In den Mülleimer, aus dem Sinn: Viele denken nicht darüber nach, was mit ihrem Abfall passiert, nachdem sie ihn weggeworfen haben. Nouri und Oliver schon. Sie kümmern sich darum, dass Heidelberg sauber bleibt. Eigentlich sind sie zu dritt, doch pro Schicht sind immer zwei Saubermänner unterwegs. Mit guter Laune und einer Handhupe bewaffnet leeren sie die Mülleimer und kehren die Straßen der Altstadt.
Wer seid ihr?
Nouri: Ich bin der Nouri. Ich komme aus Algerien, ich bin seit 34 Jahren in Deutschland und ich arbeite bei der Stadtreinigung der Stadt Heidelberg.
Oliver: Hallo, ich bin Oliver. Ich bin in Heidelberg geboren und ich arbeite seit 2008 bei der Stadt Heidelberg.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag für euch aus?
Nouri: Der typische Arbeitstag bei uns ist eine Routine. Jeden Tag derselbe Ablauf. Wenn schlechtes Wetter ist, haben wir weniger zu tun, aber an einem warmen Tag wie heute ist viel, viel mehr zu tun. Die Leute sind draußen, kaufen Eis, Getränke und dann haben wir mehr Arbeit. Deswegen kann man auf jeden Fall nicht sagen, dass jeder Tag gleich ist.
Ihr habt immer eure eigene Handhupe dabei und seid für eure gute Laune bekannt. Warum benutzt ihr die und nicht einfach eine normale Autohupe?
Nouri: Die Hupe ist dazu da, dass die Leute auf der Hauptstraße aus dem Weg gehen. Wir haben ein Elektroauto und weil das so leise fährt, hören die Leute uns nicht. Und mit dem Auto zu hupen ist einfach schrecklich, dann denken alle, wir sind die Feuerwehr. Aber es freut sich auch jeder auf die Hupe. Die Leute sitzen in der Kneipe oder im Restaurant und wir sind beschäftigt und konzentriert bei der Arbeit und plötzlich fragt uns jemand: Wo ist die Hupe, wo ist die Hupe?
Dass ihr bei euren Schichten gute Laune verbreitet, ist das etwas, das ihr bewusst macht oder habt ihr einfach Spaß an der Arbeit?
Nouri: Zu 100 Prozent haben wir Spaß an der Arbeit. Die Leute auf der Straße kommen zu uns und sagen: „Ohne euch geht gar nichts in der Altstadt.“ Manchmal kommen auch Touristen und sagen, dass sie uns im Fernsehen gesehen haben und wollen ein Foto machen.
Und was macht die Arbeit manchmal stressig?
Nouri: Wir haben nie Stress und wir sind nie gestresst. Wir sind nämlich freundlich und nett. Deswegen haben wir null Komma null Probleme.
Ihr seid heute nur zu zweit, Süla ist nicht da. Wie teilt ihr euch die Schichten auf?
Nouri: Man arbeitet vier Tage hintereinander und hat dann zwei Tage frei. Es hat immer einer frei, wenn die anderen beiden arbeiten. Ich glaube, übermorgen habe ich wieder frei. Ich bin sehr vergesslich, weil ich 35 Jahre Boxen gemacht habe, da habe ich viele Schläge abbekommen und mein Gehirn wurde hin und her geschüttelt (lacht). (Zu Oliver) Deswegen habe ich meinen Sekretär dabei, er behält immer den Überblick! Aus dem SWR-Bericht bin ich auch bekannt als der Unterhalter, weil ich gerne mit den Leuten rede. Oliver ist der Ruhige. Du musst ihn ansprechen und mit der Nadel piksen, damit er was sagt.
Wie kam es bei euch beiden dazu, dass ihr bei der Stadtreinigung angefangen habt?
Nouri: Ich bin der Letzte von uns dreien, der Kollege Süla ist seit 18 Jahren dabei, Olli seit 14 Jahren und ich seit drei Jahren.
Oliver: Ich habe mit einem Ein-Euro-Job angefangen damals, habe dann einen Zeitvertrag bekommen und seit 2013 bin ich festangestellt.
Nouri: Der hat das ausgehalten. Als ich noch nicht im Team war, mussten die beiden fünf Tage am Stück durcharbeiten, das ist nicht leicht bei diesem Job. Unsere normalen Schichten gehen von zehn bis 18 Uhr. Wenn viel los ist und wir noch Lust haben, machen wir auch manchmal Überstunden. Und natürlich, wenn viel Dreck ist, bleiben wir. Wir sagen nie nein.
Die meisten erkennen euer Auto an dem deutschen Fähnchen. Süla hat auch einen Deutschlandhut. Warum?
Nouri: Das kommt alles vom Süla. Er ist Deutscher, aber gefärbt! Weil er seit 18 Jahren schon hier arbeitet, kennen ihn auch alle Leute. Aber es gibt ein Problem: Ich habe ihn überholt! Mittlerweile kennen sie mich auch.
