Instagram schränkt die Reichweite von politischen Inhalten ein. Wie man es schafft, sich den entstehenden Meinungsblasen zu entziehen
Plötzlich ploppen Posts auf, die über eine neue Einstellung bei Instagram aufklären wollen. Im Zuge der Eindämmung von politischem Content auf Instagram sollen einem bloß noch politische Inhalte von Accounts, denen man folgt, angezeigt werden. Über einen einschlägigen Grund für die Entpolitisierung von Instagram und Threads lässt sich nur mutmaßen. Insgesamt wolle man nicht mehr proaktiv Konten mit politischem Inhalt durch den Algorithmus pushen, so Adam Mosseri, der Geschäftsführer von Instagram.
Wer Instagram bislang als Hauptquelle für seine täglichen Dosis Weltgeschehen genutzt hat, ist also gut beraten, sich in der breiten Masse von Nachrichtenquellen mal etwas umzusehen, auch weil Journalismus über Instagram häufig überspitzt und emotional aufgeladen ist. So beispielsweise bei Doktordab, mit bürgerlichem Namen Daniel Bröckerhoff, einem Journalisten des NDR. In der Bio seines öffentlichen Accounts steht jedoch explizit: „Kein NDR-Kanal“. Er hat sich also einen neuen Rahmen für seine persönliche Meinung geschaffen. Er bezieht Stellung zu Themen, die er sich nicht selten vom Instagram-Account der Tagesschau ausleiht. Seine Darstellung, die Bröckerhoff mit reichlich Mimik und Gestik, aber wenig schauspielerischem Talent anreichert, erinnert aber eher an ein Reaction-Video auf Youtube, als an seriösen Journalismus.
Bislang wurde für Social Media immer wieder das Argument ins Feld geführt, es erweitere das Meinungsspektrum und trage so zur Meinungsbildung bei. Profile wie das von Doktordab erinnern aber auch daran, dass zu viel Meinung die Fakten in den Hintergrund stellen kann und eine überdrehte Darstellung eher der Polarisierung als der Information dient. Das Weltgeschehen sollte eine:n bewegen, denn wer sich an Ungerechtigkeiten und Missständen nicht stört, läuft Gefahr, emotional abzustumpfen. Jedoch sollten die Nachrichtenkonsument:innen in der Lage sein, sich eine eigene Meinung zu bilden. Dies fällt allerdings äußerst schwer, wenn man von links und rechts mit der Meinung anderer bombardiert wird. Eine klare, neutrale Berichterstattung bleibt daher unerlässlich.
Fraglich ist aber, ob Social Media dafür – gerade im Lichte der neusten Veränderungen – der beste Ort ist. Bislang galt: Wer die meisten Views haben wollte, musste mit Charakter, Authentizität und Ästhetik überzeugen. Instagram und Tiktok sind schließlich visuelle Medien. Nur so setzte man sich gegen die Vielzahl an Konkurrent:innen durch. Werden jetzt noch politische Inhalte eingeschränkt, so kommt man ja gar nicht mehr aus dem Dunstkreis seiner eigenen Ansichten heraus. Also: Nichts wie raus aus der Instagram-Bubble.
Wer es klassisch will, kauft sich eine Zeitung. Oder liest sie online. Wo Spiegel Online oder die Süddeutsche Zeitung aber kaum Artikel zur freien Einsicht zur Verfügung stellen, ist die taz großzügiger und erlaubt es der armen Studierendenschaft, auch kostenlos auf ihre Artikel zuzugreifen. Grund dafür ist übrigens die genossenschaftliche Unternehmensstruktur der taz-Gruppe. Als Tageszeitung befasst sie sich mit dem tagesaktuellen Geschehen. Daneben wird auch über Dauerthemen wie den Klimawandel, die LGBTIQIA-Bewegung, Feminismus und den Rechtsruck in Deutschland geschrieben. An sich also eine klassische Tageszeitung, die sich auf die Fahne schreibt, unabhängig, kritisch und solidarisch zu arbeiten. Übersieht man mal die norddeutsche Fokussierung, so erhält man bei der taz Zugriff auf eine Fülle an Artikeln über das Weltgeschehen.
Und wer nicht liest, der hört vielleicht gerne. Gerade der Podcast könnte als neues On-the-go-Langformat herhalten. „Was die Woche wichtig war“, ist die Funk-Version, die einer Wochenzeitung nicht unähnlich ist. Immer im Rahmen von etwa 45 Minuten sprechen zwei Moderator:innen über die Themen der vergangenen Woche. Die Gliederung in einzelne Teilkategorien, wie die meistgesehenen Tagesschau-Posts auf Instagram oder das Interview mit Expert:innen, vereint sowohl kurze News als auch vertiefte Berichte. Auch wenn der ein oder andere Kommentar der Moderator:innen die persönlichen Ansichten erkennen lässt, bestimmen diese nicht die Themendarstellung. So wirkt der Rückblick auf die vorangegangene Woche menschlich, aber nicht übermäßig emotional und bietet immer Raum für die eigene Meinung. Es gilt, sich nicht einschüchtern zu lassen angesichts der Masse an Informationen und Informant:innenen. Wer sich entschließt, nicht ignorant zu bleiben, muss damit umgehen können oder es lernen. Ratsam ist es, sich verschiedene Quellen herauszusuchen, deren Stil und Darstellung einem:r gefallen, ohne sich anderen zu verschließen.
Letzten Endes ist es vor allem an einem:r selbst, kritisch zu bleiben und zwischen Meinung und Fakten unterscheiden zu können. Eine Aufgabe, die nicht einfach ist, an der man aber auch wachsen kann.
Von Rebecca Wimberger
Amélie Lindo studiert Germanistik und Japanologie im Bachelor. Seit 2022 ist sie beim ruprecht aktiv und leitet seit dem WiSe 2022 das Feuilleton.