Heidelberg, April 2020, punkt 12 Uhr mittags. Es ist Essenszeit und normalerweise überrollt eine Welle hungriger Studierender die Heidelberger Mensen, die Triplex oder die Zentralmensa INF 304. Doch heute nicht. Die Bänke und Küchen bleiben leer, niemand rennt hektisch mit einem Tablett umher und versucht verzweifelt in der Masse seine Freunde wiederzufinden. Nur vereinzelt erhascht man einen Blick auf ein paar Studierende, die sich auf einer Bank vor der Mensa mit Sicherheitsabstand niedergelassen haben. COVID 19 bricht seit Anfang März über uns herein und schluckt nicht nur sämtliche universitätsinternen Präsenzveranstaltungen, sondern auch all das, was zu einem ordentlichen Studierendenleben in Heidelberg dazugehört. Dies hängt auch maßgeblich mit dem Studierendenwerk zusammen – das bedeutet kein Mensaessen, keine geeisten Kaffees vor dem Marstall, keine Parties in den Wohnheimen und keine Veranstaltungen wie der Poetry-Slam.
Doch anstatt untätig zu bleiben und die Studierenden sich selbst zu überlassen etablierte das Studierendenwerk in kürzester Zeit Konzepte wie „Mensa-to-go“, um den Kochfaulen unter uns wenigstens eine Grundnahrungsversorgung bieten zu können, verlegte alle Studien- und psychosozialen Beratungen online und informierte die Mieter der Wohnheimzimmer über aktuelle Entwicklungen und Hygienekonzepte. Laut dem Sprecher des Studierendenwerks erfolgen Zimmer- und Schlüsselabgabe seitdem nun ganz ohne physischen Kontakt und für jede infizierte Person wird eine wirkungsvolle Quarantäne und eine Lebensmittelversorgung sichergestellt.
Trotz gelegentlicher Sprachschwierigkeiten mit internationalen Studierenden, die weder Deutsch noch gutes Englisch beherrschen, zeigten die ergriffenen Maßnahmen in den letzten Monaten schnell ihre Wirkung. Nach Angaben verschiedener Studierender wurde beispielsweise das Konzept „Mensa-to-go“ nach einer kleinen Umgewöhnungsphase vermehrt genutzt. Ein ähnliches Bild zeichnet sich im Wohnheim INF 684 ab, indem besonders vielen internationale Studierende leben. Laut der dortigen Wohnheimsprecherin blieben die allerseits bekannten „Wohnheimparties“ seitdem, bis auf wenige kleine Ausnahmen, aus. Zusätzlich beherbergt die große Gemeinschaftsküche des Wohnheims, die normalerweise als sozialer Dreh- und Angelpunkt gilt, seit Corona-Tagen jeweils nur eine Person.
Doch all diese Bemühungen kosten Zeit – Zeit, Geld und Personal. Drei Dinge, an denen es in einer weltweiten Pandemie maßgeblich fehlt. So auch beim Studierendenwerk, das als gemeinnütziger Verein weder mit finanzieller Unterstützung vom Staat noch von der Universität rechnen kann. Nach der Schließung der Mensen sah sich das Studierendenwerk gezwungen Kurzarbeit einzuführen. Nach wie vor sind die meisten Mitarbeiter der Hochschulgastronomie von der Arbeit freigestellt – obwohl viele von ihnen, laut Angaben des Studierendenwerks, gerne zur Arbeit kommen würden.
Die Mietvertragskündigungen in den Wohnheimen sind laut des Studierendenwerks im Vergleich zum Vorjahr drastisch angestiegen. Dies stellt eine zusätzliche Belastung dar. Eine Situation, die durch die vielen internationalen Studierenden, die dieses Semester nicht anreisen konnten und unbürokratisch aus ihren Mietverträgen entlassen wurden, nicht gerade verbessert wird.
Wo kein Geld und kein Personal da ist, da kann auch keins eingesetzt werden. Dies führt dazu, dass der Tatortsonntag, die Bundesliga, der Sonntagsbrunch, all dies, was nicht online stattfinden kann, auf absehbare Zeit wohl erstmal der Vergangenheit angehören wird – denn die wirtschaftlichen Prioritäten liegen zunächst an anderer Stelle. Nicht nur die verbliebenen Gehälter wollen weiterbezahlt werden, auch die Kosten in den Wohnheimen laufen weiter. Dabei soll, nach Angaben des Studierendenwerks, insbesondere eine Mieterhöhung der Wohnheimzimmer vermeiden werden. Nichts desto trotz, sollten sich die Mieteinnahmen und Ausgaben des Wohnheimbetriebs nicht mehr decken, wird der Weg an einer Mieterhöhung zwangsläufig nicht vorbeiführen.
Auf der anderen Seite frisst sich die Corona-Krise nicht nur durch das Portemonnaie des Studierendenwerks, sondern macht auch vor den Geldbörsen der einzelnen Studierenden nicht halt. Das Top-Thema der angebotenen Sozialberatung ist laut des Sprechers des Studierendenwerks, neben Onlinevorlesungen und neuen Prüfungsmodi, das Thema Geld. Anfragen wegen finanziellem Druck, der Umgang mit heiklen Situationen bis hin zu wirklichen Existenzsorgen sind keine Einzelfälle und für manche Studierende harte Realität. Trotz der vielen Hilfsangebote und Aufklärungsarbeit, die die zuständigen Sacharbeiter tagtäglich leisten, gibt es doch einige wenige Studierende die aus dem Raster fallen und die aufgrund ihrer Corona-bedingten Einbußen nicht mehr in der Lage sind, ihre Miete aufzubringen. Vorwiegend davon betroffen sind internationale Studierende, für die das Hilfssystem des Studierendenwerks fremd ist. Laut der Wohnheimsprecherin des INF 684 bleibe ihnen nichts anderes übrig, als in ihre Heimat zurückzukehren und ihr Auslandsstudium abzubrechen.
Für das Studierendenwerk sind die Auswirkungen der Krise nach eigenen Angaben in Teilen verheerend und es fällt den Mitarbeitern schwer der Situation etwas Positives abzuverlangen. Dennoch kann in der Zukunft auf neue Erfahrungen und ein erprobtes und gestärktes Krisenteam und -konzept zurückgegriffen werden.
Von Lina Abraham
Hat während der Coronapandemie ihre Liebe zum Schreiben und zum ruprecht entdeckt und war bis zum Ende ihres Studiums in Heidelberg Teil der Redaktion. Sie leitete das Ressort „Seite 1-3“ und erlebte, wie der ruprecht im Jahr 2021 als beste Studierendenzeitung Deutschlands ausgezeichnet wurde. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr eine Recherche über das Unternehmen „Heidelberg Materials“ und dessen Umgang mit Menschenrechten in Togo. Lina ist weiterhin journalistisch aktiv und schreibt für das Onlinemagazin Treffpunkteuropa. Zudem ist sie als Podcast Autorin beim BdV tätig und berichtet über Flucht und Vertreibung in Europa.