Herr Michelsburg. Vorgestern war Ihr 34. Geburtstag. Wie gestaltet sich dieser Tag mitten im Wahlkampf?
Auch an meinem Geburtstag war ich zehn Stunden lang unterwegs. Ab 8 Uhr morgens besuchte ich Stände in Handschuhsheim, Pfaffengrund und Kirchheim, war auf der Demonstration zur Solidarisierung mit den Frauen im Iran und beim Seniorenherbst auf dem Boxberg. Am Abend habe ich mit meiner Frau gefeiert.
In Heidelberg feiern? Wie wollen Sie die Altstadt wieder zum Leben erwecken?
Hier gibt es viel Handlungspotenzial! Das Angebot ist zu wenig und Clubs zu teuer. In der Altstadt müssen geschlossene Clubs wieder besetzt und die Betreiber unterstützt werden. Wenn Zieglers, Tangente und Nachtschicht wieder öffnen, ergibt sich ein ganz neues Bild.
In unserer Partnerstadt Montpellier werden Gebäude von Geschäften oder Betrieben, die schließen müssen, von der Stadt eingekauft. Die Stadt kann so entscheiden, ob das Gebäude wirklich an den zehnten Burgerladen oder doch den Club mit dem besten Konzept vergeben werden soll. Dieses Vorgehen könnte ich mir auch für Heidelberg vorstellen. Außerdem müssen wir Gebäude besser dämmen, dass nicht die ganze Straße wackelt, wenn Einer den Bass ein bisschen aufdreht.
Kurz und knapp, wie grenzen Sie sich von den anderen Kandidierenden ab?
Durch meine Arbeit im Gemeinderat und den Ausschüssen Bauen, Wohnen und Verkehr bin ich bereits tief in die Themen eingearbeitet. Ich habe realistische Ideen und weiß konkret, wie ich meine Ziele umsetzen möchte.
Welches konkrete Projekt konnten Sie in letzter Zeit umsetzten? Was bleibt Ihr Herzensprojekt?
Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ist für mich von großer Bedeutung! So konnten wir zum Beispiel im Juli im Gemeinderat erreichen, dass städtische Flächen nicht mehr verkauft, sondern nur noch im Erbbaurecht vergeben werden. Im Erbbaurecht wird der Grundstückspreis vom Mieter über 100 Jahre an die Stadt zurückgezahlt. So wird verhindert, dass Grundstücke als Spekulationsobjekte und nicht mehr als Wohnraum für Menschen dienen, wie es in der Bahnstadt teilweise der Fall war.
Am „Masterplan Neuenheimer Feld“, der im März 2022 nach fünf Jahren beschlossen wurde und sich mit der zukünftigen Gestaltung dieses Gebietes beschäftigt, habe ich intensiv mitgearbeitet. Neben dem Erhalt des fruchtbaren Bodens im Handschuhsheimer Feld war die Erschließung von neuem Wohnraum für Studierende ein wichtiges Thema.
Wie viele Wohnheime sollen konkret gebaut werden?
Im Neuenheimer Feld möchte ich in den nächsten acht Jahren 2 000 neue Wohnheimsplätze schaffen. Das ist realistisch umzusetzen, würde jedoch nicht die Wohnraumproblematik lösen. Als wichtig erachte ich daher, die Verkehrsanbindung an aktuell schwer erreichbare Gebiete wie Pfaffengrund, Wieblingen oder das PHV zu verbessern, um diese als Wohnort attraktiver zu machen. Konkret würde ich die genannten Gebiete gerne mit einer Seilbahn über dem Neckar mit dem Neuenheimer Feld verbinden. So wäre man ohne Umstieg in 15 Minuten an der Uni.
Wie war es für Sie, als Sie die Idee einer Seilbahn zum ersten Mal vorstellten?
Als ich den Vorschlag 2016 in den Gemeinderat einbrachte, wurde ich für verrückt erklärt. Heute wird ernsthaft darüber diskutiert. Auch der Geschäftsführer des VRN sieht eine Seilbahn als sehr realistisch an. Gerade im Westen, wo Naturschutzgebiet vorliegt, kann eine Straßenbahnbrücke laut aktuellen Schätzungen nicht durchgeführt werden. Eine Seilbahn hingegen ist aufgrund des geringeren Eingriffes möglich, halb so teuer (bei doppelter Kapazität) und sehr schnell zu bauen.
Sie arbeiten als Lehrer für Politik, Wirtschaft und evangelische Religion an einer Schule in Bad Rappenau. Wie kommen Sie selbst zur Arbeit?
Ich fahre mit dem Rad zum Bahnhof und dann weiter mit der Bahn. Meine Frau, die in Hoffenheim arbeitet fährt hingegen Auto, da der Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln doppelt so lange dauern würde. Wir müssen den ÖPNV so ausbauen, dass er gleichwertig ist!
