Hasskampagnen prägten die Wahlen von New York bis Amsterdam. Zwei Hoffnungsträger kamen dagegen an
Kommentar:
Am 4. November 2025 versammeln sich im Brooklyn Paramount Theater Unterstützende der Demokratischen Partei. Sie warten auf die Ergebnisse der Bürgermeisterwahl in New York City. Gegen 21:30 Uhr kommt die Nachricht: Zohran Mamdani, demokratischer Sozialist, wird als Sieger prognostiziert. „New York wird eine Stadt der Migranten bleiben – und ab heute Abend von einem Migranten geleitet“, sagt er in seiner Siegesrede.Weniger als eine Woche vorher blickt man auch in den Niederlanden erleichtert auf die Ergebnisse der vorgezogenen Neuwahlen: Die sozialliberale D66 gewinnt knapp, mit nur 0,2 Prozent Vorsprung, vor der rechten PVV von Geert Wilders, die 2023 noch einen Erdrutschsieg erzielte. Beide Wahlen stehen exemplarisch für politische Dynamiken, die auch für Deutschland relevant werden könnten, z.B. mit Blick auf die kommenden Landtagswahlen.
Mamdani musste sich im Wahlkampf einer massiven Desinformationskampagne stellen. Allein auf der Plattform „X“ kursierten zehntausende islamfeindliche Beiträge gegen ihn. In den Niederlanden fällt Wilders schon lange mit antimuslimischer Rhetorik auf. Nachdem er vor Jahren den Koran mit Hitlers „Mein Kampf“ verglich, ließ er diesmal Plakate aufhängen, die an NS-Propaganda-Karikaturen erinnern und vor einer angeblich ideologischen „Islamisierung“ warnen.
Die Behauptungen beider Gruppierungen basieren auf keinerlei wissenschaftlicher Grundlage, es geht mehr um Hetzkampagne als inhaltlichen Wahlkampf. Aber es scheint zu funktionieren. Zwar verlieren sie die Wahlen, doch insgesamt schneiden Andrew Cuomo und die PVV relativ gut ab. Probleme auf „die Anderen“ zu schieben, einen Sündenbock zu haben, der für all die komplexen Probleme hinhält – das ist so simpel wie ansprechend. Zurück nach New York: Mamdanis Wahlkampf wurde besonders von jungen Menschen getragen. Slogans wie „Hot Girls 4 Zohran“ ziehen besonders junge Wähler:innen an – in der Altersgruppe unter 30 holte er 75 Prozent. In seinem Wahlkampf ging er raus auf die Straße, tauchte in Internet-Formaten auf und tat vor allem Eines: Er sprach mit den Menschen und hörte ihnen zu um dann konkrete Lösungen für alltägliche Probleme wie Transportkosten, Wohnraum und Lebensmittelpreise anzubieten.
Dass ein muslimischer Kandidat in den USA überhaupt so erfolgreich sein kann, markiert einen kulturellen Wandel. Vor zwanzig Jahren, nach den 9/11-Attentaten, war antimuslimische Gewalt in NY alltäglich. Noch heute betiteln Kritiker:innen Mamdani im Wahlkampf als „Jihadisten“ und fordern seine Abschiebung. Doch für die Generation, die im Post-9/11-NY aufgewachsen ist, verfängt diese Rhetorik kaum noch. Sie erleben die muslimische Nachbarschaft als Teil ihrer Stadt – und werden zugleich Zeug:innen staatlicher Gewalt durch die Massenabschiebungen der Trump-Regierung. Muslime lassen sich in New York nicht mehr als fremde Bedrohung inszenieren.
Dass Mamdanis Themen nicht nur auf New York beschränkt sind, zeigt der Wahlkampf in den Niederlanden. Die D66 punktet bei denselben Fragen, während Wilders PVV sich auf ganz andere Dinge, wie den angeblichen „Kulturkrieg“ in den Städten fokussiert. Nicht zu unterschätzen ist auch ein charismatischer Kandidat: Rob Jetten wird seit der Wahl als der „Obama der Niederlande“ gehandelt, vor allem durch sein optimistisches Auftreten und den Willen, Hand anzulegen. Dennoch ist der Trend zur gezielten Diffamierung einzelner Gruppen nicht zu verkennen. Diese Strategien funktionieren bei jüngeren Niederländer:innen, denn eine deutliche Mehrheit hat die PVV gewählt. Beide Wahlen zeigen, wie sich neue Horizonte jenseits von politischer Spaltung und Hassrhetorik bilden können. Desinformations-Kampagnen sind dennoch nicht zu unterschätzen: Feindbilder füllen das Vakuum ungelöster Probleme und versperren den Blick auf die Themen, die junge Menschen wirklich betreffen. Auch in Deutschland kann man daraus lernen. Nicht nur die AfD wirbt offen mit antimuslimischen und menschenverachtenden Inhalten, während sie bei jungen Wähler:innen beliebter wird; generell kippt die deutsche Politik nach rechts. Doch die Antwort sollte aus einem klaren und inhaltlichen Wahlkampf bestehen. Mamdani und die D66 zeigen, wie man gegen solche Tendenzen ankommen kann.
Von Mauricio Cabanillas und Pauline Ammon
...studiert Musikwissenschaften und Anglistik im Bachelor und leitet seit dem WiSe 25/26 das Ressort "Weltweit". Am liebsten schreibt sie über politisch und kulturell relevante Themen. Vor allem aber freut sie sich über jede Möglichkeit, spannende Dinge zu recherchieren.
...studiert Physik im Bachelor und schreibt seit Ende 2023 für den ruprecht. Sie interessiert sich besonders für Wissenschaftskommunikation und Berichte aus Musik, Film und Fernsehen.






