Im Sommer spielen sie in acht verschiedenen Städten, auf Spotify zählen sie schon über 10.000 monatliche Hörer, auf SoundCloud übersteigen einzelne Songs bereits die 100.000 Streams. Das DJ-Duo “Speedboys” ist inzwischen nicht nur in Heidelberg, wo sich ihr Track “Herz in Heidelberg” gerade unter den meisten Studierenden als Hymne etabliert, sondern auch weit darüber hinaus bekannt. Hinter den Speedboys stehen Tommi und Leon. Neben dem DJ-Dasein sind die gebürtigen Heidelberger noch im Studium oder in der Ausbildung. Der ruprecht hat mit ihnen über Trance, Techno und Tanzen gesprochen.
Wer sind die Speedboys?
Tommi: Also ich bin Tommi, ich wohne aktuell noch in Heidelberg und bin hier aufgewachsen. Ich studiere Sonderpädagogik an der Pädagogischen Hochschule im achten Semester.
Leon: Ich bin Leon, 22 Jahre alt, wie Tommi auch. Gerade wohne ich aber leider nicht mehr in Heidelberg, sondern in München. Dort mache ich meine Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule und versuche das parallel mit unserem DJ-Leben zu schaukeln.
Wie klingt der Sound der Speedboys?
Leon: Wir stecken tatsächlich immer noch in der Findungsphase. Wir haben da viel rumprobiert. Anfangs haben wir noch härteren Techno gespielt, uns jetzt aber eher auf einen etwas melodischeren, schnelleren Sound geeinigt und fühlen uns in dieser Richtung recht wohl. Das heißt gute Laune, treibende Bässe und viele Vocals. Wir performen selbst mit Gesang und mögen das einfach total.
Tommi: Die Vocals sind zentral für uns. Wir ziehen da aber auch unsere Grenzen. Wir machen ja eigene Musik mit eigenen Vocals und auch Remixe von bekannten oder mittelbekannten, Tracks. Bei den eigenen Tracks gibt es eigentlich nicht so diesen einen Sound, den wir machen, sondern das ist sehr divers. Auch wir müssen uns von Stadt zu Stadt anpassen, in Berlin zum Beispiel ist der Sound etwas härter. Wir spielen aber einen süßeren Sound als Viele und ordnen uns da eher in den Bereich Trance ein. Das ist eine Szene, die gerade in den letzten ein bis zwei Jahren sehr stark gewachsen ist.
Gibt es Unterschiede zwischen der Heidelberger Musikszene und anderen Kreisen?
Leon: Heidelberg ist etwas ganz Besonderes. Die Musikszene ist zwar nicht groß, aber wir kennen die Leute, die hier Musik machen, inzwischen fast alle. Unser letztes Event war sogar einen Tag vorher ausverkauft und die Leute standen Schlange, um noch ein Ticket zu bekommen. Heidelberg ist auf jeden Fall klein, aber was die Partys angeht, wird es hier immer besonders für uns bleiben.
Tommi: Ich würde auch sagen, dass Heidelberg, was die Grundstimmung angeht, noch was ganz Anderes ist. Die Meisten sind ein bisschen weniger szenig als in Berlin oder ähnlichen Städten, in denen auf solchen Events nur die Coolsten der Coolsten rumlaufen. In Heidelberg gilt da manchmal einfach noch das Grundprinzip, das wir im elektronischen Bereich so mögen: Man kann einfach hinkommen, es gibt keine Dresscodes, alle kommen so wie sie wollen und sind lieb zueinander. Das ist mir hier schon immer aufgefallen. Das ist allerdings auch nicht überall so. Eine gute Party macht für uns auch aus, dass sich alle – insbesondere also unsere weiblichen Freunde – wohl fühlen. Auf einer Silvesterparty kamen nach dem Auftritt zwei Freundinnen zu uns, die sich in dem Umfeld gar nicht sicher gefühlt haben. Da überlegen wir uns dann schon, wo wir auflegen.
Macht diese Atmosphäre Techno für euch aus?
Tommi: Ja, auf jeden Fall. Das gehört zu meinem Weg in die Szene. In unserem Freundeskreis war das ähnlich – nicht alle mochten die Musik auf Anhieb so gerne, das hat bei manchen auch länger gebraucht. Der Zugang kam aber durch diesen Vibe. Als ich damals aus Berlin zurückkam, war uns klar, dass wir die Musik feiern, aber eben auch, dass die Partys einfach cooler sind.
