Die Hochschule für Jüdische Studien äußerte starke Bedenken gegen einen Vortrag des Georg Stein zum Krieg im Nahen Osten. Der Palmyra-Verlag widerspricht
Der Nahostkonflikt ist seit dem Massaker der Terrorgruppe Hamas vom 07.10.2023 aus den Nachrichten nicht wegzudenken. Auch in Heidelberg ziehen sich politische Gräben durch die Stadtlandschaft. Zuletzt erregte eine Kontroverse zwischen dem Verleger des Palmyra-Verlags Georg Stein und der Hochschule für Jüdische Studien öffentliches Aufsehen.
Der Palmyra-Verlag hatte am 26. Oktober für einen Vortrag in das Eine-Welt-Haus geladen. Dort sprach Georg Stein über seine Reisen in den Gaza-Streifen und nach Israel sowie die aktuelle Lage im Nahostkonflikt. Die Hochschule für jüdische Studien, die größtenteils öffentlich finanziert wird, schrieb im Vorfeld der Veranstaltung einen offenen Brief, In diesem riet sie dem Welthaus als Veranstalter davon ab, die Veranstaltung stattfinden zu lassen. Herr Stein vertrete „einseitige anti-israelische Positionen“, der Verlag werde „nicht nur, aber eben auch von Personen genutzt, die erwiesenermaßen antisemitische Positionen vertreten“. Herr Stein verwies in einem Antwortschreiben auf das „Eintreten“ seines Verlags „für eine für beide Konfliktparteien gerechte Lösung auf der Grundlage von Verhandlungen und Dialog“ und er bekräftigte: auch er „verurteiledas verabscheuungswürdige Massaker der Hamas vom 7. Oktober“. Er verwies darauf, „dass die Kritik an der Politik Israels kein Antisemitismus ist“, aber Antisemitismus in Deutschland eine „Tatsache“ sei,, „der es in aller Entschiedenheit entgegenzutreten gilt“.
Der ruprecht konnte sowohl mit Herrn Stein als auch mit David Lüllemann und Lukas Stadler von der Studierendenvertretung der Hochschule für Jüdische Studien sprechen. Lüllemann verwies auf eine „lange spannungsreiche Vorgeschichte“, da der Palmyra-Verlag immer wieder Personen eingeladen habe, die im „akademischen Konsens“ als „problematisch gelten“. So sei er auf einem vom Palmyra-Verlag organisierten Vortrag Helga Baumgartens gewesen. Die Politik-Professorin an der palästinensischen Universität Birzeit im Westjordanland habe die Hamas-Herrschaft im Gaza-Streifen verharmlost und legitimiert, da sie den repressiven Charakter dieser Herrschaft nicht anerkenne – namentlich die Ermordung von christlichen Konvertiten und Homosexuellen. Stein beschreibt Baumgarten hingegen als eine der „renommiertesten Nahost-Wissenschaftlerinnen“, die lediglich darauf hingewiesen habe, „dass die Hamas im Januar 2006 demokratisch gewählt wurde“.
Abseits von den Vortragenden bei Veranstaltungen des Palmyra-Verlags kritisierten die beiden Studierendenvertreter der Hochschule Steins eigene „grenzenlose Verharmlosung der Hamas“ im Vortrag vom 26. Oktober, bei dem sie anwesend waren. So gebe es zwar einen kurzen Hinweis auf die Massaker vom 7. Oktober, aber grundsätzlich sei das „Befreiungsnarrativ der Hamas“ die ganze Zeit präsent gewesen. Allein in der Bildsprache seiner Powerpointpräsentation sei auf israelischer Seite nur Militärgerät dargestellt worden, auf palästinensischer Seite aber keine einzige Kalaschnikow, sondern nur die Zivilbevölkerung. Das heiße nicht, dass Kritik an der israelischen Politik nicht generell erlaubt sei. Die Siedlungspolitik im Westjordanland könne genauso kritisert werden wie einzelne militärische Aktionen der israelischen Armee. Bei Stein sei es allerdings so, dass Israel als „monolithischer Block“ dargestellt werden, während bei die Palästinenser:innen differenziert betrachtet würden. Außerdem würde er Menschenrechtsverletzungen und terroristische Aktionen der Hamas kaum thematisieren. Es sei nicht Ziel des offenen Briefs gewesen, jemandem dem Mund zu verbieten, sondern dem teilöffentlich finanziertem Welthaus zu empfehlen, eine ausgewogenere und sachlichere Referentenauswahl zu treffen. Eine öffentliche Diskussion zwischen Stein und dem Rektor der Hochschule Werner Arnold oder dem Professor für Israel und Nahost-Studien Johannes Becke sei aber keine Möglichkeit, wie Lukas Stadler und David Lüllemann betonen, da Georg Stein keine wissenschaftlich-analytische, sondern eine aktivistische Perspektive auf den Konflikt habe.
...studiert im Global History im Master of Arts und ist seit Oktober 2023 beim ruprecht. Er interessiert sich sowohl für (stadt-)historische als auch gesellschaftliche Themen. Wenn er nicht gerade über seinen nächsten ruprecht-Artikel nachdenkt, unterstützt er die Bildredaktion.