„Kaarl, Kaaarl! Leute! Es ist Karl!“ Noch im Halbschlaf wusste ich bereits, wer unser neuer Bundesgesundheitsminister werden würde. Meine kreischende Mitbewohnerin, die der WG die Neuigkeiten überbrachte, war dabei nur eine von vielen Lauterbach-Fans, die seine Nominierung begeistert und doch verblüfft hat.
Der Gesundheitsexperte galt in der Öffentlichkeit zwar schon früh als der ideale Kandidat für den Job – aber auch als derjenige, der es garantiert nicht werden würde. Ständig sprach man davon, wie unbeliebt er in der SPD sei, ein Außenseiter und Einzelgänger, nicht bereit sich der Parteidisziplin unterzuordnen. Diese vermeintliche Chancenlosigkeit und seine mahnende Omnipräsenz in den Talkshows machten ihn zum Meme, seine Person stand nun für eine größere Idee: In einer besseren Welt, in der Können und nicht Klüngel über Posten entscheiden, in der Wissenschaft und nicht Wahlkampfstrategie das Handeln lenken, würde er uns aus der Pandemie führen. Leider funktioniert Politik so nicht, und er bleibt der Held, den wir brauchen, aber nicht bekommen.
Aber irgendwie ist er es doch geworden. Wie surreal! Ein Glitch in der Matrix. Das Internet explodiert, überall herrscht diese besondere Stimmung, wie wenn der beliebte Underdog in der Nachspielzeit zwei Tore schießt und doch noch gewinnt. Es werden Witze darüber gemacht, dass Markus Lanz seinen treuen Sidekick verliert und die Quoten einbrechen werden. Dabei spürt man Hoffnung mitschwingen. Zum ersten Mal in der Pandemie scheint es, als würden Erwachsene die Verantwortung übernehmen. Keine Hilflosigkeit und keine Maskendeals mehr, keine fünfte, sechste, siebte Fortsetzung von „Jens allein zu Haus“, sondern endlich Profis, die bereit sind zu handeln und wissen was sie tun.
Bei alledem dürfen wir nicht vergessen, dass Karl Lauterbach nur ein Mensch ist. Die Erwartungen an sein Amt sind gigantisch, die an seine Person wohl noch größer: Er müsste uns allen die Boosterimpfung schon höchstpersönlich spritzen, um denen auch nur ansatzweise gerecht zu werden.
Philipp Rajwa hat einen Abschluss in Informatik und studiert jetzt irgendwas mit Sprachen. Seit dem Wintersemester 2020 schreibt und fotografiert er für den ruprecht, hauptsächlich über Digitales, Lokales und Popkultur. Übernimmt seit WS 21/22 die Co-Leitung des Feuilletons.