Leon: Auch die Möglichkeit, sich im Sound zu verlieren, ohne besonders cool aussehen zu müssen, ist in der Szene besonders. Stattdessen kann man einfach loslassen und auch mal eine Stunde alleine tanzen. Im Idealfall ist Musik eben für jede und jeden.
Wen wollt ihr mit eurer Musik erreichen?
Tommi: So eine richtige Zielgruppe haben wir nicht. Uns geht es vor allem darum, dass wir und alle anderen Menschen möglichst viel Spaß haben, gerade auf den Partys. Unsere Musik ist so verschieden und trifft nicht immer den gleichen Vibe. Deswegen erreichen wir zum Teil ganz unterschiedliche Gruppen von Menschen.
Leon: Wir sprechen aber auch insgesamt ein recht junges Publikum an. Viele DJs, die wir kennen, sind ein paar Jahre älter. Auf unseren Partys haben wir gemerkt, dass wir auch Leute ab 18, die gerade frisch aus der Schule kommen, erreichen. Das finden wir schön, weil es dadurch ein größeres Spektrum ist. Jünger oder älter, das ist uns im Endeffekt egal.
Ihr seid beide noch Studenten / in der Ausbildung: Wie lässt sich die Musik mit der Uni und anderweitigen Verpflichtungen kombinieren?
Leon: Ich sag’ mal so: Mein Freizeitkonto ist ziemlich leer. Das Gute ist, dass unsere DJ-Gigs am Wochenende sind. Es ist jetzt schon öfter vorgekommen, dass Tommi Freitag mittags schon vorgefahren ist. Ich bin meistens bis abends noch in der Journalistenschule und komme dann nach. Das funktioniert momentan ganz gut. Für immer geht das natürlich nicht, wir versuchen aber, uns nicht durch solche Verpflichtungen einschränken zu lassen.
Tommi: Bei mir funktioniert es zum Teil auch nicht so gut, ich mache ja auch die meiste Produktion. Meine Wochenenden bestehen im Moment viel aus Zugfahren und einer Party dazwischen, bei der man zum Teil bis fünf oder sechs auflegt. Natürlich setzen wir uns danach noch zusammen, tanzen oder quatschen noch ein bisschen. Da hat man sehr wenig Schlaf, was ich montags immer merke. Unter der Woche ist das Produzieren für mich ähnlich wie die Uni: Ich kann immer etwas machen, aber muss auch nichts machen. Da ist es dann manchmal schwierig, sich Prioritäten zu setzen. Aber irgendwie kriegt man es in der Regel hin.
Wie habt ihr angefangen, Musik zu machen?
Tommi: Vor etwa sechs Jahren war ich mit ein paar Freunden in Berlin. Da bin ich erstmals so ein bisschen in die Techno-Szene reingekommen. Wir waren in einem Berliner Club, in dem wir vor ein paar Wochen auch aufgelegt haben. Das war eine ganz neue Welt, in der wir uns direkt wohl gefühlt haben. Die Leute waren viel lieber als auf diesen Charts-Partys, die wir aus Heidelberg kannten. Am gleichen Abend waren wir auch noch in einem HipHop-Club, der eine Open-Mic-Veranstaltung hatte. Ein paar Freunde haben mich dort dazu überredet, auch auf die Bühne zu gehen – und ich habe es tatsächlich gemacht. Was ich gespielt habe, war nicht sonderlich gut. Die Leute waren trotzdem total lieb und meinten, dass sie das cool fanden und ich weitermachen sollte. Dann bin ich nach Heidelberg zurückgekommen und habe angefangen, Musik zu machen. Erst hat mich noch ein Freund produziert, irgendwann habe ich mir dann eigenes Equipment gekauft und selber angefangen zu produzieren.
Leon: Vor vier Jahren hat dann unsere gemeinsame Musikzeit angefangen. Ich fand schon immer cool, was Tommi gemacht hat, und hatte auch Bock auf Mukke Machen. Wir haben dann nach ein paar Bierchen ab und zu Freestyle-Sessions gemacht. Dann habe ich mir das auch geholt und angefangen selber Tracks zu machen und habe mir dasselbe Musikequipment wie Tommi geholt. Wir haben viel zusammen produziert, damals aber noch so im Rap- und Indie-Bereich. Das hat sich dann immer weiter gezogen, wir sind sehr eng befreundet geblieben, und irgendwann hat sich unsere Musik eben in die Richtung Trance und Techno gewandelt.