Dahingehend haben Sie sich für das 3-Euro-Ticket eingesetzt. Dieses gilt seit September für Schüler:innen unter 21 Jahren oder sozialschwächere Familien. Studierende profitieren nicht davon.
Das ist richtig und in meinen Augen hätte es auch für Studierende bis 21 Jahren gelten sollen. Mein neues Ziel zur Unterstützung der Studierenden ist die Wiedereinführung des 9-Euro-Tickets. Dabei stellt sich die Frage, ob dann auch der Semesterbeitrag gekürzt werden könnte.
Ist Heidelberg fahrradfreundlich?
Heidelberg ist Fahrradstadt, aber nicht fahrradfreundlich. Wenn ich mit dem Lastenrad die Berliner Straße entlangfahre, fliegen Dinge durch die Gegend. Außerdem ist es wichtig, dass ein Radweg nicht einfach aufhört.
Im Gemeinderat haben wir ein „Lückenschluss Radwegenetz“ beschlossen, das bereits zu Teilen umgesetzt wurde. Es muss aber schneller umgesetzt werden. Konkret sprechen wir hier von der Bergheimer Straße, Berliner Straße, Rottmannstraße. Wie komme ich gefahrlos vom Feld in die Altstadt? Ich schlage vor, die Routen eindeutig zu markieren. So wie es in New York die Green oder Blue Line gibt, könnten wir in Heidelberg eine Ost-Süd Tangente oder eine Uni-Route farbig markieren.
Der Ausbau des ÖPNV und bessere Radwege sind Themen im 30-Punkte-Aktionsplan für mehr Klimaschutz in Heidelberg, der 2019 vom Gemeinderat verabschiedet wurde. Würden Sie persönlich Änderungen vornehmen wollen?
Vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) wurde bestätigt, dass die Ziele bei weitem nicht ausreichen um die Klimaschutzziele zu erreichen. Schön und gut, dass wir ihn haben, aber wir müssen drastischere Maßnahmen ergreifen. So müssen wir den Fernwärmeausbau forcieren. Mein Ziel ist es, die Geothermie stärker auszubauen als geplant. Die Rhein-Neckar-Region ist mit ihrer geographischen Lage dafür prädestiniert und Städte wie München zeigen, wie gut es funktioniert. So könnte auch das Neuenheimer Feld auf einen Schlag klimaneutral werden. Darüber hinaus würde ich gerne einen Klima-Bürger:innenrat einsetzen, der mit Expert:innen ein halbes Jahr lang intensiv ein Konzept für ein klimaneutrales Heidelberg entwickelt. Ein gesellschaftlicher Konsens, den der Gemeinderat beschließt und die Stadtverwaltungen umsetzen.
Außerdem sollten wir als Stadt uns jetzt bereits dafür einsetzen Fachkräfte aus Handwerk, Sanierung und Klimaschutz zu gewinnen. Ohne die praktische Umsetzung sind die formulierten Ziele nichtig!
Am 28. September war der International Safe Abortion Day. Das Uniklinikum Heidelberg führt weiterhin Abtreibungen nur in Ausnahmefällen durch. Ansonsten gibt es nur zwei Hausarztpraxen, die den Eingriff vornehmen. Würden Sie sich für erweiterte Anlaufstellen für Frauen zur sicheren Abtreibung in Heidelberg einsetzen?
Dass das Uniklinikum Heidelberg keine Abtreibungen durchführt, wobei gerade hier viele junge Frauen sind, denen Hilfe angeboten werden muss, ist fatal und muss sich ändern. Als SPD Heidelberg haben wir den Beschluss gefasst, dass an allen öffentlichen Krankenhäusern Abtreibungen möglich sein sollen und Ärzt:innen dahingehend eingestellt werden. Auch die Landes-SPD steht hinter mir.
Zum Abschluss: Mit welchem Kandidierenden würden Sie über den Philosophenweg spazieren?
Ich würde mir Eckart Würzner aussuchen. Erstens ist er sportlich und zweitens kann er mir so die Geheimnisse der Amtsgeschäfte anvertrauen, die ich dann übernehmen werde.
Das Gespräch führte Anabelle Kachel.
Anabelle Kachel studiert Humanmedizin und schreibt seit März 2021 für den „ruprecht“. Während im Studium die funktionellen Zusammenhänge des menschlichen Körpers im Vordergrund stehen, fasziniert sie bei ihrer Arbeit als Redakteurin der Mensch in seiner Gesamtheit. Besonders gerne tritt sie direkt mit den Menschen in Kontakt und interessiert sich für Einblicke in ihre Lebensrealitäten und Ansichten. So führte sie zahlreiche Interviews, zum Beispiel mit dem Comedian Florian Schroeder oder dem Lokalpolitiker Sören Michelsburg.