Schikane, Anfeindung, Ausgrenzung: Die Universität versucht, Betroffenen von Mobbing zu helfen. Häufig sind ihr dabei die Hände gebunden
In einem Bericht der Gleichstellungsbeauftragten der Uni Heidelberg aus dem Jahr 2021 gaben 22 Prozent der Studierenden und Beschäftigten an, bereits selber Mobbing an der Uni erlebt zu haben. 35 Prozent haben Mobbing bei anderen beobachtet.
Laut Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg muss jede Universität Ansprechpersonen für sexuelle Belästigung, Mobbing, Stalking und Diskriminierung stellen. An der Uni Heidelberg nimmt sich die zentrale Einrichtung Unify der Themen Gleichstellung, Vielfalt und Vereinbarkeit an. Die Leiterin von Unify und Ansprechperson bei Mobbing ist unter anderem Charlotte von Knobelsdorff. Neben der Beratung und Hilfe für Betroffene von Mobbing bietet Unify auch Schulungen für Fachschaften und alle Mitglieder der Universität zum Thema Mobbing an. Ziel dieser Schulungen ist es, dass alle Personen ihre Rechte und Pflichten bei Mobbing kennen.
„Mobbing an der Universität ist eine ernstzunehmende Form der Gewalt und als solche mitunter strafbar und wird dementsprechend behandelt“, so von Knobelsdorff. Das Vorgehen gegen Mobbing befindet sich gerade in der Umbruchphase. Geplant ist ein System zum professionellen Umgang mit Fehlverhalten und Konflikten, was als zentrale Anlaufstelle dienen soll und unter anderem Daten von Mobbing an der Uni Heidelberg aufnehmen wird. Ein zentraler Punkt des Konfliktkonzeptes ist unter anderem die Schulung von Lots:innen. Jede Person kann als vertrauliche Anlaufstelle fungieren. Der Ansatz ist, dass sich Betroffene selbst aussuchen können, wem sie sich anvertrauen, und somit niedrigschwellige Anlaufstellen zu schaffen. Neben der Schulung von Lots:innen soll auch die Schulung von allen Fachschaften an der Uni Heidelberg systematisiert werden.
Zu der Dunkelziffer der Betroffenen von Mobbing kann Charlotte von Knobelsdorff nur eine Schätzung abgeben. Sie denkt aber, dass die Zahlen mit der Einführung des neuen Konfliktkonzeptes steigen werden. Sie erwartet, dass das Bewusstsein für Mobbing wächst und sich daher mehr Betroffene einer Anlaufstelle anvertrauen.
Im Falle einer Beschwerde wegen Mobbings wird zwischen dem vertraulichen Bereich und offiziellem Dienstweg unterschieden. Die zu beratenden Personen bestimmen, welcher Weg eingeschlagen wird. Wenn Betroffene sich entscheiden, den offiziellen Dienstweg zu gehen, passiert das zum Beispiel durch das Einreichen einer Beschwerde nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Die Vorgesetzten sind bei einer solchen Beschwerde durch das Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis (Studierende via Paragraph 4a, Absatz 4 Landeshochschulgesetz) dazu verpflichtet, zu handeln. Bei Studierenden sind die „Vorgesetzten“ zum Beispiel die Dozent:innen einer Vorlesung.
Alle Maßnahmen, die in der Senatsrichtlinie „Partnerschaftliches Verhalten“ der Uni Heidelberg aufgeführt sind und von Ermahnung bis Exmatrikulation reichen, sind Teil des Dienstweges. Bei einer Ermahnung für Studierende wird den Beschuldigten der Sachverhalt mitgeteilt und sie können Stellung beziehen, da immer beide Seiten angehört werden. Solche „weichen“ Maßnahmen haben in der Vergangenheit schon hohe Effektivität bewiesen.
Allerdings müssen Betroffene über den dienstlichen Weg immer auch ihre Identität angeben. Zudem haben sie auf dem Rechtsweg weniger Kontrolle darüber, wohin der Prozess geht. Wenn eine Beratungsstelle also erst einmal aufgesucht wird, befinden sich alle Personen im vertraulichen Bereich, und der Fall wird erstmals dokumentiert. Den Betroffenen steht offen, es dabei zu belassen oder es auf die Rechtsebene zu heben.
Gegen Mobbing gibt es außerdem noch kein Gesetz. Jedoch wird als Mobbing ein Verhalten von Schikanieren, Anfeinden und Diskriminieren verstanden, das regelmäßig und systematisch passiert. Dies juristisch einwandfrei zu beweisen, ist schwierig. Darum ist es umso wichtiger, dass Opfer die Vorfälle so gut es geht dokumentieren.
Bei Fällen unterhalb der rechtlichen Grenze ist es der Ansatz der Universität, einen Weg zu finden, der Betroffenen entgegenkommt. Zum Beispiel wird darauf geachtet, dass Betroffene und Beschuldigte nicht im gleichen Seminar sind. Bei Fehlverhalten von Dozent:innen kann es hilfreich sein, wenn diese von Kolleg:innen zur Rede gestellt werden. Ihre Identität müssen Betroffene bei dieser Maßnahme nicht preisgeben.
Wenn Mobbing unter Studierenden im Cyberspace passiert, zum Beispiel in privaten Chatgruppen, ist es wichtig, dass diese Grupe im Kontext des Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses steht. Bei Chatgruppen eines Studienganges ist dies der Fall und die Universität ist zuständig. Allerdings muss die betroffene Gruppe bei Mobbing auf das Institut zukommen, da das Institut nicht befähigt ist, von sich aus auf die Chatgruppe zuzugreifen. Erst nach dieser Kontaktaufnahme können Konsequenzen folgen.
Alles im allem ist es zentral, dass Mobbing nicht geduldet und verhindert werden soll und sowohl Betroffene als auch Beobachter:innen von Mobbing Beratungsstellen wie Unify aufsuchen, um Hilfe zu erhalten und über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt werden.
Von Lucie Bähre
Lucie Bähre studiert Politikwissenschaften und Germanistik im Kulturvergleich. Sie kann sich für alle Themengebiete begeistern, interessiert sich aber am meisten für den gesellschaftspolitischen Bereich. Seit 2021 schreibt sie für den ruprecht und leitet seit 2022 Seite 1-3.