Die Speedboys sind inzwischen deutlich bekannter geworden – ihr habt im Sommer beispielsweise sogar beim Puls Festival gespielt. Wie habt ihr es geschafft, auch außerhalb Heidelbergs wahrgenommen zu werden?
Leon: Das ist immer noch ziemlich surreal. Als ich vor ein paar Jahren auf der DJ-Konferenz im Karlstorbahnhof war, dachte ich mir, dass dort einmal zu spielen der größte Traum wäre, der aber wahrscheinlich niemals wahr werden wird. Als wir letztes Jahr angefragt wurden, um dort zu spielen, dachte ich, dass es nicht mehr krasser werden könnte. Dann durften wir da sogar unser eigenes Event spielen. Anfang dieses Jahres haben wir erstmals Anfragen aus Berlin bekommen. Inzwischen kommen welche aus allen möglichen deutschen Städten. Das läuft über den Bekanntheitsgrad – über Follower auf Instagram und Soundcloud, wo wir inzwischen ein wenig Reichweite aufbauen konnten.
Tommi: Vor allem die Streams sind wichtig. Die ganze Szene läuft zum Großteil über SoundCloud ab. Die Szene ist gar nicht so riesig, wenn man aber da mal 50.000 Streams oder 1.000-2.000 Abonnenten erreicht, sehen das die Leute. Das erste Mal hat uns ein Berliner DJ-Duo geschrieben. Bei denen haben wir dann im Februar aufgelegt, wo wiederum andere Kollektive waren. Nach der ersten Berlin-Party kamen direkt zwei Anfragen für weitere Veranstaltungen. So hat sich das eben entwickelt, dass wir jetzt mitten in der Szene sind. Das ist voll verrückt: Vor 4 Monaten waren das unsere Stars, neben denen wir jetzt im Backstage Bereich sitzen.
Verändern sich mit größerem Publikum die Shows?
Tommi: Man merkt, dass die Stimmung jedes Mal krasser wird. Wir denken uns nach jedem Auftritt, dass man das nicht mehr toppen könne, und dann passiert’s trotzdem. Mittlerweile ist es auch so, dass in fremden Städten fremde Leute unsere Texte mitsingen und die Tracks kennen. Das verwirrt mich jedes Mal. Oder man wird erkannt und die Leute sind so: „Bist du nicht der von Herz in Heidelberg?“.
Leon: Das zeigt auch die generelle Stimmung in dieser Bubble. Die Leute sind tatsächlich einfach alle total süß. Wir haben da wenig schlechte Erfahrungen mit steigender Bekanntheit gemacht. Eben weil die Leute alle lieb sind – sowohl die anderen DJs als auch das Publikum. Wir kriegen sehr viel Liebe zurück. Es fühlt sich immer noch surreal an, wenn Leute uns erkennen. Wir sind ja noch nicht riesig, aber es reicht anscheinend, um Leuten ein wenig das Leben zu versüßen. Wir bekommen auch Nachrichten auf Instagram, in denen Leute uns erzählen, welche unserer Tracks sie gerade feiern. Es ist ein tolles Gefühl, dass man Leuten etwas geben kann.
Wie sieht die Zukunft für die Speedboys aus?
Leon: Bezüglich Auftritten haben wir nach der Sommertour viel geplant – und spielen jetzt sogar die ersten Festivals. Es ist auch unser Traum, irgendwann eine Zeit lang von der Musik leben zu können. Momentan sieht das nicht ganz unrealistisch aus. Das Problem mit der Gage ist, dass wir zu zweit sind und uns das Geld natürlich teilen. Wenn wir alleine wären, wäre es schon bald möglich, nur von der Musik zu leben. So muss man aber deutlich mehr erreichen.
Tommi: Und dann dürfen wir am 25. Juni bei “Hör Berlin” spielen, was eine ganz besondere Ehre für uns ist. Dieser Auftritt ist für viele Leute auch ein Schritt, um ein bisschen größer zu werden und noch weiter zu gehen. Für diese Szene ist das was ganz besonderes.
Das Interview führte Nicola van Randenborgh
Nicola van Randenborgh studiert Philosophie & VWL und schreibt seit dem Wintersemester 23/24 für den ruprecht - Und das am liebsten über das, was sie oder die Welt eben gerade bewegt.