz klar erreichbar. Man bräuchte kleinere Flächen zum Anbau und dies gäbe uns die Möglichkeit diverser Pflanzen anzubauen. Was glaube ich der größte Vorteil wäre; wir könnten in Europa, mit eigens gentechnisch veränderten Pflanzen, natürlich auch viel mehr Einfluss darauf ausüben, welche Eigenschaften wir haben wollen. Man könnte sagen “Ne, Glyphosat ist nicht unser primäres Interesse, aber die trockenheitsresistente oder die vitaminreiche Tomate ist das, was wir hier auf dem Markt wirklich wollen”. Diesen Einfluss geben wir im Moment komplett auf, indem wir nur einkaufen, was in den USA produziert wird. Über die letzten zwanzig Jahre hat sich hier eine Abhängigkeit entwickelt, von relativ wenigen großen Firmen, die den Markt weitgehend dominieren.
Was müsste passieren, damit sich an der Gesetzeslage etwas verändert? Wen sehen sie hier in der Verantwortung?
Eine Sache, die momentan schon auf dem Weg ist, ist Genediting. Hier gibt es Modifikationen, die sind wissenschaftlich nicht zu unterscheiden von natürlichen Mutationen. Und da gibt es tatsächlich relativ starke Bestrebungen auch in der EU zu sagen, dass sie genauso reguliert werden sollen wie klassische Züchtung. Das ist tatsächlich auch das, was von wissenschaftlicher Seite angestoßen wurde. Bei der Thematik hängt viel aber auch mit dem Bauchgefühl zusammen. Hier müsste man wahrscheinlich wirklich Werbung und Lobbyarbeit machen und auch die Vorteile stärker herausstellen. Das könnte sicher die Landwirtschaft, weil die politischen Einfluss haben und auch eine gewisse Breite. Die Frage ist aber, wer sich dann da hin stellt. Wir haben eine starke Biolandwirtschaft in Europa, die strikt gegen Gentechnik ist, weil sie Verunreinigungen fürchtet und dann das Biolabel eventuell gefährdet sieht. Die Landwirte, die in der Tierzucht die ganze Zeit schon Gentechnik verfüttern, wollen eigentlich auch möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Um das Thema nun abzuschließen, welche Zukunftsaussicht haben Sie für die Entwicklung der Grünen Gentechnik global?
Weltweit ist Grüne Gentechnik etabliert und im Moment passiert ein starker Shift, gerade durch CRISPR-Cas, eine Technik, die zugänglich wird für Länder, die bisher in der Entwicklung der Landwirtschaft keine große Rolle gespielt haben. In China ist Grüne Gentechnik stark im Kommen, aber zum Beispiel auch in einigen afrikanischen Ländern. Es gibt ein zunehmendes Interesse, eigene Lösungen für ihre Ernährung zu suchen. In Australien hat man die erste Linie an pilzresistenten Bananen in der Hinterhand. Es ist ein realistisches Szenario, dass die Banane weltweit durch den Pilz TR4 ausgerottet wird. Dann ist der Bananenanbau weg und man muss sich klar machen, dass es für viele tropische Länder auch eine wichtige Einnahmequelle ist. Sowas vorzubeugen hat einfach ein enormes Potential. Wir sehen also eine gewisse Demokratisierung durch diese Technologie. In 20 Jahren wird es keine Dominanz der USA mehr geben. Auch in Europa wird wieder mehr diskutiert. Es gibt also ein gewisses Potential. Die Entwicklung der europäischen Politik genau abzuschätzen ist jedoch sehr schwer.
Das Gespräch führte Elena Lagodny
...studiert Biowissenschaften, schreibt seit WS 2023 für den Ruprecht und nutzt Interviews als Grund um mit interessanten Leuten zu reden