Das Deutsch-Amerikanische Institut Heidelberg lädt am 25.09. zur Merkel-Lesung in die neue Uni, dabei wird klar: Maß und Mitte werden im Publikum wertgeschätzt, da es zumal nicht nur um Merkels Biografie und Werdegang, sondern vor allem um ihren Blick auf die internationale Politiklandschaft geht. Ganz getreu dem Motto „die Mitte auf der Landkarte ist arbiträr“, erklärt sie uns, ihre Sicht auf die Welt und findet mahnende Worte für die politische Mitte in Deutschland.
Laut Merkel braucht es im Umgang mit der AfD vor allem Maß und Mitte und nicht die Übernahme ihrer Rhetorik. Ein Punkt, der auch mit Hinblick auf die „Flüchtlingskrise“ 2015 Gewicht findet, für sie eine Zäsur die ihre Amtszeit prägt und ihre politische Tätigkeit zeitlich in zwei Kapitel teilt. Dennoch bejaht sie weiterhin die Menschlichkeit, die in „Wir schaffen das“ liegt und betont, die deutsche Willkommenskultur wurde und werde vor allem durch zivilgesellschaftliches Engagement geprägt. Dies ist mit ein Grund, weshalb sie die Menschen in den Vordergrund stellt und die Deklaration (Flüchtlings)strom ablehnt. Man meint herauszuhören, dass das Zustromsbegrenzungsgesetz, zumindest verbal, an der Mutti(mauer) gescheitert wäre. Diese empathische Seite honoriert das Publikum ebenso mit Applaus wie ihre feste und erst gegen Ende ihrer 16 Jahre Kanzlerschaft deutlich gewordene Haltung, dass Bürger:innen der DDR zu keinem Zeitpunkt als angelernte Bundesdeutsche oder gar Europäer:innen wahrgenommen werden sollten. Diese Überzeugung, – kam ähnlich ihrer Entscheidungsfreudigkeit – während ihrer Zeit im Amt an vielen Stellen zu kurz. Selbstkritik, die sie geschickt in Humor und Anekdoten verpackt – wie sich klein Merkel erst zum Ende der Sportstunde entschloss vom Dreimeterbrett zu springen – und sorgt so immer wieder für Lacher. Ein Charakterzug der auch dann hindurchblickt, wenn sie Heidelbergs Oberbürgermeister Würzner auf die Schrippe nimmt und ihn nach Templin in die Uckermark einlädt, für den Fall, dass Templin ihm bisher unbekannt sei.
Mit Merkels Maß und Mitte schwingt eine gewisse Melancholie in der Neuen Aula mit, bei den Einen ist es das Kapitel vor Merz, bei den Anderen Zeiten in denen erfolgreiche Direktkandidat:innen der Union wie Alexander Föhr noch in den Bundestag eingezogen sind. Ob Merkel uns mit ihrer mütterlichen Ruhe und Zuversicht über die Gefährlichkeit der Welt hinweggetäuscht hat, liegt im Auge des Betrachters, aber sie zeigt die globalen Herausforderungen ihrer Amtszeit auf und endet beinahe mit den Worten „there is no free lunch in this hall“. Worte, die mich nach der Veranstaltung zunächst Richtung Marstallmensa treiben, nur um ganz sicher zu gehen.
Von Sonja Drick
...studiert Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre im Bachelor. Sie schreibt seit November 2023 für den ruprecht und kann die Zeitung besser lesen, als sie danach wieder zusammenzufalten.








