Ihr Interesse am Fußball ist stark, ihr Wunsch nach einem politischen Zeichen stärker. Eine neue Studie zeigt: Heidelberger Studierende boykottierten die Fußball-WM in Katar häufiger als der deutsche Durchschnitt
Die Fußball-WM ist vorbei. Endlich, würden die meisten Studierenden in Heidelberg sagen. Warum sich diese Aussage so leicht treffen lässt? Im Rahmen des Seminars „Politische Soziologie des Fußballs“ haben die Studierenden Charlotte Winterhalter und Georg Schuberth eine Umfrage unter den Heidelberger Studierenden zum Thema „Boykott der WM“ durchgeführt.
Im Zeitraum vom 19. November bis zum 01. Dezember 2022 wurden dafür 1008 Studierende aus verschiedenen Studiengängen befragt. Die Autor:innen orientierten sich dabei an einer Umfrage des britischen Meinungsforschungsinstitut „YouGov“ zur Einstellung der Bevölkerung unterschiedlicher Länder zur WM in Katar. In dieser Studie sprachen sich die Deutschen im internationalen Vergleich mit den USA, Spanien, Italien und Großbritannien besonders stark für einen Boykott der WM aus.
Die Studie der beiden Studierenden zeigt: Heidelberger Studis sehen die WM noch kritischer als der deutsche Durchschnitt, während das allgemeine Fußballinteresse überdurchschnittlich hoch ist. Im Gegensatz zu den 45 Prozent der Deutschen, die aussagten, nichts von der WM sehen zu wollen, boykottierten 56,8 Prozent der Heidelberger Studierenden. Allerdings: 40 Prozent der Heidelberger Studierenden gaben an, fußballinteressiert zu sein. In der Gesamtbevölkerung waren es nur 33 Prozent.
Doch auch der Wunsch nach einem Signal der amtierenden Politiker:innen, die WM durch einen Boykott von Staatsbesuchen während des Turniers zu kritisieren, ist unter den Heidelberger Studierenden größer als im deutschen Durchschnitt. 66,1 Prozent der Studierenden in Heidelberg stuften Staatsbesuche von Politiker:innen während der WM als kritisch ein. Nur 45 Prozent der Deutschen sahen das genauso. Offen bleibt dabei der Einfluss der unterschiedlichen Zeitpunkte der Befragungen, da die Umfrage von YouGov im Gegensatz zur Studie unter den Studierenden in Heidelberg noch vor der WM stattfand.
Wie entstand die Umfrage? Charlotte Winterhalter und Georg Schuberth erzählen, dass sie im Rahmen des Seminars „Politische Soziologie des Fußballs“ ihrem Interesse nachgehen konnten, ein generelles Meinungsbild der Heidelberger Studierenden zur WM zu erstellen. Die Umfrage verbreiteten sie größtenteils über WhatsApp-Gruppen von Erstsemestern. So kam das niedrige mittlere Alter der Befragten von 21 Jahren zustande. Die beiden Geografiestudis sind überrascht, dass der Boykott oder die starke Aussprache zum Schauen der WM nicht am Studiengang der Teilnehmer:innen festzumachen war. Während Studierende der Soziologie generell am häufigsten boykottierten, sprachen sich 7,8 Prozent der Soziolog:innen dafür aus, so viel wie möglich der WM zu verfolgen, während dies bei den Jurist:innen nur zwei Prozent taten.
Es besteht kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Studiengang und Boykott-Verhalten. Ausschlaggebend ist eher das individuelle Fußballinteresse, das in den verschiedenen Studiengängen unterschiedlich stark vertreten ist.
Als Begründung für den Boykott sagte die Mehrheit aus, die WM aus moralischen Gründen nicht zu verfolgen, um Katar oder die FIFA nicht mit Einschaltquoten zu unterstützen.
Die Public Viewings in Heidelberg waren dennoch gut besucht. Zwar stimme es nachdenklich, wie die FIFA mit Kritik umgeht und welche politischen Botschaften von Spielern und Veranstalter:innen gesendet werden, jedoch sei die WM eine sportlich sehr starke gewesen, was Grund genug sei um mitzufiebern, so ein Zuschauer beim WM-Finale.
Die Studie ist ein gutes Beispiel dafür, dass Studierende überdurchschnittlich stark individuelle Maßnahmen wie Boykotts nutzen, um politisch zu partizipieren.
Hier geht es zum Blogartikel des Seminars
Von Vera Neise
Vera Neise studiert Politikwissenschaft und Soziologie, aber in ihrer Freizeit am liebsten den ruprecht. Daher schreibt sie seit Herbst 2021 selber mit und zwar besonders gern über gesellschaftspolitische Themen, die die Heidelberger Studis betreffen.
Till Gonser studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.