Nouri, du sprichst auch viele Sprachen. Wie viele sind es mittlerweile?
Nouri: Fast sieben: Arabisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Russisch, Polnisch und natürlich Deutsch. Ich versuche auch ein bisschen Hebräisch zu lernen und ein paar Wörter auf Türkisch kann ich auch. Ich liebe Sprachen und es macht einfach Spaß, mit Menschen zu reden. Ich habe auch gemerkt, dass das praktisch bei Touristen ist, wenn die Fragen haben, kann ich meistens ein paar Worte mit ihnen sprechen.
Jetzt steht bald die Fußball-EM der Männer an. Merkt man da einen Unterschied bei der Arbeit?
Nouri: Zu 100 Prozent. Viele Leute sind draußen unterwegs, nach dem Fußball trinken die Fans auch noch und auf der Straße liegen dann einfach zu viele Glasscherben von Bier- oder Weinflaschen. Dann haben wir viel zu tun, aber wie immer ist das kein Problem. Mit guter Laune geht das.
Bereitet ihr euch besonders für die EM vor?
Nouri: Heidelberger Herbst und Fasching sind das Schlimmste, die EM ist da harmlos. Bei großen Events haben wir aber auch Unterstützung mit Kehrmaschinen, vor allem beim Faschingszug in der Hauptstraße. Allein schaffen wir das nicht, so viele Scherben ohne Ende. Das ist wirklich unglaublich. Und natürlich besteht die Straßenreinigung nicht nur aus uns Dreien. Wir sind insgesamt 51. Die Kollegen machen auch viel Arbeit, mehr in der Früh, und dann machen wir nachmittags den Rest.
Für welche Heidelberger Stadtteile seid ihr zuständig?
Nouri: Die komplette Altstadt, die andere Seite von der Brücke, Stadtgarten, Adenauerplatz und zum Schluss am Bahnhof. Das ist alles Routine, jeden Tag derselbe Ablauf. Heidelberg ist generell eine saubere Stadt, in Mannheim, wo ich wohne, gibt es viel mehr Müll. Ich bin stolz auf das, was ich mache, weil ich meine Arbeit auch sehr korrekt mache und Sauberkeit liebe. Es gibt nichts Besseres. In Mannheim ist zu viel Dreck und zu viel Müll.
Der SWR hat letztes Jahr eine Doku über euch gedreht, die euch als Heidelbergs glückliche Saubermänner berühmt gemacht hat. Wie kam es zu dieser Doku?
Nouri: Eine Frau hat mich angesprochen, weil ihr die Hupe gefallen hat. Sie hat dann nach meinem Kontakt gefragt und ich habe gefragt, warum. Sie hat gesagt, dass sie Leute vom SWR kennt und die einen Bericht über uns machen wollen. Das mussten die dann erst mit unserem Chef abklären, ohne sein Einverständnis geht nichts. Der SWR hat uns dann eingeladen nach Stuttgart. Für die Doku haben wir auch einen Fernsehpreis gewonnen, dafür sind wir alle drei für einen Tag nach Bremen gefahren mit Hotel und Übernachtung. Da waren wir auch auf dem roten Teppich und haben uns schick gemacht! Das war eine große Ehre.
Hat eure Bekanntheit dazu beigetragen, dass sich auch mehr junge Leute für den Job bei der Stadtreinigung interessieren und den Beruf lernen wollen?
Nouri: Ich glaube schon, viele Leute haben gefragt, ob man sich bei uns bewerben kann.
Braucht man dafür eine Ausbildung?
Nouri: Nein, nein. Ich bin gelernter Schreinermeister, dafür braucht man eine Ausbildung. Das ist Müll, da lernst du in einer Woche die Straßen kennen, das ist wichtiger.
Was sollte mehr Menschen beschäftigen?
Oliver: Gute Frage. Weniger auf den Boden schmeißen.
Nouri: Mehr Rücksicht nehmen. Dass die Leute Müll machen, ist kein Problem, dafür sind wir ja da. Die Leute essen Eis, trinken und essen; das ist normal. Aber es ist wichtig, den Müll auch in die Mülleimer zu schmeißen. Uns motiviert es weiterzumachen, wenn uns Leute nur ein Wort sagen: Danke.
Frage aus der Leser:innenschaft:
Habt ihr eine Spotify-Playlist erstellt für die Arbeit?
Nouri: Ja klar, Musik macht gute Laune! Bei mir läuft immer Bachata, Merengue und Salsa. Aber ich sage immer: Erst Arbeit, und dann kommt der Spaß. Das ist sehr wichtig.
Das Gespräch führte Ayeneh Ebtehaj
Ayeneh Ebtehaj studiert Politikwissenschaft und Anglistik. Sie schreibt seit April 2023 für den ruprecht, am liebsten über Politik, Kultur und Themen, die Studis betreffen. Seit November 2023 leitet sie das Ressort Studentisches Leben.
Till Gonser studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.