„Radwende jetzt!“ Unter diesem Motto hat die Ortsgruppe von Greenpeace in Mannheim-Heidelberg der Stadt Heidelberg am 18. November vergangenen Jahres einen Preis verliehen. Der Anlass: die Stadt hatte an der Kurfürstenanlage einen Pop-Up Radweg geschaffen. Im Mai 2020 hatte Greenpeace von der Stadt die Einrichtung solcher Fahrradwege gefordert. Viele Großstädte waren dem erhöhten Fahrradaufkommen während des ersten Lockdowns mit der Umfunktionierung von Auto- zu Fahrradstreifen begegnet.
Heidelberg eröffnete den Pop-Up-Radweg zu einer Zeit, wo viele andere Kommunen wieder auf Autos umgestellt hatten. Greenpeace wollte jedoch nicht nur den Radweg ehren, sondern das gesamte Engagement der Stadt für eine Verkehrswende. Schon heute legen Heidelberger 64 Prozent aller Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Nahverkehr zurück. Auch wenn Heidelberg damit den Spitzenplatz in Baden-Württemberg einnimmt, so soll der Preis „Radwende jetzt!“ laut Greenpeace nicht den Anspruch eines Rankings gegenüber anderen Städten erheben. Der Preis sei mit der eindeutigen Aufforderung zum weiteren Ausbau des Radverkehrs verliehen worden.
Für diesen Ausbau gibt es nun auch finanzielle Hilfen: Der Bund stellt seit dem 25. Januar über das Sonderprogramm „Stadt und Land“ neue Mittel für den Radwegebau zur Verfügung. Rund 660 Millionen Euro sollen in den nächsten zwei Jahren in Deutschlands Radwege fließen. In Heidelberg befinden sich derzeit einige Projekte wie die Erneuerung des Wehrsteges und weitere Pop-up-Radwege in Planung. Seit Februar wird an der B37 entlang des Neckars ein Fahrstreifen zum vorläufigen Radstreifen umgewidmet.
Oberbürgermeister Würzner betonte bei der Verleihung des Preises „Radwende jetzt!“, wie bedeutend der Radverkehr zur Lösung von Verkehrsproblemen und zum Schutz des Klimas für die Stadt sei. Trotz des Lobes gibt es aber auch Kritik: Viele Projekte ziehen sich in die Länge, der Wehrsteg wird vermutlich erst in 13 Jahren erneuert sein, schreibt der ADFC. Und auch sonst gibt es zahlreiche Problemstellen: Neben einem Mangel an diebstahlsicheren Abstellmöglichkeiten gibt es viele Fahrradwege mit Schlaglöchern oder Bodenwellen. Auch eine klare Trennung von den Fußgängern sowie eine eindeutige Verkehrsführung für Räder fehlt häufig. Die Richtung stimme prinzipiell, meint Greenpeace, aber es gebe „noch viel Luft nach oben“.
Daran will „Radentscheid Heidelberg“ etwas ändern: Das Bündnis wurde am 30. Januar gegründet und hat zum Ziel, mithilfe eines Bürgerbegehrens mehr Rechte für den Rad- und Fußgängerverkehr in Heidelberg zu erreichen. Unter ihren Forderungen sind eine grüne Welle für Radfahrer und eine zuverlässige Beseitigung von Hindernissen auf Radwegen. Fahrräder und Fußgänger sollen in der Verkehrsrangordnung wieder nach oben rücken. Radfahren soll so immer attraktiver werden, auch dank autofreier Zonen und Tempo 30 im gesamten Stadtgebiet. Erklärtes Ziel von „Radentscheid Heidelberg“ ist die „Vision Zero“: Keine Toten und Schwerverletzen im Straßenverkehr.
Die Verkehrswende wird sicher noch viel Zeit und Diskussionen brauchen. Auch wenn Heidelberg auf einem guten Weg ist, so verleiht die stetige Begleitung durch Stimmen wie Greenpeace, dem ADFC und dem Bündnis „Radentscheid Heidelberg“ der Dringlichkeit des Themas Nachdruck. Greenpeace werde „in diesem Zusammenhang die Verkehrspolitik der Stadt weiter kritisch begleiten und deutliche Kritik üben“, falls sie dies als notwendig und sinnvoll erachten würden.
von Lena Hilf
Lena Hilf studiert Physik und schreibt seit Oktober 2019 für den ruprecht. Besonders gerne widmet sie sich Glossen, die oft das alltägliche Leben sowie wissenschaftlichen oder politischen Themen. Seit April 2021 leitet sie das Ressort Hochschule.