Aufmerksamkeit ist für Alena Trauschel kein Neuland mehr, aber so ganz daran gewöhnt hat sie sich noch nicht. „Natürlich habe ich jetzt schon öfter Fotos gemacht“, sagt Trauschel. „Aber manchmal ist es immer noch ein bisschen komisch.“ Zum Gespräch treffen wir uns am Campus Bergheim, wo sie seit 2019 Politikwissenschaft und VWL studiert. Hier ist sie normalerweise Studentin und bekommt nicht so viel Aufmerksamkeit.
Allerdings ist ihr Studium mittlerweile mehr zum Nebenjob geworden: Bei den Landtagswahlen 2021 gewann sie überraschend ein Mandat und zog für die FDP in den Landtag von Baden-Württemberg ein. Bisher konnten die Liberalen in ihrem Wahlkreis Ettlingen, nahe Karlsruhe, noch nie ein Mandat bejubeln. Seitdem pendelt sie zwischen Stuttgart, Ettlingen und Heidelberg.
In der Politik dreht sich für Trauschel seit jeher fast alles um Bildung. Die ersten Berührungspunkte mit der Politik hatte sie als Schülersprecherin. Die Themen Bildung und Digitalisierung brachten sie zur FDP. Und im Landtag ist sie nun unter anderem Sprecherin für berufliche Bildung. Den richtigen Startschuss für ihren Weg in die Politik gab eine Rede von Christian Lindner. „Er hat über Digitalisierung in der Bildung und Freiheit gesprochen. Ich fühlte mich da einfach verstanden“, erzählt Trauschel.
Nachdem sie alle Parteiprogramme intensiv studiert hatte, entschied sie sich zwischen der CDU und FDP. „Die CDU war mir aber deutlich zu konservativ. Die FDP hat ein Menschenbild, das in das 21. Jahrhundert passt.“ Ihren Weg durch die Institutionen der FDP vollzog sie dann in Höchstgeschwindigkeit: Ende 2018 Vorsitzende der Jungen Liberalen im Kreis Karlsruhe Land, im Frühjahr 2019 dann Landesvorstand, bevor im selben Jahr noch ein Platz im Bundesvorstand folgte.
Zu einer Kandidatur für den Landtag entschied sie sich auch aus Frust. „Ich habe auf kommunaler Ebene viel Energie in das Thema Bildung gesteckt, es hat sich aber nichts verändert. Da dachte ich, dass sich in Stuttgart etwas verändern muss.“ Als junge Person, deren Schulzeit noch nicht so lange zurückliegt, versucht sie, die Veränderungen in den Schulen anzustoßen. „Mir persönlich sind natürlich immer noch die Schultoiletten und die mangelnde digitale Ausstattung in Erinnerung geblieben.“
Aber vor allem die Aufwertung der beruflichen Bildung ist für sie eine Herzensangelegenheit – auch aus persönlichen Beweggründen. „Meine Brüder haben beide Abitur, im Anschluss eine Ausbildung gemacht und sind sehr glücklich damit.“ Sie kritisiert, dass es heutzutage fast schon zum Standard geworden ist, mit Abitur automatisch zu studieren.
In Plenardebatten hört sich das dann so an: „Wenn wir über Studienabbrecherzahlen in Deutschland reden, haben wir durch fehlgeleitete OECD-Studien ohne jedes Verständnis für unser hervorragendes duales Ausbildungssystem, kombiniert mit linken Gleichheitsvorstellungen, einen wahren Akademisierungswahn erlebt.“ Die für Politiker:innen übliche Zugespitzheit sitzt also schon einmal.
Durch das Landtagsmandat ist Trauschels Studium immer weiter in den Hintergrund gerückt. Bis zu 60 Stunden arbeitet sie pro Woche. Allerdings will sie ihr Studium unbedingt beenden. „Meine Fraktion hat beschlossen, dass ich auf jeden Fall mein Studium beenden soll.“ Dieses Semester muss sie insgesamt sieben Referate halten. „Ich war während Corona ein bisschen nachlässig und muss jetzt aufholen“, lacht Trauschel. Ein Vollzeitjob und nebenher studieren. Wie kann das funktionieren?
„Ich bin mein eigener Chef und kann mir abseits von festen Plenartagen meine Termine größtenteils frei legen. Außerdem hat meine Fraktion auch Verständnis, wenn ich mich mal online zuschalte.“ Aber natürlich sei das alles „herausfordernd“.
Besonders an die Rolle als Chefin muss sie sich teilweise noch gewöhnen. Ihre Büromitarbeiter:innen seien alle älter als sie und teilweise selbst noch Studierende. Kennengelernt habe sie diese über das Ehrenamt innerhalb der Partei. „Mir war wichtig, ein Team zu haben, das noch nicht in eingefahrenen Strukturen denkt. Das hat alles ein bisschen Start-up-Charakter bei uns“, grinst Trauschel.
Ihr sei es wichtig, als Chefin viele Freiheiten zu gewähren. Homeoffice? Vertrauensarbeitszeit? Alles kein Problem, solange die Aufgaben am Ende der Woche erledigt sind. „Sie wissen, dass ich schlussendlich für alle Entscheidungen gerade stehen muss, und deswegen respektieren sie meine Entschlüsse auch.“
Innerhalb ihres Studiengangs wird Trauschel bisher nicht erkannt. Trotzdem hat das Mandat auch ihr Auftreten an der Universität verändert. „Ich überlege mittlerweile mehr, wie ich mich äußere, weil es sonst heißt, ‚Die Landtagsabgeordnete hat etwas Falsches gesagt‘. Obwohl ich ja eigentlich auch noch Studentin bin, wie alle anderen.“ Für Trauschel überwiegen aber vor allem die positiven Seiten des Mandats – es sei quasi ein „duales Studium“ innerhalb des Politikbetriebs. „Ich kann Theorie und Praxis perfekt vereinen.“
Joshua Sprenger studiert Politikwissenschaft und öffentliches Recht und schreibt seit dem Sommersemester 2021 für den ruprecht. Er interessiert sich vor allem für Politik, die unterschiedlichsten Sport-Themen und alles was unsere Gesellschaft gerade so umtreibt. Seit dem Wintersemester 2021/22 leitet er das Ressort Weltweit.