Heidelberg stimmte gegen den Wechsel, Eckart Würzner bleibt im Amt.Wir blicken mit den Unterlegenen Sofia Leser und Björn Leuzinger hinter die Kulissen des Wahlkampfes. Leser fordert eine gerechtere Finanzierung
Man könnte sagen, in Deutschland wären aller guten Dinge 16: 16 Jahre Kohl, 16 Jahre Merkel, 16 Jahre Jogi Löw. Das gilt nicht für Eckart Würzner. Nach 16 Jahren Amtszeit hat er sich im Wahlkampf gegen seine Konkurrentin Theresia Bauer durchgesetzt und geht nun in die dritte Runde.
Den dritten Platz belegte Björn Leuzinger von der Partei DIE PARTEI. Die unter Student:innen populäre Kandidatin Sofia Leser schied trotz überraschend starkem Wahlergebnis von fast 4 Prozent nach der ersten Runde freiwillig aus. Warum tat sie das und wie war der Wahlkampf für sie und Leuzinger?
Während beide Kandidat:innen berichten, zufrieden mit ihren Ergebnissen zu sein, bemängelte Sofia Leser die Intransparenz und Unehrlichkeit, welche die Politik beherrsche. Ihrer Meinung nach finden viele Menschen, die in Heidelberg weniger etabliert sind, kaum Gehör und vor allem keine Lösungen für ihre Probleme. Das motivierte sie, sich selbst für einen Wechsel im Büro des OBs aufzustellen. Denn gerade Würzner sei durch seine hohe soziale Stellung wenig eingebunden in die Schichten, für die am meisten getan werden müsse.
Im persönlichen Gespräch mit Sofia sei er überraschend positiv auf ihre Kritik eingegangen, jedoch bekräftigten Leser sowie Leuzinger, dass neben kollegialer Freundlichkeit während des Wahlkampfs zwischen den Kandidat:innen immer ein gewisses politisches Kalkül zu spüren gewesen sei.
Wie organisiert die Gegenkandidat:innen waren, war auch durch die starke Diskrepanz der finanziellen Mittel im Wahlkampf spürbar. Während Würzner ein monatliches Einkommen von 14.285 Euro bezieht und von CDU und FDP unterstützt wird, hatten es Sofia Leser und Björn Leuzinger ohne finanzielle Unterstützung und Wahlkampfteam schwerer. „Alle Plakate alleine auf- und abhängen zu müssen“, so Leuzinger, sei „nicht immer von Vorteil“. Aufgrund ähnlicher Hürden befürwortet Sofia Leser die Idee, allen Kandidat:innen das gleiche Budget zur Verfügung zu stellen und sie zu verpflichten, nicht mehr als dieses auszugeben.
Auch den Wahltag solle man anders gestalten, findet Sofia Leser. Statt geringer Aufklärung sollte es am Sonntag einfach mal lautes Hupen und Ansagen geben, die Bürger:innen zur Wahl motivieren. „Ich weiß nicht, wie viele meiner Bekannten die Wahl tatsächlich verschlafen haben“, gibt sie peinlich berührt zu. Vielleicht erklärt das die geringe Wahlbeteiligung von nur 44,2 Prozent.
Während manche das Game verschliefen, haben andere wohl nicht ganz fair gespielt, zum Beispiel als Theresia Bauer im zweiten Wahlgang mit demselben Slogan antrat wie zuvor Sofia Leser: „Eine für alle.“
Sofia nimmt das gelassen, fühlt sich aber im Urteil über die Unfähigkeit der Grünen bestätigt. Auch Leuzinger übt Kritik an den Wahlplakaten seiner politischen Gegner. Würzners gesamte Plakatierung sei auf seine Person ausgerichtet gewesen und durch den Spruch „Dein Heidelberg, deine Entscheidung“ sei diese starke Inhaltslosigkeit kaum noch zu parodieren. „Wo kein Inhalt ist, ist auch kein Fehler“, so Björn Leuzinger.
Leser blickt positiv auf ihren Wahlkampf zurück und bereut nicht, nach der ersten Runde ausgetreten zu sein. Ihren Rücktritt erklärt sie damit, dass sie zwar mit höchster Priorität Würzner stürzen wollte, jedoch auch nicht das Risiko eingehen, mit einem hohen Stimmgewinn die Schuld für eine Wahlniederlage der Grünen in die Schuhe geschoben zu bekommen.
Leser konzentriert sich nun auf die Wahl des Gemeinderats 2024, der für fünf Jahre gewählt wird, Macht auf den OB ausüben kann, sowie verschiedene Ausschüsse besetzt. Um nicht in eine Partei eintreten zu müssen, möchte sie mit einer Wählerliste in den Gemeinderat und sich dort als Kulturbürgermeisterin aufstellen lassen. Leuzinger ist seit 2019 im Gemeinderat, sieht im Gegensatz zu Sofia Leser aber nicht die nächste OB-Wahl als langfristiges Ziel, sondern die Europawahl. Während Sofias Prioritäten bei der Erfüllung von sozialer und ökologischer Gerechtigkeit liegen, freut Björn Leuzinger sich darauf, „als Europaabgeordneter noch weniger für noch mehr Geld zu tun.“
Von Vera Neise
Vera Neise studiert Politikwissenschaft und Soziologie, aber in ihrer Freizeit am liebsten den ruprecht. Daher schreibt sie seit Herbst 2021 selber mit und zwar besonders gern über gesellschaftspolitische Themen, die die Heidelberger Studis betreffen.
Till Gonser studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.