Nach drei Jahren Coronapause wird das Theater im Romanischen Keller wieder wachgeküsst. Vom Bauchredner zur studentischen Theatergruppe wird Künstler:innen hier eine Bühne geboten
Es ist Donnerstagabend, 19 Uhr als ich mit leichtem Hunger und der alltäglichen Müdigkeit das Theater im Keller des Romanischen Seminars suche. Das rote Backsteingebäude mit der braunen Türe ermöglicht den Eintritt. Klein, aber fein, es riecht nach altem Gebäude, doch das gehört zum Charme. Auf Bar folgt Bühne und dort präsentiert die Theatergruppe des Anglistischen Seminars eine Neuinszenierung von „Suddenly last Summer“ von Tennessee Williams. Hochprofessionell zieht die studentische Schauspieltruppe das Publikum in ihren Bann. Starke Emotionen werden von Live-Gesang begleitet und mit Lichteffekten untermalt. Ich bin begeistert und möchte wissen, was hinter diesem Theaterkeller steckt, den doch kaum jemand kennt.
Ich treffe mich mit Andreas, der seit Dezember letzten Jahres zusammen mit seiner Kommilitonin Tine das „Theater im Romanischen Keller“ leitet. Die beiden studieren gemeinsam Französisch in Heidelberg. Während der Pandemie sei die Einrichtung eingeschlafen, jetzt wird sie erneut belebt. „Ein Ort, der studentischen Gruppen einfach und kostengünstig eine Bühne bietet“, beschreibt Andreas den Romanischen Keller. Auftreten kann hier jeder: Kultur, Theater, Musik oder Tanz, wir sind für alle Kunstformen offen, sogar Bauchredner würden sie nicht ablehnen. Nur politisch solle es nicht sein. Die beiden Studierenden haben großen Gestaltungsspielraum, wenn auch viele der Entscheidungen letztendlich mit Dozierenden der Universität abgestimmt werden müssen. Ein Hindernis schien das bislang nicht zu sein, wobei die Website als Reiter auf der Seite des Romanischen Seminars doch eher versteckt bleibt. Auch das Budget setzt Grenzen und die Bezahlung als wissenschaftliche Hilfskraft steckt einen gewissen zeitlichen und finanziellen Rahmen ab. Dafür hat Andreas “Herzblut” für die Kunst. Theater begeistert den Heidelberger Student ebenfalls in der Freizeit und auch in Zukunft würde er gerne im kulturellen Bereich tätig sein – ob nun auf oder hinter der Bühne wird sich zeigen. Bis dahin organisiert er und seine Kollegin Tine die Bühne für andere Nachwuchskünstler:innen.
Zu ihnen gehört auch Bo, der ebenfalls Student in Heidelberg ist. Dieser wird in wenigen Tagen im Romanischen Keller seinen ersten Bühnenauftritt erleben. Als Teil der studentischen Theatergruppe „Lampenfieber“ steht er im Stück „Was ihr wollt“ von William Shakespeare als dauerhaft leicht alkoholisierter Onkel auf der Bühne, der dem engstirnigen Volk eine Gegenperspektive bieten will. Warum es sehenswert sei? „Es ist lustig! Es geht um Liebe, natürlich, und Standeskonflikte“, so der Nachwuchsschauspieler Bo. Die Bühne einen Tag lang für Proben zu mieten, kostet gerade einmal 25 Euro, der Aufführungstag 50 Euro. Die Bühne ist für die Theatergruppe ein wahres Geschenk. Auf die Frage, wie er die Möglichkeit findet antwortet Bo: „Sehr geil! Sonst wüssten wir nicht, wo wir auftreten könnten.“
Die Auslastung ist bislang ziemlich gut, ein Spot für Studierende muss es allerdings noch werden. Doch einmal dort gewesen, kehrt man mit Sicherheit zurück, sodass der Keller in Zukunft hoffentlich wieder pulsieren kann.
Von Anabelle Kachel
Anabelle Kachel studiert Humanmedizin und schreibt seit März 2021 für den „ruprecht“. Während im Studium die funktionellen Zusammenhänge des menschlichen Körpers im Vordergrund stehen, fasziniert sie bei ihrer Arbeit als Redakteurin der Mensch in seiner Gesamtheit. Besonders gerne tritt sie direkt mit den Menschen in Kontakt und interessiert sich für Einblicke in ihre Lebensrealitäten und Ansichten. So führte sie zahlreiche Interviews, zum Beispiel mit dem Comedian Florian Schroeder oder dem Lokalpolitiker Sören Michelsburg.
Till Gonser studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.