Nach dem Terroranschlag der Hamas herrscht in Israel und Gaza Krieg: Wie die betroffenen Gemeinden in Heidelberg damit umgehen
„Wir stehen zusammen für den Frieden“ – so heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme des Interreli- giösen Dialogs Heidelberg. Anlässlich der jüngsten kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas haben die religiösen Einrichtungen in der Stadt sich zusammengetan: Sie appellieren gemeinsam dafür, dass wir in diesen Zeiten zusammenstehen sollten, um ein Zeichen gegen Hass zu setzen.
Das Projekt besteht bereits seit 2008 und wird seit diesem September von Bürgermeisterin Stefanie Jansen geleitet. Vertreten sind die Evangelische und die Katholische Kirche, die Jüdische Kultusgemeinde, die DITIB Heidelberg Yavuz Sultan Selim Moschee und die Bahá’i-Gemeinde. Gemeinsam verpflichten sie sich für die Stärkung des Friedens in Heidelberg und rufen die Menschen in der Stadt dazu auf, daran aktiv teilzuhaben.
„Wir verurteilen jeden Missbrauch von Religion zur Anstiftung oder Legitimierung von Terror und Gewalt“, heißt es in der Pressemitteilung der Vertreter:innen. Außerdem schreibt die Stadt Heidelberg: „Der Interreligiöse Dialog in Heidelberg beruht auf der gegenseitigen Wertschätzung der beteiligten Glaubensgemeinschaften. Er hat das Ziel, durch gemeinsame Anstrengungen der Religionen in einer pluralistischen Gesellschaft den Zusammenhalt zu verbessern.“
Doch wie genau sieht der Interreligiöse Dialog in der Umsetzung aus? „Das Plenum des Interreligiösen Dialogs trifft sich viermal im Jahr. Im Mittelpunkt stehen die Begegnung und der Austausch“, erklärt Pressesprecherin Christina Euler. „In vier Arbeitsgruppen, die sich ebenfalls mehrmals im Jahr treffen, wird der Dialog konkretisiert und es werden zahlreiche Projekte und Formate entwickelt, um den Austausch für alle Gemeindemitglieder lebendig zu machen.“ Was dabei herauskommt, seien unter anderem der gemeinsame Besuch von Festen und Gottesdiensten und regelmäßige interreligiöse Angebote für Kinder und Jugendliche.
Um die Stimmen der Betroffenen nicht zu kurz kommen zu lassen, hat der ruprecht außerdem stellvertretend bei religiösen Gemeinden und Bildungseinrichtungen in Heidelberg nachgefragt, wie sie aktuell mit der erneuten Eskalation des Nahostkonfliktes umgehen. An dieser Stelle muss betont werden, dass Religion allein den Krieg nicht erklären kann. Dennoch ist es gerade die Zivilbevölkerung mit jüdischem und mit muslimischem Hintergrund, die von den Kämpfen unmittelbar betroffen ist.
Die Jüdische Kultusgemeinde Heidelberg spricht sich deutlich für eine Verurteilung des Terrorangriffs der Hamas auf Israel aus. „Unsere Mitglieder sind zutiefst beunruhigt über die Lage dort und die Lage hier. Sie haben auch viele Verwandte und Freunde in Israel. Der Schock sitzt immer noch tief.“ Auch die Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg erzählt uns, dass alle an der Hochschule eine Verbundenheit mit den Opfern dieses Krieges verspüren. „Natürlich bestimmen die momentanen Ereignisse maßgebend den Alltag der Studierenden und Lehrkräfte.“ Die Studierenden organisieren untereinander „Safe Spaces“ für gegenseitige emotionale Unterstützung. Als Nahostexperte agiert unter anderem Johannes Becke. Dieser versucht den Anschlag, dessen Gründe und seine Konsequenzen näher zu beleuchten. „Wir versuchen, die Ereignisse wissenschaftlich und emotional zu be- und verarbeiten“, so die Hochschule.
Auch die Muslimische Akademie Heidelberg setzt auf eine gemeinsame Aufarbeitung der Ereignisse. „Jüdische Menschen berichten uns, dass sie Angst haben vor antisemitischen Übergriffen. Muslimische Menschen berichten uns von antimuslimischen Anfeindungen und Hass in ihrem Alltag“, erzählt das Presseteam. „Für uns als politische Bildner:innen heißt das vor allem, dass wir mit Bildungs- und Sensibilisierungsarbeit weiterhin Antisemitismus, Rassismus sowie jeder Form von Menschenfeindlichkeit etwas entgegensetzen.“ Man müsse gerade jetzt zusammenstehen, sich gegen die Abwertung bestimmter Gruppen sowie gegen Terror positionieren – und dabei gleichzeitig verhindern, dass dieser instrumentalisiert wird, um noch mehr Hass zu verbreiten.
Von Ayeneh Ebtehaj
Ayeneh Ebtehaj studiert Politikwissenschaft und Anglistik. Sie schreibt seit April 2023 für den ruprecht, am liebsten über Politik, Kultur und Themen, die Studis betreffen. Seit November 2023 leitet sie das Ressort Studentisches Leben.