Selbstbestimmung oder Zwang: Gerichts– und Parlamentsentscheide zu Abtreibungen weltweit erzeugen ein gemischtes Bild. Macht die Welt in Sachen Frauenrechte einen Schritt vor oder zurück? Eine Übersicht
In Frankreich sind Abtreibungen auf Wunsch der Schwangeren bis zur 16. Schwangerschaftswoche erlaubt, und das schon seit fast 50 Jahren. Seit 2013 werden Schwangerschaftsabbrüche gänzlich von der Versicherung getragen. Im März diesen Jahres hat Frankreich das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in der Verfassung verankert. Auch auf EU-Ebene gibt es nun Bestrebungen, Abtreibungen in die Charta fundamentaler Rechte aufzunehmen.
Seit Mitte April dürfen in Italien Abtreibungsgegner:innen Abtreibungskliniken betreten, um gezielt auf Patient:innen einwirken zu können. In Italien sind Abtreibungen seit 1978 legal, jedoch weigern sich etwa 63 Prozent der Mediziner:innen, die Prozedur durchzuführen. Wer Abtreibungen durchführt, muss mit Diskriminierungen rechnen.
In Deutschand und Österreich sind Abtreibungen zwar nicht legal, aber unter bestimmten Umständen straffrei. Dazu gehört eine verpflichtende Beratung mit anschließender Wartezeit. Doch die Hürden für ungewollt Schwangere in Deutschland sind groß: Es gibt kaum Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, und erst seit zwei Jahren dürfen Ärzt:innen darüber informieren. Im April empfahl eine von der Bundesregierung beauftragte Kommission, Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase der Schwangerschaft zu legalisieren. Die Regierung möchte nun den Diskurs dazu eröffnen.
In China sind Abtreibungen legal. In Zeiten der Ein-Kind-Politik wurden Frauen nicht selten zur Abtreibung oder zur frühzeitigen Einleitung der Geburt gezwungen. Die gezielte, wenn auch offiziell verbotene, Abtreibung weiblicher Föten aufgrund der zu erwartenden soziokulturellen Nachteile führt zu einer Geschlechterdisbalance in der Bevölkerung.
Je nach Bundesstaat sind in den USA Abtreibungen entweder legal oder nur innerhalb sehr strenger zeitlicher und juristischer Grenzen erlaubt. Seit einem Urteil des Obersten Gerichtshofs im Jahr 2022 dürfen die einzelnen Bundesstaaten selbst über die Legalität von Schwangerschaftsabbrüchen entscheiden. So gilt in Florida seit dem ersten Mai ein Abtreibungsverbot ab der sechsten Woche nach Ausbleiben der Menstruation.
Die „marea verde“ Bewegung, auf Deutsch grüne Welle, entstand 2003 in Argentinien im Kampf um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch – mit Erfolg. Seit der Legalisierung von Abtreibungen in Argentinien schwappte die grüne Welle über weitere lateinamerikanische Staaten. Die grünen Bandanas haben in den vergangenen drei Jahren auch in Kolumbien, Equador und Teilen von Mexiko eine Liberalisierung in der Gesetzgebung erreicht.
Im Maputo-Protokoll haben sich die Mitgliedsländer der African Union 2003 auf ein Mindestmaß für das Recht auf Abtreibungen geeinigt. Demnach muss es möglich sein, wegen gesundheitlichen Gründen oder nach einer Vergewaltigung eine Schwangerschaft legal abzubrechen. Als eines vieler Außengebiete der vereinigten Staaten trifft das Supreme-Court Urteil auch Amerikanisch-Samoa. Der Inselstaat hatte Abtreibungen schon zuvor erheblich eingeschränkt und wird sie voraussichtlich komplett verbieten. 2016 wütete das Zika-Virus in Amerikanisch-Samoa, welches bei den Föten infizierter Mütter schwere Fehlbildungen auslöst. Infizierte Frauen mussten zur Abtreibung nach Hawaii fliegen, was sich die Wenigsten leisten konnten.
Von Lena Hilf
Lena Hilf studiert Physik und schreibt seit Oktober 2019 für den ruprecht. Besonders gerne widmet sie sich Glossen, die oft das alltägliche Leben sowie wissenschaftlichen oder politischen Themen. Seit April 2021 leitet sie das Ressort Hochschule.