Auf der gesperrten Neckarwiese herrschen jetzt die Gänsegötter
Grüne, CDU, SPD – Wer in der Stadt das Sagen hat, das ist spätestens seit letzter Woche klar: Die Gänse auf der Neckarwiese sind seit dem Hochwasser offiziell die Königinnen des Heidelberger Auenlands.
Während die Heidelberger:innen Sandsäcke stapelten, testete das Federvieh, wie gut Gras als Suppeneinlage schmeckt. Denn an das kamen die Kühe der Vogelwelt nur dank der Volksweisheit der Enten: Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh’.
Ob diese Gymnastik durch die kulinarische Erfahrung belohnt wurde oder nicht, das Hochwasser brachte für die Stubenhocker unter den Zugvögeln letztendlich das Paradies auf Erden: Kaum war das Wasser weg, wurde die ganze Wiese abgesperrt. Hochwasserschäden.
Die grüne Oase der Heidelberger ist seitdem der Olymp der vier Gänsegötter: Die Schwanengans, die, ihr Glück kaum fassend, auf dem gänseweingetränkten Rasen flügelschlagend umherrennt. Die Nilgans, die endlich ungestört ihre unangefochtene Vormachtstellung zur Schau tragen kann. Die Weißwangengans, die vorsichtig ihren schwarz-weißen Einteiler über den grünen Teppich schreitend zur Schau stellt. Und die Graugans, die auch irgendwie dabei ist. Man munkelt, sie tue nur so unauffällig, weil sie nachts Kornkreise in die matschige Wiese trampelt.
Die Menschen stehen hass- und neiderfüllt auf der anderen Seite der Absperrung. Ha! Das haben sie davon, dass sie beim letzten Picknick nicht ihren Zehnten an die Herrscher der Neckarwiese gezahlt haben: Die Oberbabos, die, wenn sie wollten, mit ihrem Geschrei die ganze Stadt zu Stein verwandeln könnten, die ewigen Wächter der Heidelberger Sommerzeit, die Jäger jeder Chipstüte, die Vögel der Apokalypse, die kein Hund jemals schrecken wird. Beugt euch vor ihnen nieder!
Von Lena Hilf
Lena Hilf studiert Physik und schreibt seit Oktober 2019 für den ruprecht. Besonders gerne widmet sie sich Glossen, die oft das alltägliche Leben sowie wissenschaftlichen oder politischen Themen. Seit April 2021 leitet sie das Ressort Hochschule.
Till Gonser studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.