Kunst im Krieg. Ein Museum in Odesa packt seine Schätze ein und schickt sie zum Schutz vor Bombardierungen nach Deutschland. Die geretteten Kunstwerke sind noch bis März im Kurpfälzischen Museum Heidelberg zu sehen
Es sei keine Ausstellung wie jede andere. Diese sei besonders schwer und hochpolitisch, erzählt uns die Kuratorin der Ausstellung, Frau Carrasco. 2022 wurden Gemälde aus dem Museum für Westliche und Östliche Kunst in Odesa eingepackt und nach Deutschland verfrachtet. Etwa 60 werden zuerst dem Berliner Publikum gezeigt. Nun sind 45 davon bis März auch in Heidelberg zu sehen. Heidelberger Studierende bekommen freien Eintritt, auch zu den wöchentlichen Führungen. Eine Hommage an die neu geschlossene Städtepartnerschaft zwischen Heidelberg und Odesa. Odesa mit einem S, nach ukrainischer Schreibweise und auf den expliziten Wunsch des ukrainischen Museumsdirektors. Die Ausstellung selbst ist dabei in neun Kapitel unterteilt. Thematisch ähnliche Werke aus beiden Städten treten in Dialog miteinander, damit Unterschiede selbst Kunst-Laien eindrücklich erscheinen. Im ersten, türkisblauen Saal wacht ein Porträt der eleganten Olena Tolstoi, einer entfernten Verwandten von Lew Tolstoi über die Ausstellung. Ein Blick nach rechts liefert schon die Erklärung für die mutige Farbwahl – ein Nachempfinden der Außenfassade des ukrainischen Museums.
Im gleichen Saal imponieren religiöse Figuren von Francesco Granacci, einem Freund Michelangelos. Eine Mariendarstellung steht zwei Evangelisten von Frans Hals gegenüber. Die zwei großväterlich wirkenden Heiligen stammen aus dem Bestand der russischen Zarin Ekaterina der Großen. Man versteht
„Die Bilder werden zurückkehren. Die Menschen werden zurückkehren“
schnell, dass es sich hier um internationale Malerei größten Kalibers handelt. Wertvolle Werke hängen in schlichten Holzrahmen. Die originalen Rahmen konnten die Ukraine nicht verlassen. Im roten Saal, dessen Farbe auch im Inneren des Museums in Odesa zu finden ist, wird gezeigt, wie mythische Motive politisiert werden. Francesco Albani malt in Öl die Legende von der Entführung der Prinzessin Europa durch Zeus. Nur, dass im Nacken des Stiers Madame de Montespan, die Mätresse von Ludwig XIV. sitzt. Sie steht für den Triumph der Frau über den Mann. Später wird der „Raub der Europa“ zur Allegorie für die Weltkriege. Die Bibelgeschichte vom Blinden, der andere Blinde führt, wird beim Maler David Vinckboons zum Symbol für die Blindheit der Katholiken gegenüber den Protestanten. Interessant ist auch die zunehmende Erotisierung religiöser Motive im 16. Jahrhundert, veranschaulicht in der Verführung Lots durch seine Töchter. Aus dem Kapitel Stillleben bleibt das Gemälde eines Herings mit angebissenem Brot als Sinnbild für die Vergänglichkeit von Genüssen im Gedächtnis. Die Genremalerei zeigt Szenen des Rauchens, Urinierens und lauten Lachens, die das fehlende Feingefühl
Wertvolle Werke hängen in schlichten Holzrahmen
unterer Gesellschaftsklassen darstellen sollen. In diesem Kapitel sticht insbesondere Magnascos großformatige und äußerst bizarre „Erholung der Komödianten“ hervor. Die Kunstreise durch drei Jahrhunderte lässt die dramatische Geschichte hinter der Ausstellung verblassen. Deshalb die Zäsur im vorletzten Raum. Hier läuft der vom Museumsdirektor selbst gedrehte Film „Times of Peace, Times of War“ über eine Hafenstadt unter Bombenbeschuss und ein Museum, das seine Schätze einpackt, um sie in Sicherheit zu bringen. Prägendster Moment: ein Klavierspieler in einem leeren Museum, der Boden voller leerer Rahmen. Das letzte Kapitel präsentiert in einem hell-weißen Raum das Licht und die Farbe des 19. Jahrhunderts. Im letzten Werk der Ausstellung bildet Gabriel Max eine blinde junge Frau ab, die Lichter verteilt. Die Ausstellung solle in einem hoffnungsvollen Ton enden, so die Kuratorin. Ganz in den Worten des Filmes: „Die Bilder werden zurückkehren. Die Menschen werden zurückkehren. Und es wird Frieden geben.“ Bis dahin gibt Heidelberg der Kunst in Kriegszeiten einen Rahmen.
Von Andreea Surugiu, Laura Altenburg und Klara Plassmann
...beobachtet gerne, schreibt über Menschen und studiert Medizin. Die Welt wird durch das Schreiben kohärenter, ertragbarer, schöner.
Laura Altenburg
…erkundigt und schreibt gerne, eine Kombi, die sie zum ruprecht geführt hat. Am liebsten untersucht sie Themen, in denen sich Geschichte, Politik und Kultur kreuzen. Sie studiert Geschichte und Osteuropastudien im Bachelor und ist seit dem Wintersemester 2025/26 beim ruprecht.







